Candy und Oblivion

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Es stank furchtbar nach Alkohol. Das mussten Molly und Aubrey wieder einmal feststellen als sie eines Abends die Wohnung betraten. So ging das schon 2 ganze Wochen. Ein Wunder, dass Rose noch keine Alkoholvergiftung hatte. Sie lag auf der Couch und schlief. Eine leere, offene Flasche Whiskey lag lose in ihrer Hand. »Das Mädchen braucht dringend Ablenkung.« Molly schüttelte traurig den Kopf. Sie wusste wie glücklich Rose an der Seite von Jack gewesen war. Doch das war jetzt alles vorbei. Diese Liebe war vorbei.

Aubrey nickte zustimmend. »Mag sie Pferde, weißt du das?« fragte sie Molly. Molly nickte: »Sie wollte auf jeden Fall lernen wie ein Mann zu reiten und nicht immer dieser komische Damensitz.« Molly musste kurz schmunzeln. »Hier gibt es am Rande der Stadt eine kleine Pferdefarm. Vielleicht kann sie es dort lernen.« schlug Aubrey vor. Und Molly fand die Idee wenigstens einen Versuch wert.

Also schleppten sie Rose an einem Tag des guten Wetters zu der Pferdefarm. Roses Lust hielt sich in Grenzen doch sie wollte Aubrey und Molly nicht enttäuschen. Schon als man durch das große Tor lief konnte man die unzähligen Koppeln und Pferde sehen. Rose konnte sich nicht vorstellen, dass jedes Tier einen Platz im Hauptstall hatte.

Eine junge Frau im Cowgirl-Dress kam lächelnd auf sie zu. Rose schätzte sie ungefähr auf 17 Jahre, also auf ihr alter. Der Hut baumelte ihr lässig auf dem Rücken. »Hallo. Ich bin Jasmin. Herzlich willkommen.« begrüßte die die Gäste. Rose packte sich instinktiv an den Mund. Wie gut, dass sie heute kein Alkohol angerührt hatte.

Jasmin hatte schwarze Haare, die ihr in leichten Wellen über die Schultern hingen, und braune Augen. »Hallo. Ich bin Aubrey. Das ist Molly und die junge Dame heißt Rose.« stellte Aubrey sie alle vor. Rose rollte mit den Augen. Sie hatte immer noch keine Lust auf das ganze Theater. Warum konnten sie Molly und Aubrey nicht einfach in Ruhe lassen. Sie wollte mit Jack reiten lernen und nicht mit einem Cowgirl dass Jasmin hieß.

»Ist das möglich, dass sie Rose heute eine kleine Reitstunde geben könnten. Sie möchte gerne von dem Ladylike Reitstil wegkommen.« Molly grinste. Jasmin sah sie freundlich an und erwiderte dann: »Klar. Gar kein Problem. Kommt am besten gleich mal mit. Aubrey und Molly folgen. Rose auch, wenn auch widerwillig. Jasmin führte sie in den Hauptstall. Dort roch es nach Stroh und Heu und das schnauben der Pferde dröhnte aus den Boxen. Heu raschelte als die Tiere sich bewegten.

Plötzlich donnerten Hufe gegen eine weit entfernte Boxentür. Jasmin stöhnte auf: »Oh nein. Oblivion! Er kann Toxyster nicht ausstehen.« Jasmin eilte los. Die anderen folgten, nur um ein grau- Weiß geflecktes Pferd mit weißer Mähne und eine pechschwarze Stute zusehen die sich wütend, trotz der Wand zwischen ihnen, bekriegten. Oblivion der Grauschecke schnappte nach dem Hals der schwarzen Stute die erschrocken und laut wiehernd zurück wich.

Jasmin schob schnell den Riegel der Box beiseite und die Tür sprang auf. Beruhigend trat sie auf Toxyster zu die sich in die Ecke gedrängt hatte. Oblivions Hufe trommelten weiter gegen das Holz. Schnell legte Jasmin Toxyster ein Halfter an und führte sie raus. »Ich bringe sie kurz auf die Weide. Wartet hier. Und bleibt von Livion fern.« Jasmin verschwand mit der schwarzen Stute im Schlepptau.

Roses Augen klebten an dem Hengst, der sich nun wieder beruhigt zu haben schien. Andächtig flüsterte sie: »Du hast die gleichen blauen Augen wie Jack.« Bei dem Namen Jack stellte Oblivion die Ohren auf und schnaubte. Aubrey verdrehte die Augen: »Lösch Jack aus deinem Gedächtnis.« Daraufhin schüttelte Rose trotzig den Kopf. Sie würde Jack niemals vergessen können. Er war für sie gestorben, vor ihren Augen.

Jasmin kehrte zurück und blickte in zwei nachdenkliche und ein trauriges Gesicht. »Sie müssen wissen, Livion ist kein böses Pferd. Er kam nur als 2 Jahre alter Junghengst von Wisconsin hier her. Seine Vorbesitzer mussten ihn verkaufen und haben mir erzählt, dass Livion den 9 Jahre alten Jungen vom Nachbargrundstück als Freund hatte. Sie sagten, dass die beiden unzertrennlich waren und dass es für Livion nicht leicht wäre, da er den Jungen vermissen würde. Und es sind 9 Jahre vergangen. Livion ist jetzt 11 Jahre alt und trauert seinem Freund immer noch nach.«

Aubrey sah Rose von der Seite an und meinte trocken: »So wird's bei ihr auch sein. Sogar mit hundert Jahren wird sie ihrer Jugendliebe noch nach trauern.« Rose verengte ihre Augen zu Schlitzen und verzog das Gesicht. Dabei murmelte sie: »Du weißt gar nicht was Liebe ist.« Aubrey hörte sie dennoch und beteuerte: »Doch Süße.« Rose schüttelte den Kopf und zischte mit giftigem Blick: »Ich meine wahre Liebe! Nicht die gestellte die du meinst. Doch davon hast du keine Ahnung.« Sie schüttelte sich die roten Locken aus dem Gesicht, drehte sich um und ging mit strammen Schritten die Stallgasse entlang.

Aubrey wollte ihr nachlaufen doch Jasmin hielt sie an der Schulter zurück.

Rose ließ sich blindlings gegen eine Boxentür fallen. Es schepperte als ein Eimer umkippte. Doch Rose hörte und sah nichts mehr. Tränen trübten ihre Sinne. Das einzige was sie für einen Moment spürte war ein sanfter Stups von Pferdenüstern an ihrer Wange. Jasmin tauchte auf und machte ein mitfühlendes Gesicht: »Die Wunde ist wohl noch nicht verheilt.« Vorsichtig kam sie näher.

Rose sah sie durch einen Tränenschleier  hindurch an. Dann blickte sie zu der braunen Stute, deren schwarze lockige Mähne über einen weißen Stern auf der Stern fiel. Auch über ihren Hals hing die Mähne dick und lockig. »Hat sie was?« schniefte sie und wischte sich eine Träne weg. Jasmin lächelte sanft: »Ich meine dich. Du bist einsam. Das merkt man.« Rose nickte schwach und die Stute rieb die Nüstern sanft an ihrer Wange.

»Genauso wie Candy. Sie ist auch einsam. Als Fohlen wurde sie von ihrer Mama getrennt, direkt nach der Geburt. Sie wurde zwar gefüttert und so doch bis zu ihrem 9 Lebensjahr hat sich nie jemand mehr als nötig um sie gekümmert.« Jasmin strich Candy über die Stirn und Rose drehte sich zu ihr, nahm ihren Kopf in beide Hände und fragte zärtlich: »Sollen wie zusammen einsam sein?«

Candy sah sie einen Moment lang aus ihren treuen, braunen Augen an und drückte dann ihre Stirn gegen Roses. Diese schloss die Augen und lächelte leicht.

Titanic - You jump, I jump, remember?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt