04. Audition

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„My shadow's the only one that walks beside me

My shallow heart's the only thing that's beating

Sometimes, I wish someone out there will find me

'Til then, I walk alone"

Green Day – Boulevard Of Broken Dreams



< N I A L L >


Die Zeit raste.

Weihnachten, Silvester, das neue Jahr brach an und der Termin für mein Vorspielen bei der Julliard rückte näher und näher. Mittlerweile übte ich täglich am Piano bei Agnes, wobei sie stets versuchte, mir Mut zu machen.

„Denke immer, du spielst für deine Großmutter und für mich, wenn du in der Julliard antrittst", lauteten ihre Worte.

Gerne wollte ich diese beherzigen, aber ich war mir nicht sicher, ob mein Lampenfieber sich dahingehend querstellte.

„Was ist, wenn sie meine Kreation nicht mögen?"

Laut lachte Agnes auf: „Dann sind es ignorante Dummköpfe. Aber glaube mir, auch die Juilliard verschließt sich nicht dem Fortschritt."

Hoffentlich behielt Agnes Recht.

Am Wochenende vor dem wichtigen Termin besuchte ich meine Mutter im Gefängnis. Wie üblich erkundigte sie sich nach den Neuigkeiten und ich antwortete: „Mein Halbjahreszeugnis war gut. Am Donnerstag ist das Vorspielen in der Juilliard und ich habe echt Schiss davor. Wenn ich es versemmele, dann..."

„Du wirst es nicht versemmeln, okay? Ich glaube an dich, Niall und du solltest das auch tun."

In all den Jahren, in denen ich sie im Knast besucht hatte, war das wohl der gewichtigste Satz, den sie jemals laut aussprach.

Sie glaubte an mich.

Wow.

„Ich wünschte, ich könnte dabei sein, wenn du spielst", vernahm ich sie seufzen.

„Die lassen kein Publikum zu." Es machte somit im Moment keinen Unterschied, ob sie im Knast saß oder ihr Leben in Freiheit verbrachte. Ich musste da allein durch.

Erst in zwei Wochen würde ich meine Mutter wiedersehen, aber durch Nan, würde sie am kommenden Wochenende erfahren, ob ich es geschafft hatte.

Als ich am Montag aufstand, begann ich die Tage zu zählen. Es waren noch drei. In der Schule blieb mir jedoch nicht viel Zeit, an die Juilliard zu denken. Der Endspurt für das letzte Schuljahr stand an und ich wollte gut abschneiden. So gesehen hatte ich doppelten Stress, denn ich konzentrierte mich auf zwei Dinge gleichzeitig. Für den Moment stand die Juilliard im Vordergrund und deshalb verschwand ich direkt nach der Schule zu Agnes, um das Stück, das ich am Piano vortragen wollte, zu perfektionieren.

Auch am Dienstag und am Mittwoch tat ich dies und als ich mich von Agnes verabschiedete drückte sie mich fest an sich: „Ich wünsche dir morgen das Allerbeste und denke immer daran, du spielst für deine Nan und für mich, aber vor allem für dich. Lass die Musik in deinen Farben erstrahlen."

„Danke", murmelte ich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn, bevor ich ging.

Mein Weg führte mich nicht nach Hause, sondern zum Spagetti Palace. Louis hatte mir heute Mittag eine Nachricht geschickt, dass er am Abend wieder ein neues Gericht probieren wollte. Ich sollte mich um halb acht im Restaurant einfinden. Somit war noch Zeit genug, schnell zuhause vorbeizuschauen. Da ich Nan bereits am Mittag geschrieben hatte, wusste sie, dass ich heute außer Haus aß.

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