Ein Brief von Lucius

217 18 6
                                    

„Und dann hat der echt auch noch gemeint sich bei den Lehrern beschweren zu müssen? Was ist das hier? Der Lehrer hätte auf meiner Seite sein müssen. Ich bin immerhin ein Reinblut und die zukünftige Stütze der Gesellschaft und der? Der wird ein Nichts. Wenn er Glück hat, darf er irgendwo ein Geschäft putzen." Jay blendet Grahams Worte aus und öffnet die Tür zum Gemeinschaftsraum der Schlangen.

Am Kamin sieht er bereits den Rest seiner zwischenzeitlichen Gruppe, doch er hat absolut keine Lust sich mit ihnen zu beschäftigen. Er wird Graham schon nicht los, der wie eine Klette an ihm hängt, wann immer er kann und redet, als gäbe es kein Morgen mehr. Das Jay ihm weder antwortet noch Aufmerksamkeit schenkt, scheint den Jüngeren nicht zu stören.

„Oh, sie warten schon auf uns. Aber kein Wunder. Das hier ist der einzige Ort, an dem wir nicht mit den unnützen Viechern in Kontakt kommen. Eine Schande, dass die Lehrer das anders sehen. Aber ganz im Geheimen. Professor Snape muss schauspielern, sonst würde er von der Schule verwiesen. Der dumme Ami kennt da keine Gnade."

Jay schüttelt den Kopf und wendet sich den Schlafräumen zu. Ohne ein Wort zu sagen, verschwindet er kurz in der kleinen Bibliothek der Slytherins, nimmt sich ein Buch und geht dann in Richtung seines Schlafzimmers. Graham scheint die Nachricht bekommen zu haben, aber Jay interessiert es nicht wirklich.

In seinem Raum wirft er das Buch auf den Schreibtisch und sich selbst auf sein Bett. Eine Bewegung seines Zauberstabes und mit einem leisen Rascheln gleiten die Seidenvorhänge um sein Bett zu. Nun komplett von der Welt abgeschirmt greift er in seine Tasche und zieht einen Brief hervor, den er am Morgen erhalten hat.

Vorsichtig bricht er das Siegel und zieht die Pergamentseiten hervor, die eng mit der vertrauten Schrift seines Vaters gefüllt sind. Die zackigen, kantigen Buchstaben wirken so vertraut, dass Jay für einen Moment darüberstreicht, ehe er sich dazu durchringen kann sie tatsächlich zu leisen.

„Jay, mein Sohn.

Ich weiß, dass ich dich mit meiner Entscheidung enttäuscht habe, wie ich auch meine Frau enttäuscht habe. Du wirst dich vermutlich fragen, warum ich erst jetzt schreibe und so schwer es mir fällt diese Worte zu schreiben, Angst. Angst ist die einzige Entschuldigung und der einzige Grund, den ich habe. Ich habe Angst davor dich zu verlieren. Ich weiß nicht, wie du auf diese Information reagieren wirst, aber ich habe kein Recht dich für deine Reaktion zu beurteilen, also werde ich es auch nicht tun.

Überraschenderweise hat sich meine Nebenbeschäftigung noch nicht auf meine Arbeit ausgewirkt.  Man will mich wohl von Problemen fernhalten und mehr mein Wissen, als meine magische Stärke nutzen. Ich kann nicht sagen, dass mir das behagen würde, auch wenn ich somit meine Hände nicht zu tief in den Dreck stecke.

Jill mag es dennoch nicht. Ich weiß, dass sie mir am liebsten die kalte Schulter zeigen würde, doch jedes Mal, wenn ich gefordert werde und bis tief in der Nacht außer Hauses bin, komme ich zu ihr zurück und finde sie schlafend auf dem Sofa. Ich kann dir nicht genug dafür danken, dass du sie in mein Leben gebracht hast, so wie ich ihr nicht genug dafür danken kann, dass sie dich in mein Leben gebracht habe.

Ich kann nur noch einmal sagen, dass ich all dies tue, um euch sicher zu halten. Ich weiß, dass ihr mir sagtet, dass ihr das nicht wollt. Das ihr nicht glaubt, dass das eine gute Idee sei. Ich weiß dies, keine Frage, aber es fühlte sich nicht richtig an, nichts zu tun. Um uns herum zerfällt die Welt, wie wir sie kennen, und ich tue nichts, um es zu verhindern, obwohl ich eine Chance dazu habe. Ich kann dich nicht um Vergebung bitte, nicht einmal um Verständnis, aber ich hoffe, dass du versuchst meinen Standpunkt zu verstehen.

Jill sagt mir, dass ich mich nicht entschuldigen soll. Eine Entschuldigung in diesem Fall höre sich nach Betteln an und in meiner Position kann ich mir es nicht leisten so zu denken. Ich verstehe, was sie meint und doch fühlt es sich nicht richtig an, nicht nach deiner und ihrer Vergebung und Verständnis zu suchen. Sie mag es nicht und ich kann mir vorstellen, dass es auch dir nicht gefällt, aber ich kann nicht anders.

Ich weiß das Jill dir schreibt, kenne aber auch ihre Vorliebe, dir keine Sorgen zu bereiten. Als solches, ich bin mir sicher, dass sie dir nicht von ihren Gesundheitlichen Sorgen erzählt hat. Für die letzten Wochen ist sie wieder und wieder leicht krank, winkt es aber zur Seite mit der Erklärung von den vielen Einsätzen, dem kälter werdenden Wetter und dem Stress, der auf ihr liegt. Ich weiß, dass sie die Heilerin ist und ihre Kollegen ein Auge auf sie haben, kann aber nicht anders als mir Sorgen um sie zu machen. Vermutlich wirst auch du dir Sorgen machen, aber ich möchte dennoch, dass du so etwas weißt.

Von Jill habe ich über deine neue Stellung erfahren. Ich muss mich entschuldigen, dass ich dich in eine solch unangenehme Situation gebracht habe. Ich kenne deine Haltung zu dem gesamten Thema und nun habe ich dafür gesorgt, dass du von deinen Freunden ferngehalten wirst und dich mit Leuten umgibst, die eine Haltung vertreten, die du nicht teilst. Ich hoffe, dass du mir verzeihen kannst und dennoch deine Schulzeit genießen.

Ich hoffe, dass wir dich zu Weihnachten Zuhause haben werden und selbst mit dir feiern können. Mit unseren Arbeiten können wir es dir aber leider nicht garantieren. Jill schaut mir über die Schulter und sagt, dass sie bereits eine Garantie hat, dass sie als letzte Ressource um Weihnachten gerufen wird und ich dich von ihr grüßen soll.

Mehr habe ich im Moment nicht. Bitte pass auf dich auf und lass dich nicht runterziehen. Du kennst deine wahren Freunde und ich bin mir sicher, dass auch sie den Grund deiner Veränderung kennen.

Lucius." Jay dreht sich auf den Rücken, drückt die Pergamente gegen seinen Körper und sieht an den Baldachinhimmel seines Betts. Er kann es sich nur zu gut vorstellen, wie Lucius in seinem Arbeitszimmer an seinem Brief sitzt, Jill hereinkommt und über seine Schulter mitließt. Es zaubert Jay für einen Moment ein Lächeln aufs Gesicht.

Das verschwindet aber wieder, als sich seine Augenbrauen zusammenziehen, als er darüber nachdenkt, dass es Jill nicht gut geht. Lucius hat Recht, sie hat ihm das nicht geschrieben. Er hofft, dass Jill vernünftig ist, aber er kennt sie und weiß, dass diese Hoffnung vermutlich für nichts ist.

Mit einem Maunzen reibt sich Keks an Jays Gesicht. Er seufzte und vergräbt sein Gesicht in ihrem Fell. „Ich vermisse sie. Aber es sind ja bald Ferien und dann können wir endlich wieder heim. Und vor allem weg von diesem Zirkus." Keks maunzt zustimmend.

Dunkelheit im Haus der SchlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt