lebend

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Lange lungern sie da am gelblichen Boden des Klos, T weint unaufhörlich und drückt sich an den schwachen Körper vor ihm. Guk slidet Stück für Stück weg aus der gefährlichen Zone, gewinnt an Bewusstsein und ist irgendwann sogar so weit, dass er seine Arme auch leicht um T legt. Er fühlt sich leer, er kann sich nicht erinnern, was passiert ist. 

In der Zwischenzeit latschen einige Leute ins Klo, lassen Pisse oder ähnliches ab und schleichen sich dann wieder. Keiner schenkt den beiden mehr als nur einen Blick, vielleicht ist die Anteilnahme der Menschheit für heute ausgeschöpft, vielleicht sind die aber alle auch einfach selbst zu besoffen, um irgendwas zu checken. 

Es ist Guk, der schließlich das Wort ergreift. Davor hat er nicht nachgedacht, über das, was er sagen will, die Worte kommen selbstständig aus ihm heraus. 

"Gehen wir heim?", fragt er mit kratziger Stimme, räuspert sich, hört dann aber doch auf, weil's zu anstrengend ist. 

"Ok", bringt T unter Schluchzern hervor und richtet sich langsam auf. 

Wie verwüstet auch T ausschaut. Seine Augen sind so rot und glänzend vor lauter Tränen, man könnte meinen, er hätte Fieber und wäre high. Auch die Wimpern picken ihm zusammen von der Feuchtigkeit. Die Nase rinnt ihm unaufhörlich, Rotz ist im ganzen Gesicht verschmiert und seine Lippen sind geschwollen und zittrig. Überhaupt ist sein face so gerötet und schimmernd feucht, auch die gelockten Haare stehen im Chaos von seinem Kopf ab. Guk hält kurz inne, als er seinen Freund so aufgelöst sieht und versteht nichts davon. 

"Was is'?", erkundigt sich der Schwarzhaarige komplett lost und versucht, ein paar Gedanken zu züchten in seinem head. Mäßiger Erfolg. 

"D-Du...du warst auf einmal weg. Und dann...d-dann bist du halb tot"

T weint noch mehr, als er das alles ausspricht, krümmt sich zusammen und schluchzt verzweifelt in seine eigenen Hände. Guk kommt nicht mit. Halb tot soll er sein? Ja, er spürt sich irgendwie nicht richtig, seine Extremitäten fühlen sich merkwürdig taub an, aber vom Tod ist das doch meilenweit entfernt. Auch die Frage, was sie hier eigentlich am Boden machen, ist ihm ein Rätsel. Er hat nicht mal einen Plan, wo sie hier sind. Egal, einfach heimwärts.

"Komm, gehen wir"

T nickt traurig, hebt den Kopf etwas und steht wackelig auf. Auch Guk versucht, auf die Beine zu kommen, aber irgendwas funktioniert da nicht so richtig. Er spannt seine Muskeln an, aber im nächsten Moment verlässt ihn die Kraft schon wieder, sodass er mit einem harten Aufprall zu Boden geht. Er haut sich den Kopf an und zischt vor Schmerz. 

"Geht's? Komm", spricht T, hält seinem Freund die Hand zur Hilfe hin, die dieser auch gleich nimmt. 

Schwankend und mit viel Geächze schafft Guk es dann doch, aufzustehen, beziehungsweise schafft T es, ihn auf die Füße zu ziehen. Der Lockenboy legt sogleich einen Arm um Guks Oberkörper, hält ihn fest, damit er nicht wieder umkippt und wischt sich mit der freien Hand die Tränen von den Wangen. Auch Guk hievt einen Arm um T, damit das ganze Gebilde stabiler wird. So schleppen sie sich aus dem Klo, holen Jacken, aus der Bar, durch die Nacht, durch die U-Bahn, nachhause. 

Mit der Zeit wird es leichter, Guk kommen die Kräfte zurück und er ist beim Gehen nicht mehr so auf T angewiesen. Sie schweigen auf ihrem Heimweg, einige Leute glotzen sie interessiert an, aber niemanden scheint das fetzenhinige Duo allzu sehr zu jucken. Sie gehen in Guks Wohnung, die ist näher, und ohne zu fragen entscheidet T einfach für sich, auch hier zu pennen. 

Es ist ihm einfach zu viel. Eine geliebte Person in so einem Zustand zu sehen, verkraftet er nicht. Als er Guk im Bett fragt, was passiert ist, weiß dieser keine Antwort. Sie sind beide zu kaputt, um weiter zu reden, deshalb flüchten sie in den Schlaf stattdessen. 

Doch T gelingt es nicht so recht. Die Zweifel fallen bei ihm auf fruchtbaren Boden und er kann das Gedankenkarussell nicht mehr aufhalten. Hätte er sich nicht eingebildet, ein fucking Glas Wasser zu holen, wäre das nicht passiert. Hätte er beim Tanzen die unangenehmen Berührungen einfach ignoriert, wäre das nicht passiert. Hätte er erst überhaupt nicht vorgeschlagen, dass sie in diese Bar gehen, wäre das nicht passiert. Er hat so viele Optionen gehabt, wieso hat er jedes Mal die falsche gewählt? 

Es wird wirklich nur schlimmer. Am Anfang ihrer Beziehung hat T das noch positiver gesehen, ein Drogenproblem, das werden sie schon in den Griff bekommen. Mehr als Liebe braucht es doch nicht, um glücklich zu sein, oder? Na ja, anscheinend nicht, denn er liebt Guk und umgekehrt ist es wahrscheinlich genauso, doch trotzdem geht alles den Bach runter. Bei jedem Treffen ballert er sich mit Drogen zu, das ist mittlerweile so normal, dass T gar nichts mehr dazu sagt. Aber so zerstört wie heute hat er ihn noch nie gesehen. Hat er was im Bad geschnupft? War das Zeug vielleicht verunreinigt, oder 'ne scheiß overdose? Er weiß es nicht, niemand weiß es, aber was auch immer es war, es darf nicht nochmal passieren. 

Wirklich, das hält T nicht mehr aus. Diese Unsicherheit, diese Instabilität macht ihn fertig, Guk braucht Hilfe. T hat allen Respekt vor psychischen wie physischen Krankheiten, kann die Ausmaße nur erahnen, die so eine Diagnose auf ein Leben hat und entschuldigt vieles unter diesen Bedingungen. Aber mittlerweile ist es ihm einfach egal. Es ist ihm scheiß egal, ob Guk jetzt 'ne Angststörung hat, Krebs oder Parkinson, es macht für ihn keinen Unterschied mehr. Er braucht ihn einfach lebend. Was auch immer dafür getan werden muss, gehört getan. Er kann nicht weiter dabei zusehen, wie Guk, Guks Krankheit oder wer auch immer ihn zerstört. Er will nur, dass er da bleibt. 

Und so klammert T sich erneut an den kühlen Körper seinen Freundes, hält sich an ihm fest, als sie eng aneinander gequetscht im schmalen Bett liegen und bleibt mit kreisenden Gedanken wach. Er geht heim, bevor es hell wird. 

gottlose welt || tgukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt