Immer nur Probleme

195 16 0
                                    

Schnurrend streicht Keks in Achten um Jays Beine und dieser stolpert wieder und wieder über sie. Jay beugt sich zu ihr hinunter und sie reibt sich an seiner Hand, bis er sie auf den Arm nimmt und mit einer Hand streichelt. „Du willst also nicht, dass ich gehe. Ich will aber endlich all das hier beenden und dafür muss ich es finden. Sie haben mir einen guten Hinweis gegeben und ich glaube, dass Jill Recht hatte. Irgendwo im Heiligtum ist es. Irgendwo dort wird stehen, nach was wir suchen müssen."

Er dreht sich und setzt sich auf sein Bett. „Es wäre viel einfacher und würde sicher auch schneller gehen, wenn ich nicht alles allein machen müsste. Aber ich bin nun einmal die einzige Person, die Parsel spricht. Und daher kann auch nur ich es lesen und die meisten Bücher sind leider darin geschrieben. Also muss ich alle lesen. Und ich will Victoria nicht zeigen, dass ich ein Geheimnis habe."

Keks springt von seinem Schoß und Jay verlässt den Raum nun doch. In den Fluren zu den Schlafräumen herrscht Stille, die nur von seinen Schritten durchbrochen wird, doch je näher er dem Gemeinschaftsraum kommt, umso mehr schwirren Stimmen durch die Stille. Wie ein Volk Bienen schwirren die Worte herum, ohne das ein Unbeteiligter die Sätze erkennen könnte.

Jay betritt den Gemeinschaftsraum und zuckt zusammen, als er seinen Namen wahrnimmt. Prompt kollidiert Theo mit ihm. Er krallt sich an Jay fest und wiederholt dessen Name. „Ich habe dich schon beim ersten Mal gehört Theo. Du musst mir nicht ins Ohr brüllen. Glaub mir, ich kenne meinen Namen auch so. Was genau brauchst du denn, dass dich so aufwühlt?"

Theo lehnt sich etwas zur Seite und macht eine fast unmerkliche Kopfbewegung hinter sich. Jay stellt sich auf die Zehenspitzen und linst über Theo Schulter. Prompt zuckt er zurück, als er Victorias eisigem Blick begegnet. Schnell sorgt er dafür, dass Victoria ihn nicht mehr sehen kann und sieht Theo dann wieder an.

„Hast du irgendwas gemacht, dass sie nun sauer auf dich ist?" zischt er Theo zu.

Der nimmt den Kopf zu ihm nach unten und schüttelt den Kopf. „Nur das, was du mitbekommen hast. Und das war ja nicht wirklich ich. Das war mehr Dana. Auch wenn ich nicht verstehe, warum sie es gemacht hat."

„Weil ihr mal Freunde wart... seid... was auch immer. Und weil es gegen Victoria geht, die Dana als Konkurrentin ansieht. Und jetzt gibt es einen Konkurrenzkampf zwischen den Beiden. Und ganz gleich was ist, Victoria ist mehr Danas Feind als du es bist. Der Feind meines Feindes ist mein Freund."

„Versteh ich nicht."

Jay verdreht die Augen. „Du bist Victorias Feind, die ist Danas Feindin. Also bist du erstmal ihr Freund. Aber da müssen wir uns jetzt trotzdem drum kümmern. Also komm mit."

„Ich will nicht." Theo zieht die Schultern hoch und linst in Victorias Richtung.

„Ach, und glaubst du ich will? Ich habe eigentlich echt besseres zu tun. Aber hier im Haus so einen Streit brodeln zu haben ist auch nicht schön. Der wird uns irgendwann um die Köpfe fliegen wie Longbottoms Kessel." Theo beginnt zu Lachen. Jay geht an ihm vorbei, packt ihn am Ellenbogen und zieht ihn zu Victoria.

„Jay. Wie kann ich dir helfen?" Victorias Lächeln ist so aufgesetzt, dass Jay sich wundert, dass es nicht wie schmelzendes Wachs von ihren Lippen tropft.

„Oh, nichts Großes. Du kennt Theo ja, aber ich stelle ihn dir jetzt auch noch einmal offiziell vor. Ich habe das Gefühl, dass es nötig ist. Victoria, dies ist Theodore Nott, ein Reinblut der gehobenen Gesellschaft. Theo, das ist Victoria O'Conoll, ebenfalls ein Reinblut. Ich hoffe doch, dass wir uns alle vertragen können. Wir sind immerhin Reinblüter und müssen gegen die verunreinigenden Gedanken der Schule zusammenstehen." Er lächelt Victoria an.

Die zwingt ein Lächeln auf ihre Lippen und reicht Theo eine Hand. „Natürlich. Wie sollten wir auch anders bestehen? Allein das die Lehrer nicht einsehen, dass es zwei Klassen in der Gesellschaft gibt, ist eine Schande. Die gehobene Schicht muss natürlich zusammenstehen, um das natürliche System wiederzuerrichten."

Theo ergreift ihre Hand und haucht einen Kuss auf den Handrücken. „Sehr erfreut, dich kennenzulernen. Ich hoffe doch, dass du deinen Worten auch Taten folgen lässt und wir uns besser verstehen werden."

Victorias Augen blitzen, aber sie sagt dazu nichts, sondern nimmt nur ein Buch in die Hand und schlägt es auf. Theo springt auf und flüchtet sich beinahe in ihren Raum zurück. Jay schüttelt den Kopf und steht dann selbst auf. Er kommt keine fünf Schritte weit.

„Jay. Bitte, du musst mir helfen." Jay dreht den Kopf und sieht Katarin an, die ihre Arme um seinen geschlungen hat und ihn von unten ansieht. Er weiß nicht, warum sie die Augen so weit aufreißt oder die Unterlippe vorschiebt, aber es sieht absolut albern aus.

„Du bist dir bewusst, dass es für persönliche Probleme die Vertrauensschüler gibt?!"

Katarin sieht sich um und starrt dann Jay wieder in die Augen. Am Arm zieht sie ihn zu ihr herunter. „Aber wir sind Freunde. Und... es ist mir peinlich zu den Vertrauensschülern zu gehen. Also bitte komm mit." Jay erstarrt und Katarin zerrt ihn einfach mit.

„Bitte sei nicht schwanger. Bitte sei nicht schwanger. Damit will ich nicht umgehen müssen." flüstert Jay lautlos vor sich hin und kneift die Augen zusammen. Vor seinem inneren Auge bildet sich langsam ein Bild von Katarin, die langsam über einen hochschwangeren Bauch streichelt und er reist die Augen mit einem entsetzten Keuchen wieder auf.

Katarin dreht sich zu ihm um. „Geht es dir gut? Du bist heute irgendwie komisch. Dabei brauche ich heute wirklich deinen Rat. Es ist super-duper wichtig."

Jay japst erstickt und versucht sich selbst verzweifelt davon zu überzeugen, dass seine erste Idee nur ein Hirngespinst ist. Dass er nur daran dachte, weil Dana ihm immer wieder Informationen über Ginnys Schwangerschaft weitergibt, die er auch nicht wirklich will. Aber jetzt erscheint zusätzlich zu einer schwangeren Katarin auch noch eine schwangere Ginny vor seinem inneren Auge.

Er schüttelt weiter heftig den Kopf und die dunklen Steine der Wand sehen mit einem Mal sehr einladend aus, um den Kopf dagegen zu schlagen. Nur Katarins noch immer bestimmtes Zerren an seinem Arm hält ihn davon ab. Er findet sich in einem Mädchenzimmer wieder, wo Katarin ihn auf ein Bett drückt, von dem zusätzliche Tüllvorhänge mit delikaten Stickereien hängen.

Sie selbst setzt sich auf ihren Stuhl, während Jay das Gefühl hat von ihren Kissen aufgefressen zu werden. Er kämpft sich daraus hervor und sieht Katarin abwartend an. Die rutscht sich zurecht und zupft an ihren Haaren. „Du musst mir sagen, welches Parfüm besser riecht. Ich treffe meinen Verlobten und brauche den Rat eines Jungen."

Jay fällt seitlich vom Bett. „Das ist dein großes, wichtiges Problem?!"

„Ja. Weißt du, wie wichtig es ist, dass ich einen guten Eindruck auf meinen Verlobten mache? Meine Familie setzt auf mich und ich darf sie in keinem Fall enttäuschen. Aber ich kenne ihn ja nicht mal. Wie soll ich da wissen, was er mag? Du musst mir helfen. Hier riech mal." Jay bekommt einen heftigen Spritzer Parfüm mitten ins Gesicht und ringet röchelnd und hustend nach Luft. „Oder ist das hier besser?" Er kann dem Spritzer eines anderen Parfüms ausweichen, steht auf und stapft aus dem Raum.

„Frag Victoria nach Hilfe." faucht er und knallt die Tür hinter sich ins Schloss. Völlig fertig wendet er sich wieder seinem Zimmer zu, um sich dort zu verkriechen und den Tag hoffentlich zu vergessen.

Dunkelheit im Haus der SchlangenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt