4. Kapitel

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Schleier bekam keine Luft mehr und schlug vor Panik, so gut es ging, um sich. Es gelang ihm aber nicht, sich zu befreien. Plötzlich bohrte sich etwas Spitzes in seine Flanke. Er schrie auf und stieß das Tier von sich runter. Da sah er, was auf ihn draufgefallen war. Ein schwarzer Kater. Kaum größer als er selbst. Der Kater starrte ihn mit seinen orangen Augen herausfordernd an. Sein Schwanz peitschte wild hin und her.
,,Wieselpfote, lass das Hauskätzchen in Ruhe!"
,,Ja, Dornenfell."

Ein großer grauer Kater, wahrscheinlich Dornenfell, war aufgetaucht, der ihn mit seinen bernsteinfarbenen Augen eindringlich musterte.
,,Geh zurück in deinen Zweibeinergarten", knurrte Dornenfell.
Im Gebüsch raschelte es und ein weiterer großer brauner Tigerkater schlüpfte aus der Deckung. Schleier hielt vor Schreck die Luft an. Das war der Kater, der gesagt hat, dass Zweibeiner schrecklich sind. Jetzt konnte Schleier ihn verstehen.
,,Geht zurück ins Lager. Ich kümmere mich um ihn", miaute er.

Die beiden Kater rannten zurück ins Unterholz, während der braune Kater noch da war. Er ging langsam auf ihn zu, bis er kurz vor ihm war und anhielt. Schleierpfote wich einen Schritt zurück, als er das Funkeln in seinen Augen sah.
,,Na, sieh mal einer an. Gibt es Ärger mit den Zweibeinern?", miaute er amüsiert.
Schleier schaute den Kater böse an. Am liebsten hätte er ihm seine Krallen übers Ohr gezogen.
,,Hast du jetzt Lust mit mir mitzukommen?"
Wieso war dieser Kater so scharf darauf, dass er mitkam?

,,Wohin willst du mich mitnehmen?", fragte Schleier deswegen nur.
,,Ich will dich mit zu meinem Clan nehmen."
,,Was ist ein Clan?"
Der braune Kater unterdrückte ein amüsiertes Schurren.
,,Ein Clan ist eine Gruppe von Katzen, die friedlich zusammenleben. Ich hatte vor, dich in den SonnenClan mitzunehmen, weil ich dort wohne. Dann gibt es noch den FeuerClan, den NebelClan und den BlattClan."
,,Und wie ernährt ihr euch? Und auf was schlaft ihr? Und wie...?"

,,Nicht gleich so viele Fragen auf einmal", schnurrte der braune Kater. ,,Also wir essen Mäuse, Eichhörnchen, Vögel und Kaninchen."
,,Und was ist mit Thunfisch?", miaute Schleier und leckte sich die Lippen.
,,Bei uns lebt kein Fisch. Nur beim FeuerClan und beim BlattClan. Und die essen den nicht, weil er ekelhaft ist. Und nun zu deiner Frage, wo wir schlafen. Wir haben ein kuscheliges Lager in diesem Wald."
,,Worauf schlaft ihr?", hakte Schleier weiter nach.
,,Auf Moos!"
Der braune Kater schaute amüsiert zu Schleier, als er dessen Blick sah.
,,Ist das nicht nass?", fragte er leicht angeekelt.
,,Wenn es trocken ist nicht", schnurrte der Tigerkater.

Schleier unterdrückte eine bissige Bemerkung und fragte stattdessen: ,,Wie heißt du überhaupt?"
,,Ich bin Ginsterfarn, ein junger Krieger. Und der kleine eben war Wieselpfote. Der große kräftige war ein erfahrener Krieger. Wie du vielleicht mitbekommen hast, heißt er Dornenfell. Er ist der Mentor von Wieselpfote."
Schleier war verwirrt.
,,Was ist ein Mentor?"

,,Also", miaute Ginsterfarn. ,,Ich fange am besten ganz am Anfang an. Es gibt bei uns Rangordnugen. Wir haben natürlich einen Anführer und einen zweiten Anführer, falls der Anführer verstirbt. Ein Anführer bekommt neun Leben vom HimmelClan. Unserer hat noch fünf übrig. Die Nachsilbe des Anführers ist immer -himmel. Unserer Anführer heißt Blatthimmel. Dann gibt es natürlich einen Heiler. Der versorgt die Katzen des Clans, wenn sie krank sind. Unserer Heiler hat auch eine Schülerin. Dann gibt es natürlich noch die Krieger. Die jagen für den Clan und verteidigen ihn. Alle Katzen aus allen Clans müssen nach dem Gesetz der Krieger leben. Das erzähle ich dir aber mal wann anders. Dann gibt es noch die Schüler. Die haben Mentoren, die sie ausbilden, also die bringen ihnen was bei. Die Nachsilben der Schüler sind immer -pfote. Dann gibt es noch die Königinnen. Das sind Kätzinnen, die Junge erwarten oder aufziehen. Die Jungen haben immer die Nachsilbe -junges, bis sie, wenn sie sechs Monde alt sind, zum Schüler ernannt werden. Dann gibt es noch die Ältesten. Das sind die ältesten Katzen, bei uns im Clan. Sie jagen nicht mehr selber. Die Schüler müssen immer ihre Nester sauber machen. Aber die Ältesten haben auch immer tolle Geschichten zu erzählen. Alle Krieger, Älteste, Heiler, Zweite Anführer und Königinnen haben beliebige Nachsilben. Die Vorsilben sind natürlich auch immer unterschiedlich"

,,Was ist der HimmelClan?"
Ginsterfarn schnurrte wieder amüsiert. Schleier wusste nicht, was er immer so lustig fand.
,,Alle Katzen im Wald glauben an den HimmelClan. Dort leben unsere toten Vorfahren.Außerdem wacht er über uns und hilft uns manchmal, indem er Prophezeiungen an Anführer oder Heiler über Träume sendet. Manchmal werden aber auch andere Katzen vom HimmelClan auserwählt. Diese Katzen bekommen dann auch Träume vom HimmelClan"
,,Ah, ok."
So wirklich verstanden hatte er es noch nicht. Wie konnten lebende Katzen mit toten Katzen kommunizieren. Ginsterfarn hatte ihm so viel erzählt, dass man sich das alles gar nicht merken konnte.

,,Hast du dich jetzt entschieden, ob du mitkommen möchtest?"
,,Ja, ich glaube, ich komme mit. Gibt es dort auch Katzen, die böse sind?"
,,Es gibt immer nicht so nette Katzen. Komm mit", knurrte Ginsterfarn.
Schleier folgte ihm durch den Wald. Aufmerksam beobachtete er die Umgebung. Überall wuchsen Eichen und Birken. Und im Unterholz raschelte es ab und zu.
,,Mit welchen Katzen hast du denn ein Problem?", fragte er dann nach einer Weile.

,,Ach nur mit so ein paar Mäusehirnigen, die nur an sich denken und nie abwarten können. Also eigentlich, wenn ich genau nachdenke, dann ist es nur einer, den ich nicht leiden kann."
,,Und wer?"
,,Du bist aber auch echt neugierig. Ich kann es dir noch nicht sagen, weil du ihn nicht kennst, aber er heißt Goldsumpf und hat einen Schüler, der Stummelpfote heißt."

,,Ist der auch so doof?", konnte Schleier sich nicht abhalten zu fragen.
,,Nein das nicht, aber ich habe Angst, dass er genauso wird wie sein Mentor. Komm jetzt, weiter!"
Schleier überlegte noch kurz. Dann folgte er dem buschigem Schwanz von Ginsterfarn, der schon hinter einem Busch verschwunden war.
,,Warte auf mich!", rief er ihm nach.

,,Jetzt sag aber du erst mal, wie du heißt."
,,Ich heiße Schleier", miaute Schleier.
Der Kater antwortete nicht und lief nur noch schneller.
Ginsterfarn führte ihn durch dichtes Brombeergestrüpp und durch einen kleinen Bach. Nach einer Weile erreichten sie einen großen Wasserfall.
,,Dort darfst du nicht hingehen. Der gehört dem BlattClan", mahnte Ginsterfarn.
Und was, wenn er doch mal aus Versehen zu weit gehen sollte. Würde es dann einen Kamp geben? Doch er sprach die Frage nicht aus.

Ginsterfarn ging weiter den Fluss entlang.
,,Wenn wir einmal hier sind, dann kann ich dir ja auch die Grenze zum FeuerClan zeigen. Die ist hier bei den Trittsteinen. Dahinter ist dann für den BlattClan Schluss. Und wir dürfen den Fluss nicht überqueren. Auf der anderen Flussseite leben nur der FeuerClan und der BlattClan", miaute Ginsterfarn geduldig.
,,Was ist mit dem NebelClan?"
,,Die Grenze liegt hier irgendwo, wenn wir weitergehen. Einfach am Fluss entlang. Der Geruch nach Kaninchen ist dort aber auch sehr stark, da dort kaum Bäume wachsen und die Kaninchen sich dort wohlfühlen."

Ginsterfarn bog jetzt in den Wald ab und sie erreichten eine kleine Kuhle mit Sand und Kies.
,,Hier trainieren die Schüler", miaute der braune Kater.
Als sie weitergingen, roch Schleier immer wieder Beute im Gebüsch.
,,Darf ich kurz was jagen?", fragte er hungrig.
,,Ja, aber das Gesetz der Krieger sieht vor, dass zuerst der Clan mit Frischbeute versorgt werden muss. Zuerst bekommen die Ältesten, die Königinnen und die Jungen."
,,Ich kann das Gefangene dann doch mitnehmen."
,,Ja, das kannst du."
Erfreut schnippte er mit dem Schwanz.

Prüfend hielt er die Nase hoch und ließ seinen Blick durch den Wald schweifen.
Auf einer Baumwurzel saß eine kleine Maus. Langsam schlich er sich an. Aber dann trat er auf einen Stock und seine Zweibeinerglocke klingelte. Die Maus lief schnell weg.
,,Eigentlich ganz gut. Du musst nur vorsichtiger sein. Und dein Klingelding machst du am besten auch ab. Warte, ich mach es dir schnell."
Er schnitt das Halsband, mit der Kralle, in der Mitte durch und vergrub es unter einem Baum. Schleierpfote schaute Ginsterfarn dabei mit einem leeren Gefühl im Magen an. War das wirklich das Richtige?

Nach einer Weile, die sich für Schleier wie eine halbe Ewigkeit angefühlt hatte, erreichten sie eine kleine Lichtung, die mehrere Schwanzlängen unter ihnen war. Ginsterfarn führte ihn zu einem kleinen Pfad. Jetzt konnte Schleier ganz viele Katzen sehen. Wahrscheinlich war das hier das Lager des Clans.
Sie kletterten zu zweit den Pfad hinunter. Dann quetschten sie sich durch einen kleinen Eingang, gebaut aus Brombeerbüschen. Viele Blicke richteten sich auf sie. Als einige der Katzen, ihren Blick auch Schleier richteten, stellte sich bei ihnen das Fell auf und sie kamen langsam näher.
,,Was macht der denn hier? Den solltest du doch vertreiben", knurrte Dornenfell aus der Gruppe heraus.

Warrior Cats - Der verlorene Anführer (Vorgeschichte)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt