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"Was ist denn mit dir passiert?" Die Augen weit aufgerissen, starrte sie auf meine Unterlippe, die immernoch eingerissen und angeschwollen war.

"Ist es so offensichtlich?" Unauffällig versuchte ich mich in einer der Fensterscheiben anzusehen.

Sie zog mitfühlend ihre Augenbrauen zusammen und nickte.
"Aber mach dir keine Sorgen, du bist immernoch hübscher als die meisten anderen, die hier herumlaufen, abgesehen von mir natürlich"
Oh ja, dass war meine größte Sorge, nicht mehr attraktiv genug zu sein.
"Na da bin ich ja froh" antwortete ich ihr mit einem gespielten Lächeln.

"Bist du auf einem Ketchup Fleck ausgerutscht?" Ich schenkte dieser Frage keine Beachtung, sondern warf ihr nur ein genervtes Augenrollen zu.

Mein Herz setzte einen Moment aus als ich Ryan sah. Abrupt blieb ich stehen. Er stand ungefähr 4 Meter von mir entfernt, angelehnt an eine Wand und redete mit zwei anderen Jungs, die ich nicht kannte.

"Hast du Lust heute shoppen zu gehen?"

"Lia?" Ihre Stimme kam nur gedämpft bei mir an.

"Ja..ah...Was?"

"Ist alles in Ordnung?", Fragte sie mich besorgt. Warscheinlich sah ich so aus als hätte ich gerade einen Geist gesehen.
Als ich ein zweitesmal hinüber sah war er verschwunden.

Wir setzten uns an unseren Platz.
Mr Edwoods tat mal wieder sein bestes, um die Stunde so langweilig wie möglich zu gestalten. Die Klingel war die Erlösung, auf die ich gefühlt ewig gewartet hatte.

"Hallo" 

Als ich mich zu der Stimme herumtrete erkannte ich das Mädchen mit den runden Brillengläsern und erinnerte mich daran, dass sie mir Nachhilfe geben sollte. Ich hatte es erfolgreich verdrängen können, zumindest bis jetzt.
Abwartend sah ich sie an.
Unruhig verlagerte sie ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
"Wollen wir uns verabreden für die Nachhilfe?", fragte ich, aber auch nur um sie aus ihrem elend zu erlösen und um ganz erlich zu sein, ich wäre sowieso nicht drumherum gekommen.

Sie nickte zufrieden.
"Wann hättest du zeit?"

"Morgen Nachmittag?"

Sie nickte zum wiederholten Mal und war dann auch schon wieder verschwunden.

Nach der Stunde machte ich mich auf den Weg in die Cafeteria, machte vorher aber noch einen kleinen Abstecher bei meinem Spind, um mein Buch für Geschichte zu holen.

"Ich wusste doch, dass ich dich vorhin gesehen hatte"

Mein Körper verkrampfte sich. Er sollte nicht meine aufgeplatzte Lippe sehen, er würde wissen, wem ich es zu verdanken habe. Warum hatte ich es ihm erzählt? Er hatte mich in einem Moment der schwäche erwischt.

Langsam drehte ich mich um und hielt dabei demonstrativ mein Geschichtsbuch vor meinen Mund.

"Hi, was gibt's?"

"Was gibt's?" Wiederholte er mich mit hochgezogener Augenbraue.

"Ja, dass bedeutet soviel wie: was führt dich hier her, was ist dein Anliegen oder einfach was ist los."

"Ich weiß was das bedeutet"

"Warum versteckst du dich hinter deinem Buch?" Diese frage musste ja kommen.

Sanft und mit einem kleinen schmunzeln, drückte er das Buch hinunter. Sein Blick wurde härter, nichts von dem eben noch so bezaubernden Lächeln war geblieben.
Nachdenklich sah er meine Lippe an, als würde er sich in diesem Moment alles zusammenreimen.

"Ich bin gestürzt" meine Stimme war nicht mehr als ein Hauch, warscheinlich hatte er meinen kläglichen versuch es zu erklären nicht einmal gehört.

"Liana" war das einzige, was seinen Mund verließ. Es klang verletzt. "Du brauchst mir nichts vor machen"

"Ich habe keine Ahnung was du meinst" Ich klang jämmerlich. Egal was ich tun oder sagen würde, nichts könnte ihn von diesem Gedanken abbringen und ich war auch noch schuld daran. Nie hatte ich auch nur einer Menschenseele erzählt, was wirklich los war und dann kommt er und ich erzähle ihm direkt meine ganze Lebensgeschichte. Ich war wütend, wütend auf mich, dass ich nicht meine verdammte Klappe halten konnte und wütend auf ihn, weil er mir helfen und für mich da sein wollte, er war zu gut für mich.

"Du kannst Hilfe bekommen, wenn du es nur zulässt" sagte er zögerlich, als hätte er Angst ein falsches Wort zu sagen.

Ein Kloß bildete sich in meinem Hals.
Mein Kopf schmerzte wegen den Tränen die ich mit allerkraft versuchte drinnen zu behalten.

"Ich. Bin. Nur. Gestürzt." Wiederholte ich langsam und mit fester stimme.
Unbewusst krallte ich meine Fingernägel immer tiefer in den Einband des Buches, was ich ganz fest an den Körper presste, als würde es mir jemand entreißen wollen.

Für wenige Sekunden, die sich wie eine Ewigkeit anfühlten, sahen wir uns einfach nur an. Über seine sonst so strahlend grünen Augen hatte sich ein Schatten gelegt. Er wollte etwas sagen, doch ich kam ihm zuvor.

"Lass mich einfach inruhe"
Es klang nicht so feste wie beabsichtigt, eher gebrochen, zitternt.
Ich fing an zu schluchzen noch bevor ich außer hörweite war.

...

Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht bevor ich die Tür zur Cafeteria öffnete.

"Warum hast du mir nichts von deinem neuen Lover erzählt" verwirrt sah ich sie an.
"Keine ahnung was du meinst Jess"
"Lüg mich nicht an" Kicherte sie.
"Ich hab euch doch eben gesehen. Ich wäre ja zu euch gekommen, aber ich wollte nicht stören"

"Mach dir keine falschen Hoffnungen Jess. Das war niemand."



Broken Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt