Max Giesinger - Der Tanz des Lebens

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„Warum tu ich mir das gleich wieder an?", frage ich meine Schwester während ich in der Ankleide stehe, wo letzte Hand an mein Kostüm gelegt wird. Der sanft silber weiß glitzernde Body schmiegt sich wie eine zweite Haut an meinen Körper. Zarte Fransen bilden einen kurzen Rock um meine Hüften und mir werden meine Ballettschuhe an den Waden entlang nach oben geschnürt und so fixiert, dass nichts verrutschen oder sich öffnen kann. Meine ältere Schwester tritt hinter dem Paravent hervor in ihrem silbergrauen Kleid und den schwarzen Heels. Ihre goldblonden Haare fallen in weichen großen Wellen auf ihre Schultern hinunter und ihr Make-up ist bereits perfekt abgestimmt. „Weil du mich liebst und mir keinen Wunsch abschlagen kannst, mein liebes Schwesterherz.", lächelt Helene mich sanft an und kommt auf mich zu. Ja, ich bin die kleine Schwester von Helene Fischer. Obwohl kleine Schwester nur auf mein Alter zurück zu führen ist. Sie selbst misst bloß 1,58m, während ich die Körpergröße unseres Vaters geerbt habe mit stolzen 1,75m. Das mag vielleicht auch nicht sehr groß sein, aber es reicht durchaus. „Felicity, ich kenne keine bessere Balletttänzerin als dich und dieses Lied schreit förmlich nach einer Ballettchoreographie. Außerdem bist du es doch gewohnt vor großem Publikum zu tanzen.", führt sie weiter aus. „Das mag ja sein, aber mein Publikum beschränkt sich im Normalfall auf Livepublikum im Theatersaal und nicht auf Publikum im Saal UND Millionen von Menschen an den Fernsehgeräten. Ich schaff das nicht Leni! Du kennst mein Lampenfieber! Ich kriege es gerade so hin, auf die Bühne zu stolpern, wenn ich im Theater tanze und da sitzen maximal ein paar hundert Leute. Nicht wie hier gleich mehrere Tausend.", erkläre ich ihr mit zittriger Stimme. Ich spüre wie bereits wieder meine Handflächen feucht werden und mein Herzschlag beginnt sich zu beschleunigen. „Aber die Millionen Fernsehzuschauer sehen es doch erst in ein paar Wochen.", lacht sie leise. „Das macht es trotzdem nicht besser!", quietsche ich. „Willst du denn nicht einmal mit Max Giesinger zusammen auf der Bühne stehen? Du liebst diesen Mann!", meint Helene noch immer lachend. „Ich LIEBE ihn nicht, ich mag seine Musik. Seine Stimme beruhigt mich.", gebe ich kleinlaut zurück. Natürlich muss sie wieder Recht haben. Seit seinem Karrierestart bin ich Fan seiner Musik und nach und nach habe ich mich in ihn und seinen Charakter verknallt, selbst wenn ich ihn nicht persönlich kenne und weiß, dass es aussichtslos ist. Aber ich kann es nunmal nicht abstellen. „Natürlich tust du das nicht. Du liest ja auch nicht jedes Fitzelchen, was du von ihm in irgendwelchen Zeitungen findest und siehst dir auch nicht jedes Interview und jede Show, in der er auftritt, fünfmal an. Ich bitte dich City. Du stehst auf ihn.", grinst sie mich an und bringt mich mit ihrer guten Laune ebenfalls zum lächeln. „Und wenn schon, es hat ja doch keinen Sinn zu hoffen. Er weiß nicht einmal, dass ich existiere und nach der Aufzeichnung werde ich ihn nie wieder sehen.", bringe ich mit traurigem Unterton hervor. „Heute erfährt er aber von deiner Existenz und lernt dich kennen und wer weiß, vielleicht wird ja doch was draus?", sie zuckt mit den Schultern, kommt auf mich zu und streicht vorsichtig über meine Arme, als ich von dem kleinen Podest getreten bin. „Du siehst einfach zauberhaft aus, Kleines. Dein Körper ist wirklich zum Niederknien.", sagt sie und zieht mich zu sich hinunter in die Arme. „Jetzt hör aber auf. Deine Figur steht meiner wohl in nichts nach.", erwidere ich, als ich mich von ihr löse und sie von oben bis unten mustere. Helene mag klein sein, aber sie ist muskulöser als manch großer Kerl. Aufgrund ihrer Bühnenshows hat sie auch gar keine andere Wahl. Zweieinhalb, drei Stunden über die Bühne turnen und durch die Lüfte schwingen und ganz nebenher noch singen, verlangen ihrem Körper alles ab. Aber so völlig unrecht, hat sie mit meiner Figur auch nicht. Durch die jahrelange Ballettausbildung und die darauf folgende Anstellung an verschiedenen Theatern lassen nahezu kein Gramm Fett am Körper zu. Ich bin keinesfalls dürr oder gar als zu dünn zu bezeichnen. Die Muskeln umspannen in ordentlichem Maße meine Knochen und Gelenke, aber dass das Ganze Bodybuilderausmaße annimmt habe ich immer im Auge. Ich achte sehr darauf eine frauliche Figur beizubehalten, zu viele Muskeln finde ich bei Frauen absolut unattraktiv, aber jeder soll seinen Körper so behandeln, wie er es für richtig hält und sich auch so hübsch finden, wie er ist. Jeder Mensch ist schön wie er ist. So hat sich Helene vor Jahren entschieden ihr naturbraunes Haar blond zu färben, wohingegen ich lieber bei meinem Naturton geblieben bin, einem dunklen schokoladenbraun, schon fast hin zum schwarzen. Außerdem hat meine Schwester die Naturwellen unserer Mutter geerbt, während ich die glatte Haarstruktur von Seiten unseres Vaters abbekommen habe. Bei meinem Beruf auch nicht das schlechteste, da glattes Haar um einiges einfacher zu einem strengen Dutt gedreht und hochgesteckt werden kann. „Du siehst traumhaft aus Kleines. Ich würde mich nicht wundern, wenn du am Ende der Aufzeichnung ein Date in der Tasche hast.", grinst Helene mich wieder an. „Träum weiter Schwesterherz, träum weiter.", verdrehe ich die Augen und betrachte mich nochmals im Spiegel. ‚Wäre ja zu schön um wahr zu sein.', seufze ich innerlich und mache mich auf den Weg hinter die Bühne, nachdem ich meinen dünnen Morgenmantel übergezogen habe.

One Shots nach MaßWo Geschichten leben. Entdecke jetzt