Der Start ins neue Leben

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Als Rose am nächsten morgen ihre Augen aufschlug, sah sie in ein fremdes Gesicht. Erschrocken schreckte sie hoch und sprang aus dem Bett. »Hey.« sagte die Fremde, ältere Frau und grinste Rose auf unnatürlich Art an. Rose konnte nicht leugnen, dass die fremde Frau ihr Angst machte.

»Du teilst dir ein Zimmer mit mir!« sagte die Frau achselzuckend, als sie bemerkte, dass Rose vor ihr zurück wich. Und dann waren die Erinnerungen wieder da. »Oh, stimmt ja. Entschuldigung.« Rose drehte sich um, nur um durch das Fenster zusehen, dass es wie am vorherigen Abend regnete. »Auch auf der Titanic gewesen?« fragte die Frau und traf damit genau Roses tiefste Wunde. Die junge Frau senkte den Kopf und nickte traurig.

»Ich habe dort meine ganze Familie verloren. Meinen Mann und meine Tochter und deren Mann.« sagte die Frau und grinste wie eine Verrückte. Rose sah sie erstaunt an. Machte es ihr etwa nichts aus? »Und es macht ihnen nichts aus?« erkundigte sie sich vorsichtig. »Warum sollte es? Ich bin hypersensibel.« unbeschwert lachte die Frau. »Das Leben ist doch sowieso nur ein Glücksspiel. Entweder man hat Glück oder eben nicht. Ich hatte es. Aber meine Familie eben nicht. Und?« die Frau zuckte wieder mit den Schultern.

»Mich hat mal jemand etwas anderes geleert.« Rose spürte wie ihr wieder Tränen in die Augen traten. Sie dachte an den Abend an dem Jack mit ihnen allen am Tisch gesessen und sie munter an seiner Lebensfreude mit teilhaben gelassen hatte. Das Leben ist ein Geschenk und ich habe nicht vor etwas davon zu verschleudern, hatte er gesagt. Und dann, man weiß nie, was man als Nächstes für Karten kriegt. Man lernt das Leben so zu nehmen wie es gerade kommt. Weil jeder Tag zählt!
Dann hatte Jack sein Glas gehoben und Molly, alias Magret Brown hatte angestoßen auf das jeder Tag zählt.

Und dann. Einen Tag und einige Stunden später, musste Jack im eiskalten Wasser erfrieren. Trotzig wischte Rose die Tränen weg, die ihr über die Wange liefen. »Alles in Ordnung?« hörte sie die Frau fragen. Rose nickte tapfer und erzählte von ihrem Leid: »Ich habe meinen Geliebten beim Untergang der Titanic verloren. Er hat sein Leben für meins gegeben. Oh Gott! Ich kann ihn nicht vergessen. Ich habe ihn so geliebt. Und ich tu es immer noch.«

Rose konnte sich nicht mehr zurück halten und brach in Tränen aus. Die Frau legte ihre Hand auf Roses Schulter und versuchte sie zu trösten: »Aber, aber. Sie müssen doch nicht weinen. Das Leben ist ein Glücksspiel. Und er hatte eben kein Glück. Sei lieber dankbar dafür, dass du noch lebst.« Rose sah sie unverwandt an. Ihr Leben war ohne Jack doch nur den Dreck und die Dunkelheit Wert, in der sie eines Tages eingehen würde.

»Oh Gott!« rief sie weinend, »Ich kann ihn nicht vergessen!« Die ältere Frau nickte wissend und sprach, weise wie Rose zumindest fand, »Das erwartet auch niemand. Du hast deine Erinnerungen an deinen Geliebten, genau wie ich an meine Familie.«

Plötzlich viel Rose ein, dass sie sich noch gar nicht vorgestellt hatte. »Ich bin Rose Dawson.« holte sie dies schnell nach. Die Frau nickte und lächelte: »Ich bin Aubrey Shirley.« Sie gaben einander die Hand. »Kommst du mit ... Rose Dawson? Ich habe Hunger.» Rose nickte, dankbar dass sie nicht alleine sein musste. Zusammen gingen sie in den großen Speisesaal der Unterkunft.

Die vielen Fenster erhellten den Raum, der hübsch mit Bändern und Blumen dekoriert war. Aubrey Shirley führte Rose zu einem Tisch und nahm die Speisekarte in die Hand. »Oh, die haben hier Hähnchen. Sogar mit Spinat und Spätzle.« Bei dem Wort Spinat verzog Rose kurz das Gesicht. Spinat erinnerte sie an ihren ehemalig Verlobte Cal, der ihn immer so gerne gesessen hatte. »Ich denke das nehme ich.« riss Aubrey sie aus ihren Gedanken. »Was willst du? Die haben hier auch vernünftiges Frühstück.« Rose entschied sich nicht für warmes Essen sondern für Pfannkuchen und ein Croissant mit Butter.

Sie ließen es sich schmecken und plauderten über ihr Leben. Rose erzählte von Jack, da sie das Gefühl hatte, dass es ihr danach besser ging. Aubrey stellte sich als gute Zuhörerin heraus und als Rose von ihrem ersten Kuss mit Jack erzählte sagte Aubrey verträumt: »Das klingt so romantisch.« Rose hielt inne, dachte einen Moment lang nach und sagte dann: »Das war es auch. Als wir uns geküsst hatten, fühlte ich mich als könnte ich einfach meine Flügel ausbreiten und zusammen mit Jack unserem Leben entfliehen. Aber so war's nicht. Die Stunden mit ihm waren die schönsten in meinem Leben.«

Aubrey nickte und erkannte: »Es ist ein Jammer, dass er es nicht überlebt hat. Nicht für mich. Für dich.« Rose strich sich traurig eine gelockte Haarsträhne aus dem Gesicht und musste augenblicklich an Jack denken, als er sich seine Haare aus dem Gesicht geschüttelt hatte, um sie besser sehen zu können, während er sie gemalt hatte. Das war der erotischste Moment in ihrem Leben gewesen. Doch die Erinnerungen daran erfüllte sie mit Trauer.

Nach dem Frühstück gingen Rose und Aubrey im Park spazieren. Das gleiche taten auch zwei Fischer, nur dass sie nicht im Park spazieren gingen sondern an der Küste Floridas. »Das ist echt verrückt, dass der Typ, den wir gestern aus dem Meer gefischt hatten, noch lebt.« überlegte einer von ihnen. Der andere nickte langsam und sah auf den Ozean hinaus. »Aber wie ist er so weit aufs Meer hinaus gekommen?«

»Er könnte vielleicht Opfer eines Schiffbruchs gewesen sein. Oder eines Untergangs. Wie hieß das Schiff, dass in der Nacht vom 14 auf dem 15 untergegangenen ist?« erkundigte sich der erste, auch genannt Julian Eric bei seinem Kumpel. »Titanic. Echt schlimm.« antwortete Charles Hammond, »Meinst du echt er könnte auf der Titanic gewesen sein?« Julian nickte nachdenklich und erwiderte zögernd: »Möglich wäre es.« »Mr. Hammond, Mr. Eric!« hörten sie in der Ferne einen Mann rufen.

»Das ist Jill Lewis.« erkannte Charles. Julian nickte aufgeregt. Jill kam mit Neuigkeiten über ihren Schiffbrüchigen. Keuchend blieb Jill vor ihnen stehen und viel in den Sand. War er die ganze Strecke gerannt? »Was ist los?« fragte Julian besorgt.

Nach einer Weile antwortete Jill: »Der junge Mann. Er ist aufgewacht. Er ist wieder bei Bewusstsein, steht jedoch neben sich. Es wäre toll wenn ihr mitkommen würdet. Der Arzt ist noch bei ihm.« Charles und Julian sahen sich kurz an, dann sagte Charles: »In Ordnung.« Er und Julian rannten voraus. Seufzend ignorierte Jill seine Seitenstiche und folgte ihnen.

Titanic - You jump, I jump, remember?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt