𝖼𝗁𝖺𝗉𝗍𝖾𝗋 𝟥𝟦

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Mir war unbewusst, wie viel Zeit vergangen war. Aber das schien im Moment sowieso irrelevant. Das einzig wichtige befand sich in meinen Armen, auf meinem Bett.

Wir hatten nicht über den Kuss geredet, nicht einmal wirkliche Worte hatten wir ausgetauscht. Doch das war auch nicht nötig. Unsere kleinen Gesten zeigten schon genug.
Zum Beispiel, dass wir Hand in Hand nach Hause gelaufen waren. Immer wieder, wenn Jimin sich wieder den Kopf zu zerbrechen schien, übte ich etwas Druck auf, um ihm klarzumachen, ich seie da.

Und es schien ihm zu helfen, wenn ich mich nicht irrte.

"Willst du mir im Detail erzählen, was eigentlich passiert ist? So wirklich was verstanden, habe ich vorhin nämlich nicht.", murmelte ich in sein Haar, welches andauernd mein Gesicht kitzelte.

"Meine Tante ist passiert.", erwiderte er, deutlich müde, wahrscheinlich von dem ganzen Gefühlschaos. "Kann ich es dir später erzählen?", fragte er dann etwas unsicher, woraufhin ich summte.

"Ruhe dich etwas aus und wenn du aufwachst, gehen wir Mie abholen. Und auf dem Weg erklärst du mir die Situation. Wie findest du den Plan?" "Perfekt", antwortete er, kuschelte sich dann weiter in meine Brust ein, während ich begann sein Haar zu kraulen, um ihm das Einschlafen etwas zu vereinfachen.

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"Und deswegen hab' ich es nicht mehr ausgehalten dort zu bleiben und bin stattdessen zu dir gekommen. Tut mir leid, dass ich davor nicht Bescheid gesagt habe.", seufzte Jimin, sein Kopf gen Boden gerichtet.

"Alles gut. Das wichtigste ist doch euer Wohlergehen.", sagte ich und griff nach seiner Hand. Er zeigte mir nur ein stummes, kleines Lächeln, aber ich wusste wie dankbar er eigentlich war.

Wir waren auf dem Weg zu Mies Freundin, um sie abzuholen und anschließend etwas essen zu gehen. Natürlich hatte Jimin anfangs verneint, doch nach endlichen Diskussion hatte er doch zugesagt. Das Problem war, dass er nicht wollte, dass es auf mich ging. Aber ganz ehrlich, ein Essen war nichts im Vergleich, zu dem, was ich Jimin alles geben würde.

Er stellte wirklich merkwürdige Dinge mit mir an und wahrscheinlich war es Zeit, das zu akzeptieren. Zu akzeptieren, dass ich Gefühle für den Jüngeren hegte.

"Sag mal, wirst du die ganze Sache eigentlich deinem Vater mitteilen? Ihr könnt jetzt nicht mehr wirklich da bleiben, finde ich."

"Hm, das hatte ich auch vor. Mal sehen, wann ich ihn wieder sehe. Ich werde höchstens bis zum Ende der Woche bleiben, ich packe sonst einfach meine Sachen und gehe. Länger da zu bleiben kommt nicht in Frage.", sagte er mit verärgerter Miene. "Zum Notfall könntet ihr auch bei uns unterkommen. Ich bin mir sicher, meine Mutter hätte nichts dagegen. Sie mag dich und Mie sowieso. Und wenn sie erstmal weiß, was los ist, wird sie euch herzlichst begrüßen."

Der Blondhaarige neben mir schnaubte bloß: "Das ist viel zu viel. Das Angebot würde ich niemals annehmen. Du hast schon genug für mich getan, ich kann nicht noch bei dir leben und euch euren Lebensunterhalt nehmen.", wisperte er etwas in Gedanken, sodass ich meine Augenbrauen verwirrt zusammenzog.

"Meine Mutter verdient genug, also gibt es keine Probleme.", antwortete ich. Danach fing er an mit seiner freien Hand an seinem Ärmel zu fummeln, bis er dann auf seine Unterlippe biss und unsicher fragte: "Und was ist mit deinem Vater?"

Ich wusste, dass solch eine Frage irgendwann mal kommen würde. Schließlich hatte er nie etwas von ihm gehört, noch hatte er ihn jemals gesehen und überhaupt, ich hatte nie ein Wort über ihn verloren.

Ich wurde leise, wusste nicht, was ich sagen sollte. Der Schmerz, den ich bei den Gedanken an ihn verspürte, ließ mich tief Luft holen. Wie lange ich gebraucht hatte, um all dies zu verarbeiten und zu lernen, damit umzugehen.

Diesmal war ich derjenige, der sich auf die Lippe biss, als ich Tränen in meinen Augen spürte. Normalerweise weinte ich nicht mehr darüber. Es war doch Monate her, ich spürte sonst nur noch ein Stechen in meiner Brust, mehr nicht.

Vielleicht war es, weil Jimin mich gefragt hatte. Vielleicht aber auch, weil es so lange her war, dass ich daran gedacht hatte.

Ich wollte nicht verletzlich rüberkommen, aber bei dem Jüngeren konnte ich nicht anders. Er machte mich schwach, in mehreren Weisen.

Jimin hielt an, wodurch ich wegen unseren verschränkten Händen auch zum stehen kam.
"Ach, Yoongi", murmelte er dann, weswegen ich nun doch in Tränen ausbrach. Natürlich brach ich nicht wirklich zusammen, aber trotzdem weinte ich immer mehr. Ich versuchte es mir zu verkneifen, machte es damit aber nur schlimmer.

Jimins Arme legten sich um mich, brachen mich in seine Wärme. "Ich hätte dieses Thema nicht aufbringen sollen, tut mir leid. Aber lass es raus."

Eine Zeit lang verweilten wir so, bis ich mich räusperte um meine Stimme zu finden und dann sagte: "Er ist letztes Jahr gestorben."

𝙏𝙞𝙧𝙚𝙙 ʸᵒᵒᶰᵐᶤᶰ Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt