𝖼𝗁𝖺𝗉𝗍𝖾𝗋 𝟣

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Aufmerksam sah ich zur Uhr, die über der Tür hing. Nur noch sechs Minuten und der Unterricht wäre vorbei. Dann könnte ich wieder Nachhause.

Ich begann schon einmal meine Sachen einzupacken, damit ich schnell raus konnte, während die anderen noch ihre Aufgaben zu Ende lösten. Dann hatte ich eben mehr Hausaufgaben, Hauptsache ich war Zuhause, bei meiner Mutter und meiner jüngeren Schwester.

"Also meine lieben Schüler! Bevor ich euch aus dem Unterricht lasse, lese ich euch die Paare für eure Referate vor. Themen sind auch passend eingeteilt, also wird es da keine Diskussionen geben", begann auf einmal Frau Li zu reden und zog so die Aufmerksamkeit aller Schüler auf sich.

Die Klasse fing an miteinander zu tuscheln, bis unsere Lehrerin begann, die vorhergesehenen Paare vorzulesen. Innerlich betete ich, dass Frau Li so großzügig war und mich mit meinen Freunden in eine Gruppe getan hatte. So würde alles unkompliziert bleiben.

Ich wurde hellhörig, als ich meinen Namen vernahm: "Jimin, du arbeitest mit Yoongi zusammen. Ihr bearbeitet das Thema Strahlung". Min Yoongi also? Der Einzige in der Klasse, mit dem ich noch nie ein Wort gesprochen hatte.

Es ist nicht lange her, dass ich ihn kenne. Er musste die Klasse wiederholen und landete bei uns. Er wirkte meist desinteressiert und abwesend, eben in seiner eigenen Welt.
Es war nicht so, dass ich ihn nicht mochte, aber ich hatte einfach nichts mit ihm zu tun und das machte es mir schwer, mit ihm zusammenzuarbeiten. Obwohl, eigentlich fand ich es sehr vorbildlich, dass er nicht so viel Blödsinn, wie die anderen in seinem Alter, veranstaltete. Das machte ihn mir irgendwie sympathisch, denn ich fand sowas kindisch.

Die Klingel ertönte und meine Klassenkameraden stürmten raus. Ich jedoch wurde von meiner Lehrerin aufgehalten. "Jimin?", rief sie und verwirrt drehte ich mich um und ging auf sie zu. Ein Lächeln zierte ihr Gesicht, freundlich, wie sonst auch. "Ich hoffe, du kommst gut mit Yoongi aus. Als Klassensprecher, und sonst auch soziale Person, dachte ich, du könntest gut mit ihm klarkommen. Er hat ja niemanden hier, den ich in seine Gruppe hätten tun können", sagte sie mit einem traurigen Ausdruck.

Ich musste ihr recht geben. Yoongi sprach nicht viel, nur das Wichtigste. Die Pausen verbrachte er immer bei seinen Freunden, eine Stufe über uns. Das er keine Freunde in seiner jetzigen Klasse hatte, ließ ihn einsam aussehen, auch wenn das gar nicht der Realität entsprach. Ich hatte ihn nämlich schon des Öfteren gesehen. Lachend, mit seinen Freunden.

"Ich geb' mein Bestes, bis morgen!", verabschiedete ich mich noch, als ich aus der Tür trat. Dort lehnten Hoseok und Jungkook an der Wand. Wahre Freunde, sie hatten auf mich gewartet, obwohl ich das bei ihnen nie machen konnte.

Zu dritt verließen wir das Schulgebäude, wobei Jungkook uns die Ohren voll heulte, da er mit Nadine arbeiten muss. Einer absoluten Besserwisserin und Nervensäge. Er tut mir wirklich leid, nur ungern würde ich in seiner Haut stecken.

Wir standen im Moment an der Ampel vor unserem Schulgelände, als ich eine tiefe Stimme nach mir rufen hörte. Es war Yoongi, welcher auf mich zu gerannt kam. "Ich hoffe ihr habt kein Problem, wenn ich mich euch anschließe?", fragte er, als er bei uns ankam. Wir verneinten, und so kam es dann, dass Yoongi ein Stück mit uns lief, um was für unser Referat zu besprechen.

"In der Schule schaffen wir das nicht alles, wir werden nur eine Doppelstunde haben, der Rest ist Zuhause zu erledigen", sagte er dann und ich blieb still. Verdammt.

"Ich kann nicht!", entkam es mir dann etwas zu laut. "Dann nimm dir Zeit, sag ab, was auch immer du sonst zu tun hast. Tut mir leid, aber davon hängt auch meine Note ab, und diese ist mir eben wirklich wichtig", erzählte er mir in aller Ruhe.

Au ja, und wie er sympathisch war.

"Entschuldige", murmelte ich dann etwas beschämt und sah auf den Boden. "Wir können zu mir, wenn dir das passt", schlug er vor.

"Ich muss aber Zuhause sein", versuchte ich mich vergeblich rauszureden. Yoongi lächelte leicht: "Ich glaube wohl kaum, dass es deine Eltern als schlimm empfinden würden, wenn du mal rauskommst, um was für die Schule zu tun".

Ich konnte meine Familie nicht alleine lassen, es ging einfach nicht. Aber das konnte ich ihm doch schlecht sagen...
Wäre es besser, wenn er mit zu mir kommt? Zwar wüsste er dann Bescheid, aber würde er wirklich was dazu sagen? Wie schon erwähnt, schien er desinteressiert, doch woher sollte ich das schon wissen? Schließlich war es heute das erste mal, dass ich mich mit ihm unterhielt.

Vielleicht würde ich es schaffen, eine Ausrede zu finden? Sodass ich mein Zuhause nicht verlassen musste. Sonst würde mich mein schlechtes Gewissen nicht mehr verlassen.

"Mir wäre es lieber, wenn wir bei mir arbeiten", beschloss ich. "Geht fit. Morgen ist Freitag, ginge das? Übers Wochenende fahre ich nämlich weg", meinte Yoongi und biss sich dann auf die Unterlippe.

Ich überlegte etwas, stimmte schlussendlich aber doch ein. "Wir können direkt nach der Schule zu mir, dann haben wir davor schon in der Schule angefangen und können es bei mir Zuhause beenden", äußerte ich mich.

Dann stand es also fest.

𝙏𝙞𝙧𝙚𝙙 ʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt