3. Kapitel

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>Trage nachts dein altes T-Shirt. So habe ich wenigstens deinen Duft bei mir.< Unbekannt

~Ihr Bruder~

Ich schnappe panisch nach Luft. Ein schmerzvolles Stechen fährt mir so schnell wie der Schuss einer Pistole durch die Brust.

Ich kauere mich im Bett zusammen und versuche wieder Sauerstoff in meine Lungen zu transportieren, doch es klappt nicht.

Tränen strömen meine Wangen hinunter. Verzweifelt versuche ich die Panikattacke zurück zu drängen, den Schalter in meinem Kopf umzulegen. Wenn ich es nicht bald schaffe, verliere ich das Bewusstsein!

So schnell wie es geht, versuche ich ins Badezimmer zu kommen. Dort drehe ich das Wasser des Waschbeckens auf brennheiß und versuche den aufsteigenden Dampf einzuatmen.

Nach ein paar missglückten Versuchen schaffe ich endlich, kurz einzuatmen.

Der Dampf hilft mir immer dabei, wieder atmen zu können. Ich weiß nur nicht warum.

Nach fünf Minuten, in denen ich reglos über das Waschbecken gebeugt war, schalte ich den Wasserstrahl wieder ab und richte mich vorsichtig auf.

In meinem Zimmer lege ich mich sofort ins Bett. Mein Herz rast noch immer so, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Meine Gedanken kreisen alle um IHN. Um Liam, meinen verstorbenen Bruder.

Er wäre 19...

Mit gerademal 17 Jahren ist er von uns gegangen...von mir.

Mein Vater hat damals mit dem Trinken angefangen und meine Mutter, tja... Sie war für ganze fünf Tage verschwunden und ist dann wieder aufgetaucht, mit dem breitesten Grinsen, was man sich vorstellen kann.

Das werde ich ihr nie verzeihen!

Während ich mir Tag ein Tag aus die Augen ausgeheut habe, kommt sie glücklich wie eh und je zurück.

Nun aber wieder zu ihm.

Wie gesagt, war er erst 17. Ein Unfall.

Das war es, was ihm das Leben gekostet hat.

Liam war mit zwei seiner Freunde Cross durch den Wald fahren. Seine Freunde haben mir erzählt, dass er bei einem Sprung die Kontrolle verloren hat und blöd auf dem Boden aufgekommen ist. Anschließend ist er vom Cross gestürzt und dieses hat ihn mit voller Wucht gegen einen Baum geschleudert.

Dieser verdammte Unfall hat ihm das Leben gekostet!

Ich kann mich an den Tag erinnern, als wäre er erst gestern gewesen. Wie seine Freunde mit Tränen in den Augen geklingelt haben. Hinter ihnen zwei Polizisten. Nur an die Worte kann ich mich nicht mehr erinnern. Nur noch an diese zwei Sätze: Dein Bruder hatte einen Unfall. Er ist dabei ums Leben gekommen.

Nach diesem Satz wurde alles schwarz. Alles war so weit weg. Die Stimmen, die Berührungen, die ganzen Geräusche. Alles war so, so, so weit weg.

In den ersten Monaten habe ich fast täglich von ihm geträumt, doch irgendwann verpixelte sein Gesicht, bis man ihn gar nicht mehr erkennen konnte.

Alles, was ich jetzt noch von ihm habe, sind Erinnerung sowie Bilder und einige wenige T-Shirts. Mein Lieblingsbild von ihm ist eines, auf dem er mit seinem Cross am Strand entlang fährt. Ihr werdet mich wahrscheinlich für verrückt halten, aber ich habe sogar noch seinen Kontakt.. Ich bringe es nicht übers Herz, ihn zu löschen. Ich klammer mich noch immer an die Hoffnung, dass es nur ein scheußlicher Albtraum oder Scherz ist und ich irgendwann eine Nachricht von ihm erhalte, doch nach zwei Jahren verblasst die Hoffnung zunehmend!

~

536 Wörter

Mobbingopfer - Ganz klein✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt