Wiedersehen mit Molly Brown

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Rose stand im Flur und weinte. Sie weinte um Jack und um ihr trauriges Leben. Sie konnte ja nicht ahnen, dass Jack gerade munter durch die Dünen lief. Wie auch? Plötzlich hörte sie schnelle Schritte. Sie kamen von unten und es hörte sich so an als ob jemand die Treppe hoch stapften. Als die Frau Rose sah blieb sie erschrocken stehen. »Hey. Kleines.« besorgt lief sie auf Rose zu und schloss sie in die Arme.

Die Stimme kam Rose merkwürdig bekannt vor. Als sie sie das letzte mal gehört hatte war sie noch auf dem größten Schiff der Welt gewesen. Die Frau war ungefähr mittleren Alters und hatte braune Locken. Es war Magret Brown. Auch genannt Molly. Rose hatte sie auf der Titanic kennengelernt. Sie hatte Jack und ihr schon mehr als einmal weiter geholfen. Und nun war Rose auch froh sie zu sehen.

»Warum weinst du?« fragte Molly und streichelte ihr fürsorglich über den Rücken. Rose zuckte mit den Schultern. Sollte sie Molly sagen, dass sie nun auf sich allein gestellt war? Schließlich hatte sie alles Recht zu erfahren was passiert war. Rose holte tief Luft und schniefte: »Jack ist tot.« Molly riss die Augen erschrocken auf und rief entsetzt: »Was?! Wie!?« Rose zuckte nochmal mit den Schultern und flüsterte kurz: »Erfroren.«

Molly stand der Schock sichtlich ins Gesicht geschrieben. Die sonst so fröhliche Frau lies jetzt betrübt die Schultern hängen starrte auf den Boden. »Das tut mir so leid.« mitfühlend strich Molly Rose über den Arm,: »Ich mochte ihn. Ja, ich mochte ihn wirklich. Er war anders als die Männer die mir bis dato begegnet sind. So lebensfroh und freundlich. Erfüllt von Licht. Aber du hast ihn geliebt. Das ist noch mal ein anderer Schmerz den du gerade fühlst.« Rose nickte und schluchzte: »Ich liebe ihn immer noch.«

»Natürlich tust du das.« erwiderte Molly verständnisvoll. »Und ich werde auch nie aufhören ihn zu lieben.« versprach Rose und wischte sich eine weitere Träne weg. »Das ist die richtige Einstellung.« erkannte Molly zufrieden, gerade als Aubrey in den Flur stürmte. »Wer sind sie? Was wollen sie?« schrie diese und stellte sich schützend vor Rose.

Molly hob abwehrend die Hände. »Hey. Alles gut. Rose und ich wir kennen uns. Ich habe auch ihren Geliebten gekannt.« verteidigte sie sich. »Wahrscheinlich weint sie deshalb, weil sie wieder mit Jack angefangen haben!« mutmaßte Aubrey schnippisch. Molly schüttelte den Kopf: »Ich wusste doch noch nicht mal was mit ihm passiert war.« »Aubrey.« unterbrach Rose die beiden Frauen schüchtern,: »Kannst du den Gästen sagen, sie sollen bitte nach Hause gehen. Ich kann nicht mehr.« Aubrey nickte wissend und verschwand in ihrer Wohnung.

»Welche Gäste.« wollte Molly wissen. »Welche die Aubrey eingeladen hatte.« erklärte Rose knapp. Und als sich die Gäste hinaus quetschten und sich verabschiedeten kommentierte Molly: »Oh man. Da war wohl einiges los, was?« Rose nickte, doch Aubrey schüttelte den Kopf: »Naja, ich hatte es mir anders vorgestellt.« Die drei Frauen gingen nun in die Wohnung hinein und ließen sich auf das Sofa fallen.

Molly verbrachte den Rest des Tages damit Rose zu trösten, was Aubrey missmutig beobachtete. Ihr gefiel es gar nicht, dass ihre Freundin von einer fremden Frau verwöhnt und verhätschelt wurde. Nachdem Rose auf dem Sofa eingeschlafen war, zogen sich Molly und Aubrey ins Schlafzimmer zurück. Molly setzte sich auf das Bett und Aubrey baute sich vor ihr auf. »Also. Was willst du wirklich hier? Du willst doch irgendwas von Rose! Was soll's sein?« Prüfend blickte Aubrey auf Molly hinab und stemmte die Hände in die Hüfte.

Molly fing an zu lachen und ihr Körper bebte. »Also sie sind lustig. Rose ist eine Freundin von mir. Genau so wie Jack.« Aubrey ließ sich neben Molly aufs Bett fallen. »Wirklich?« sie zog die Augenbrauen hoch. Molly lachte nochmal herzlich: »Natürlich.«
Und während sich die beiden Frauen immer mehr anfreundeten saß Jack gerade verloren und verlassen in einer alten Hütte die er gefunden hatte.

Er fror furchtbar und bereute, dass er abgehauen war. Der Wind brachte die alten Holzwände zum schwanken und Jack hatte Angst, dass die Balken das Gewicht des Daches irgendwann nicht mehr tragen könnten. Doch hinaus konnte er auch nicht, schließlich war es Stock dunkel und es regnete. Insgeheim hoffte Jack, dass die Fischer ihn suchen würden. Und das möglichst eher er erfror.

Julian und Charles hatten Jill angeheuert. Sie hatten nämlich tatsächlich vor Jack zu suchen. Es war einige Tage her seitdem Jack verschwunden war und sie hatten immer noch keine Spur von ihm. Allerdings war das Wetter die ganze Zeit kein Problem gewesen und nun tobte ein Unwetter. Wenn sie Jack heute Abend nicht fanden mussten sie davon ausgehen, ihn nicht mehr lebend wieder zu sehen.

Molly und Aubrey ahnten nicht, dass Rose einen Plan hatte um über Jacks Tod hinweg zu kommen. Sie hatte die ganze Zeit Angst gehabt diesen Weg einzuschlagen, aber nun wusste sie sich nicht mehr zu helfen. Sie schaltete die Wohnzimmerlampe an und sprang von dem Sofa. Mit flinken Fingern zog Rose sich an und schlich sich aus dem Haus. Schwer atmend und mit Tränen in den Augen rannte Rose die Straße entlang.

Es war stockfinster und regnete. In kürze waren Roses Haare klatschnass und ihre Kleidung durchnässt. Bei einem Saloon blieb sie keuchend stehen. Sie hörte die muntere Musik und roch den Gestank von Drogen und Alkohol. Männer Brüllten, legten Karten auf den Tisch und machten den Frauen, die sie bedienten, Komplimente. Es war alles so Fake und doch real. Rose zögerte kurz. Dann öffnete sie die Tür und trat ein.

Die wärme kroch sofort unter ihre Kleidung. Rose entspannte sich und bahnte sich einen Weg durch die Bar. Dass sie dabei von mehreren Männern angestarrt wurde, ignorierte sie. »Whiskey.« wies sie den Barkeeper knapp an, der sofort lief um ihre Bestellung zu erledigen. Mit finsterer Miene klatschte Rose einen Dollar auf den Tisch und nahm das Glas an sich. Von nun an war Schluss. Endlich Schluss mit der Trauer.
Entschlossen trank sie das Glas leer und fiel nach weiteren Gläsern in eine Alkoholsucht wo sie alleine nicht mehr heraus kommen würde.

Titanic - You jump, I jump, remember?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt