vorstellungsgespräch

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Ruhig steht Guk vor dem Firmengebäude. Es ist ein langweiliger Bau, graue Platten sind außen angebracht statt einer verputzten Fassade, die Fenster sind unnötig groß, als würde es dadurch futuristischer wirken. Gechillt raucht der Schwarzhaarige seinen Joint fertig, bevor er ihn unachtsam auf die Straße wirft und eintritt. 

Drinnen geht der mickrige vibe weiter. Man könnte meinen, die Firma wär 'ne billige Nachmache von A1 oder so. Hin und wieder steht ein ranziges Sofa herum, dann mal 'ne halb ausgetrocknete Pflanze und für die business Leute natürlich ein alter Kaffeeautomat, wisst's eh, dieser eine mit dem rothaarigen girl drauf, die so lieb lacht, der ist ja in jeder zweiten Schule Wiens. Ja, das sind alles Komponenten, die eine moderne Firma in ihrer Einrichtung hat, aber hier kommt's einfach nur erzwungen und dezent vernachlässigt rüber. 

Guk juckt das aber alles herzlich wenig, der hat ja sowieso fast keine Gedanken in seinem head gerade. Heißt ja immer, man muss sich auf ein Vorstellungsgespräch vorbereiten und das sieht halt bei jedem anders aus. Bei der einen Person heißt das vielleicht früh schlafen gehen, Lebenslauf nochmal durchdenken und genug trinken. Wer anderer nimmt vielleicht 'ne Freundin als Unterstützung mit und hört entspannende Musik am Weg her. Für Guk ist es dann doch eher die Valium und weed Route. Er hat die pills nicht mal gezählt, einfach ein paar reinhauen und geht schon. Den J hat er mehr aus Gewohnheit geraucht, irgendwie muss man sich halt beschäftigen beim Warten. Aber das Resultat kann sich sehen lassen, er fühlt und denkt weitestgehend nichts. Genau das, was er will. 

Denn ganz ehrlich, die Panik war schon wieder ordentlich am Schieben vorher. Die tiefen Schnitte in seiner Haut würden ihm an sich ja nix machen, aber er muss es halt T sagen. Er darf ihm nix verschweigen, irgendwann kommen solche Sachen ja sowieso immer raus, in movies zumindest, und da will er T den zusätzlichen pain ersparen und es lieber gleich raushauen. Ok, nein, wollen tut er das eigentlich nicht, aber er fühlt sich verpflichtet. Wollen würde er jetzt nur den Tod, aber das geht ja leider nicht. 

Doch trotz seines Pflichtbewusstseins ist die Angst überwältigend. Diesmal ist er sich wirklich sicher, dass die Beziehung vorbei ist, niemals würde T nach dem fetten Fehler noch mit ihm zusammen sein wollen. Doch Guk fürchtet sich so sehr davor, obwohl er es eh schon lange kommen sieht, hat er so Angst, auf einmal wieder alleine dazustehen. Na ja, wenigstens kann er sich dann irgendwo runterwerfen, ohne dass es wen juckt. 

Ein weiterer Angstfaktor ist Camille. Sie kommt wirklich am Samstag nach Wien, hat nicht mal ein Hotel gebucht, weil sie davon ausgeht, dass sie bei Guk pennt. Was soll er da nur tun? Auch hier schallert die anxiety zu sehr, als dass er ihr die Wahrheit sagen könnte. Verehren wie T tut er sie ja nicht, deswegen sieht er sich nicht gezwungen, trotzdem Klartext mit ihr zu reden. Aber er hat keine Ahnung, wie das dieses Wochenende funktionieren soll, er will sie auf keinen Fall sehen, geschweige denn sie bei sich übernachten lassen. Sie träumt ja schon vom Sex mit ihm, aber da ist er so komplett raus, nicht in eine Millionen Jahren würde er das können. Vor allem nicht bei dem, was sie anscheinend von ihm erwartet. 

Das Dinner mit seinem Vater liegt ihm ebenfalls schwer im Magen. Irgendwas will der sicher von ihm, sonst würde er ja nicht mit ihm essen gehen. Vielleicht wird er die monatlichen Überweisungen einstellen. Dann wär Guk wirklich am Arsch, er kann sich nicht vorstellen, dass er dann noch über die Runden kommt, Job hin oder her. So viel zahlen die nämlich gar nicht hier. 13 Euro die Stunde und er hakelt ja nur 20 Stunden in der Woche, minus die ganze Steuerkacke noch, da bleibt ned so viel über. 

Aber whatever, daran denkt er ja gar nicht, er geht überhaupt nicht davon aus, dass die ihn heut nehmen. Allein sein Aussehen würde doch jeden Arbeitgeber schon abschrecken. Ja, mittlerweile sind Tattoos mehr akzeptiert, aber face tats sind immer noch heikel in der business Welt. Ist auch nicht so, als würde er sonst vor Gesundheit strotzen. Der blasse Hautton, die rotunterlaufenen Augen plus fetten Augenringen und die zerbissenen, farblosen Lippen lassen ihn nicht wirklich wie den Traumarbeitsnehmer wirken. Aber hey, immerhin hat er sich vom Outfit her rausgeputzt, die einzige Jean, die er besitzt, hat er angezogen und dazu ein ganz solides Hemd, beides in Schwarz natürlich. Haare hat er auch gewaschen und in einem ordentlichen Knödel zurückgebunden, ja, mehr kann er wirklich nicht machen. 

Was nur bisschen nervt, ist, dass seine Hose eben ziemlich eng ist und dadurch dauernd gegen den zugepflasterten Oberschenkel reibt. Es ist eine sehr komische Empfindung, er traut sich irgendwie nicht ganz, sein rechtes Bein voll zu belasten oder es beim Sitzen so breit auf die Sitzfläche drücken zu lassen. Er will nicht, dass die Wunden neu aufreißen und vielleicht so stark bluten, dass es durch die Pflaster auf die Jeans geht. Dabei fragt er sich, ob es Gebärmutterleuten wohl genauso geht, wenn das Progesteron mal wieder am Sinken ist und das unnötig vorbereitete Babynest ausgespuckt wird. 

Ja, Guk ist wirklich sorglos im Moment, wenn er sich mit solchen Fragen beschäftigt, als er da vorm Büro seiner eventuellen Chefin hockt. Zwar hatte er Emailkontakt nur mit dem Sekretär, aber er weiß, dass da drin 'ne Frau CEO ist. Er hat schon angeklopft, jetzt wartet er und zieht sich nochmal die Ärmel des Hemds bis über die Handgelenke, dass auch nicht zu viel von seinem Arm sichtbar wird. Da ist wirklich gar nichts in seinem Kopf grad, er chillt einfach und lässt die Zeit vergehen. Nüchtern hätte er den Weg hierher ja in zehn Jahren nicht geschafft, und allein bei der ersten Frage hätte es ihn ja schon voll auf die Gosche gehaut. 

Doch dann geht plötzlich die Tür auf, Guk wird vom Sekretär hereingebeten und zack, drin is' er. Die Chefin sitzt am Schreibtisch, ganz business like mit Kaffee und Brille, begrüßt ihn nett. Ja, und dann geht das Gespräch los. Der Sekretär bleibt dabei, meldet sich hin und wieder auch, aber leitend ist obviously sie. Sie stellt ihm zuerst die Firma vor, was sie so machen und was ihre Philosophie ist, da heutzutage anscheinend jedes Unternehmen 'ne eigene Philosophie braucht. Sie beschreibt ein bisschen die Arbeit, die Guk dann machen würde und fragt ihn da dann, was seine Qualifikationen sind, was er bis jetzt gemacht hat und so. Und Guk, holy shit, der antwortet ohne irgendwas. Legit, ohne Nachdenken palavert er einfach drauf los, als wär nix dabei. Ist es auch nicht, aber normally ist ihm das nicht so bewusst. 

Er erzählt von seiner Schulausbildung, dem abgebrochenem Studium und den kleinen Nebenverdiensten. Da erlaubt er sich aber eine etwas freiere Interpretation der Geschichte und stellt sich so dar, als wär alles okay mit ihm und er wär nicht halb am Verzweifeln jeden Tag, würde nicht nur panisch rumlungern. Er erfindet bei seinen persönlichen Zielen spontan was, tut so, als wäre er ähnlich motiviert wie in seinem Bewerbungsschreiben. Er will unbedingt in die IT-Branche einsteigen, beschäftigt sich mit nichts Anderem in seiner Freizeit und hat schon in der Schule damals die berufspraktischen Tage bei Drei verbracht. Offensichtlich purer Blödsinn, bis auf die berufspraktischen Tage, aber es bringt es ganz glaubhaft rüber und glücklicherweise fragt die Chefin nicht zu viel nach. Vielleicht hat sie ja selber keinen Bock, will einfach irgendwen einstellen und fertig.

Als Guk nach 'ner dreiviertel Stunde das Büro wieder verlässt, ist es für ihn nicht anders, als wäre er nur etwas länger am Klo scheißen gewesen. Er denkt nicht darüber nach, was er und sie gesagt haben, was er alles verkackt haben könnte, und ob sie ihn jetzt nimmt oder nicht. Überhaupt hat er das meiste vom Gespräch schon wieder vergessen, er weiß gar nimmer, was genau dann seine Aufgaben sind. Egal, es ist ihm alles egal, er geht einfach nur ruhig weiter zu Fuß, headed Richtung T zum Abendessen.

gottlose welt || tgukWo Geschichten leben. Entdecke jetzt