selbsthass

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T geht erst am Abend zurück nachhause. Guk bietet an, ihn noch heimzubringen, ihn zu begleiten, aber T lehnt das ab. Der will nämlich noch allein ein bissl spazieren in Wien, das Geschehen verdauen und so. Guk bleibt also in seiner Wohnung und lässt dort genauso alles Revue passieren. 

Wirklich insane, was in den letzten 24 Stunden passiert ist. Da hat er einfach zwei komplett neue Menschen kennen gelernt, Hilda und Millie, ist random zu dieser Gruppe dazugekommen und war mit denen Feiern. Das ist so way out of his comfort zone, ohne Drogenhilfe wär das nie gegangen. Man ahnt es nämlich schon, es ist fucking scary für Guk, neue Leute kennenzulernen. Da weiß er nie, wie er sich verhalten soll und da er eh immer das Gefühl hat, er wäre nur eine Spaßbremse bei solchen Treffen, bleibt er lieber gleich daheim. Aber das Selbstbewusstsein, das ihm der Captain Morgan gestern eingeflößt hat, hat ihm Flügel verliehen (keine Redbull Werbung). 

Noch insaner ist, dass er den ganzen gestrigen Abend so touchy mit T war. Legit, die sind aneinander gepickt, das kann man sich gar nicht vorstellen. Und das war so natürlich, so normal, sie haben's halt einfach gemacht. Guk war da auch gar nicht aufgeregt oder so, überhaupt nicht, der hat lediglich enjoyt. 

Was ist eigentlich aus Hilda und Millie geworden, fragt Guk sich auf einmal. Da haben ja unten weiter getanzt, wie T und er rauf gehustlet sind zum Kotzen. Sie haben auch gar nicht mehr den Check machen können, ob Hilda Undercut Mafia Italiener eh ein ordentlicher Aufriss war. Ob sie sich ihn wohl trotzdem gegönnt hat? Who knows, Guk wird es vielleicht nie erfahren. Damit hat er eh kein Problem, irgendwie will er die zwei sowieso nicht wieder sehen, auch wenn sie eine ganz nette Zeit hatten. 

Was Guk nur in seinen Augen definitiv verkack hat, ist, dass er T von seinen Verletzungen am Arm erzählt hat. Ja, er hat zwar explizit danach gefragt, aber Guk hätte das echt nicht so obvious raushauen sollen. Belastet T ja nur, wenn er hört, wie er mit sich umgeht, das hat er erst vorhin im Bett wieder gesehen. Er muss sich bessern. Oder T einfach nicht mehr von seinen struggles erzählen lol. 

Ja, es ist halt wirklich so. Guk kann es nicht glauben, dass T ihn mag. Das stand hier wahrscheinlich schon fünfzig Mal geschrieben, aber es ist einfach so ein reoccuring thought in seinem head, das wir ihn halt dauernd bringen müssen, um Guks Gedankenwelt halbwegs authentisch darzustellen. Er versteht es einfach nicht. Könnt ihr euch so vorstellen, wie wenn euch jetzt jemand versuchen würde zu verklären, dass die Erde nicht rund, sondern eine Pyramide ist. Da würdet ihr ja hoffentlich auch eher skeptisch sein. 

Für Guk ist es wie ein Naturgesetz, dass er nichts wert ist. Dass seine Existenz keine Freude bringen kann, sondern nur Negatives. Dass ihn niemand je mögen könnte, weil sein Charakter einfach hässlich bis in die tiefste Wurzel ist. So hat er jahrelang gedacht und so denkt er heute noch. Niemals könnten ein paar Worte von T ihm vom Gegenteil überzeugen. 

Nur bringt ihn das in eine verzwickte Lage. Einerseits freut er sich unheimlich, dass er nun eine wirkliche Beziehung mit T hat, sein Partner sein darf und mehr Zeit mit ihm verbringen kann. Aber andererseits sind da diese grundlegenden Zweifel, dass er so jemand Guten wie T nicht verdient hat, dass T ihn doch nie mögen kann und dass er ihm nur eine Last ist. Es ist eine Zwickmühle und er ist wie hin und hergerissen von den beiden gegensätzlichen Gedankengängen. 

Für Guk ist das überhaupt so aufwühlend, weil sein Selbsthass, seine tief verankerten Probleme mit sich selbst und die immense Angst bis jetzt fast nie Thema waren. Ja, in der Schule haben seine struggles ein paar Leute mitgekriegt, da hat er sich noch ernsthaft mit sich selbst beschäftigt und war sogar motiviert, das wieder hinzubiegen, da etwas zu machen. Aber durch die Einsamkeit nach der Matura wurde ihm das immer egaler. Warum sollte er sich auch um seine mental health scheren, wenn er doch eh nur den ganzen Tag allein in seiner Wohnung hockt? Ihn selbst juckt es ja nicht wirklich, dass er sich verabscheut und verletzt, das wird erst ein Problem, wenn er mit anderen Leuten interagiert. 

So wie jetzt mit T eben. Würde T nicht obviously leiden daran, dass er sich hasst, würde er ja nie was daran ändern wollen. Doch er hat seinen Partner lieb gewonnen und möchte ihm negative Emotionen ersparen. Auch wenn T gemeint hat, dass Weinen nicht schlimm ist, Guk will das, so gut es geht, vermeiden. 

Nur gerät Guk da eben in einen Teufelskreis. Angenommen ihm geht es schlecht, okay, er zeigt das T, erzählt ihm von seinen Ängsten, ja, dann fühlt T sich probably auch schlecht, leidet mit ihm. Und das schürt Guks Hass gegen sich ja nur, weil er doch eigentlich eine Bereicherung in Ts Leben sein sollte, wie der Lockenboy es selbst gesagt hat. Dann hasst er sich mehr, T fühlt sich noch schlechter und so weiter...Wie soll man da raus kommen? Nix mehr erzählen? Sich selbst nicht mehr hassen? Ha, als ob's so leicht wär. 

Aber er muss es wohl probieren. Die nichts erzählen Variante ist auch keine gute Lösung, T hat doch eben noch gemeint, dass Guk ihm alles erzählen kann. Wenn er dieses Angebot nicht nützt, wird T nur traurig, das braucht er nicht. Also muss Guk wohl eine bessere relationship mit sich selbst anfangen, zu dem Schluss kommt er. Nur wie macht man das? Wie bekämpft man seine eigenen Gedanken? 

Er weiß es nicht. Aber er erinnert sich an eine Übung aus der Psychotherapie, die er damals öfter gemacht hat und die ihm schon manchmal einen gewissen Selbstbewusstseinsschub gegeben hat. Also geht er's an, stellt sich vor den kleinen Spiegel im Bad und schaut sich selbst tief in die Augen. Er steht einfach nur da, starrt sein Spiegel-Ich an und atmet tief. Alles kann er sehen, die leicht geröteten Augen, die schrecklich schwarzen Augenringe, der fahle Gesichtston und die fettig herabhängenden Haare. Doch er sieht noch mehr. Sieht seine Präsenz im Raum, wieviel Platz er einnimmt und wie er wohl für andere Menschen sichtbar ist. Er sieht den leblosen Ausdruck in seinen Augen, der eigentlich gar kein Ausdruck mehr ist, da er ja tot ist. Zerfall, Hoffnungslosigkeit und Verschwendung, das sieht er, als er da in den Spiegel blickt. Er weint. 

gottlose welt || tgukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt