Chancen {4}

2.6K 183 21
                                    

Daniel gibt es nur leise für sich selbst zu. Luther und Arina hat er es nicht gebeichtet, aber er hatte die Nacht, nachdem Luther und er zusammen gekommen sind, Alpträume. Er dachte doch wirklich, ihn würden alle auslachen.

Wenn Luther seine Hand genommen hätte, so dachte es sich Daniel, würden alle sich über sie lustig machen, ihn beleidigen, mit Worten die Daniel schon bei der Vorstellung Tränen in die Augen treiben. Ja, Daniel weiß, dass er zu dramatisch ist und dass er kein bisschen Selbstbewusstsein hat. Aber wenn man immer wieder davon in den Nachrichten hört, von irgendwelchen Anschlägen, wenn man davon liest in Literatur und Geschichte. Wäre Daniel in einer früheren Zeit geboren, hätte es vielleicht für ihn am Galgen geendet oder in lodernden Flammen. Wer weiß...

Doch der Tag nachdem Luther und Daniel sich das erste Mal geküsst hatten und damit einverstanden waren, es gemeinsam zu versuchen und immer für einander da zu sein, da war es nicht mal halb so schlimm gewesen wie in seinem Traum. Daniel hat geweint, aber vielleicht waren die Tränen auch nur vor lauter Erleichterung seine Wange herunter gelaufen. Natürlich gab es ein paar Leute, die komisch oder irritiert auf Luther und Daniels verschlungene Hände geblickt hatten, aber den Großteil hatte es milde bis gar nicht interessiert.

Daniel hatte Clara ein paar Tage später gefragt, ob sie von anderen etwas gehört hätte. Ob irgendjemand darüber redet oder ähnliches. Vielleicht darüber lacht? Daniel hatte Angst, die Frage zu stellen, aber er konnte es sich dann doch nicht verkneifen. Und Claras Antwort hatte er wirklich nicht erwartet.

Clara hatte mit den Schultern gezuckt, gegrinst und einfach gesagt: „Die Meisten wussten es schon. Bei Luther waren sie leicht überrascht, aber bei dir nicht. Die meisten Mädchen in meinem Wirtschaftskurs finden euch total süß zusammen. Außer Christine, aber die steht auf Luther, also ist sie nur neidisch.“

Daniel war etwas perplex gewesen. Sie fanden sie süß zusammen? Sie waren neidisch? Sie hatten es sowieso schon gewusst? Sie hatten gewusst, dass er schwul war? Aber wieso?

Clara hatte nur von Mädchen gesprochen. In Daniels Kopf blieb dann da immer nur noch eine Lücke offen: Die Jungs! Ganz besonders das Football-Team! Was war, wenn sie Luther raus schmissen? Was war, wenn sich seine vorherigen Freunde vor ihm ekelten? Ihn abstoßend fanden?

Der Gedanke schien fast noch unerträglicher als der, von anderen abstoßende Blicke zu bekommen.

Daniel hatte Luther gesagt, dass er das nicht machen musste. Luther musste nicht mit ihm ausgehen. Daniel hatte ihm erst nicht geglaubt, als Luther ihm davon erzählte, dass er schwul war. Er hatte es Daniel immer wieder versichern müssen und ihn schließlich davon überzeugt.

„Wir können es geheim halten. Meinetwegen für immer“, hatte Daniel ihm beim Abendessen angeboten.

Luther hatte nur gelacht, den Kopf geschüttelt: „Das werden wir nicht tun. Nichts geheim halten. Ich bin stolz mit dir zusammen zu sein und das können die anderen ruhig sehen.“ Danach war ein komischer Ausdruck über Luthers Gesicht gehuscht, den Daniel nicht hatte deuten können. Er schien fast schon ängstlich. Vielleicht auch bereuend?

Daniel hatte Luther nachmittags nach ihrem inoffiziellen Outing angerufen und sich bei ihm danach erkundigt, wie es in den Umkleideräumen des Football-Teams gelaufen war.

Erst hatte Luther gehustet und dann ein heiseres „Gut“ gekrächzt.

„Hast du geweint?“

„Nein.“ Luther hatte gelacht. „Hab ich nicht. Ich habe mich auf dem Feld erkältet. Es war kalt und nass draußen, das weißt du doch, Dummerchen.“

Daniel hatte das nur halb geglaubt, es aber fürs erste durchgehen lassen.

An dem Tag darauf hatte sich Luthers „Gut“ bewiesen, denn Ollie und die anderen hatten sich in seiner Gegenwart nicht anders verhalten als sonst.

Ollie hatte sogar danach gefragt, wie lange er und Luther schon zusammen waren und dann hatte er Luther – etwas zu laut, um es zu überhören – flüsternd gefragt, seit wann Luther denn wüsste, dass er „na ja, nicht auf Frauen steht“.

Luther hatte geschluckt, kurz zu Daniel geblickt, dann wieder zu Ollie und so selbstbewusst, wie es eben ging, geantwortet: „Schon eine gewisse Weile. Ein paar Jahre vielleicht.“

**

Habt ihr Ideen, wieso Luther sich komisch verhält? Ich würde mich freuen, wenn ihr eure Vermutungen in die Kommentare schreibt. :DD

Mädchenfilme | boyxboy ✔️ #WattpadOscars2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt