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Diesmal war es noch schlimmer als damals, als ich ihm Nachhilfe in Mathe gegeben hatte, obwohl ich keine Ahnung von dem Thema gehabt hatte. Denn nun hatte ich keine Zeit, mich darauf vorzubereiten. Ich glaubte, schon einmal von dem Gericht gehört zu haben, aber ich wusste weder was es war noch wie man es zubereitete.

Während wir zu mir liefen, ging die Sonne langsam unter und es wurde immer kühler. Der Sommer neigte sich wohl langsam seinem Ende zu. «Essen wir mit deinen Eltern? Oder hast du noch Geschwister, von denen ich nichts weiss?», fragte Kirishima scherzhaft. Ich schüttelte amüsiert den Kopf. «Nein, ich bin Einzelkind», erklärte ich. «Aber mein Vater wird schon zur Arbeit gegangen sein, also werden wir einfach mit meiner Mutter essen.»

Ich musste sie nur möglichst unauffällig danach bitten, Oyakodon zu machen, ohne dass es Kirishima mitbekam. «Zur Arbeit? Jetzt am Abend?» Sein Interesse an meiner Familie stellte komische Dinge mit meinem Bauch an und ich wollte so schnell wie möglich das Thema wechseln. «Ja, er ist Koch», murmelte ich. «Und dein Vater?»

Wir redeten den ganzen Nachhauseweg, sodass ich gar keine Zeit hatte, mir einen Ausweg aus meinem Dilemma zu überlegen. Und bevor ich es wusste, standen wir schon vor meiner Haustür. Kirishima trat nervös von einem Bein aufs andere während ich die Tür aufschloss, was ich irgendwie niedlich fand. Er war aufgeregt, meine Mutter kennenzulernen...

Wir gingen rein und zogen Schuhe und Jacken aus und ich merkte erst jetzt, dass alle Lichter aus waren. Verwirrt ging ich zum Küchentisch, wo ein Zettel lag. Habe heute Geschäftsessen, komme erst spät zurück. Ich erstarrte. Meine Mutter war nicht hier? Ich musste selber kochen? Keine Chance...

«Was ist los?» Als ich Kirishimas Atem im Nacken spürte, bekam ich sofort Gänsehaut. Ich schluckte, doch dieses komische Gefühl verschwand nicht. «Oh, wir müssen selber kochen?» Schnell drehte ich mich zu ihm um. «"Wir"?», sagte ich und schob ihn zum Sofa im Wohnzimmer. «Ich werde kochen. Du kannst dir einen Film oder so einschalten.» Ich drückte ihm die Fernbedienung in die Hände und verschwand wieder in der Küche, bevor er protestieren konnte.

Mit einem erleichterten Seufzen holte ich mein Handy hervor und konnte endlich googlen, was sein Lieblingsessen war. Ich klickte auf ein Onlinerezept und las es kurz durch. Okay, das sollte nicht allzu schwierig sein. Die leichte Zubereitung machte mir Mut und ich bereitete alles vor. Es dauerte nicht lange, bis ich auch schon das Fleisch in die Pfanne geben konnte. Ich stellte die Hitzestufe ein wenig tiefer wie im Rezept angegeben und ging zu Kirishima ins Wohnzimmer.

Er sah sich irgendeine Serie auf Englisch an und ich setzte mich neben ihn. «Brooklyn 99. Ist wirklich lustig, musst du dir auch mal reinziehen», sagte er, obwohl ich nicht einmal danach gefragt hatte. Ich sah ein paar Minuten mit und es war wirklich eine amüsante Serie. Aber nach einer Weile wanderte meine Aufmerksamkeit zu Kirishima.

Er hatte sich aus Höflichkeit ganz auf die Kante des Sofas gesetzt, was mir ein kleines Schmunzeln entlockte. Mein Blick glitt über seinen Oberkörper. Er trug die langärmlige Version unseres Schulhemdes, hatte aber die Krawatte ein wenig gelöst und die obersten Knöpfe aufgemacht. Meine Finger zuckten. Am liebsten würde ich noch mehr Knöpfe öffnen. Ich wollte doch nur ganz kurz sehen, was sich unter dem Stoff befand. Nur ganz, ganz kurz–

«Bakugou...» Er drehte den Kopf zu mir und ich horchte auf. Sein Blick hatte irgendetwas verlockendes an sich und ich biss mir auf die Unterlippe. «Willst du das nicht auch?», hauchte er und seine tiefe Stimme war Musik in meinen Ohren. Meine Kehle war so trocken, dass ich kein Wort rausbrachte. Kirishima lehnte sich ein wenig mehr zu mir und griff mit der Hand an den Saum seines Hemdes. Mir fiel das Herz in die Hose. Ich blinzelte überfordert und–

Im nächsten Moment spielten seine Finger nicht mehr mit den Knöpfen seines Hemdes, sondern sie bedeckten seine Nase. «Bakugou?» Als er erneut meinen Namen sagte, fühlte es sich an, als ob ich aus einem Traum erwachen würde. «Was?», fragte ich irritiert. «Was hast du gesagt?» Kirishima stand auf und sah sich besorgt um.

«Ich habe gefragt, ob du das nicht auch riechst.»

Einen Moment lang war ich einfach nur verwirrt, doch dann stieg der Geruch von verbranntem Fleisch in meine Nase. Ich sprang auf. Verdammt, das Essen! Ich eilte in die Küche, doch es war schon zu spät. In der Pfanne befanden sich nichts mehr als ein paar schwarze Klumpen. Ich schaltete den Herd aus, öffnete das Fenster und überlegte fieberhaft, was ich tun konnte, um das alles trotzdem noch irgendwie zu retten.

«Uff, es ist verbrannt?» Kirishima trat in die Küche und sah gerade noch, wie ich das Fleisch wegschmiss. Schnell wandte ich mich von ihm ab, damit er mein Gesicht nicht sehen konnte. Jetzt dachte er sicher, ich war irgendein Loser, der nicht einmal kochen konnte. «Ähm... ja», murmelte ich und wäre am liebsten im Erdboden versunken.

Verdammt, das war sowas von peinlich. Ich schloss kurz die Augen, um mich ein wenig zu beruhigen, dann drehte ich mich langsam zu ihm um. «Tut mir leid, Kirishima, ich...» Ich verstummte, als ich den Rotschopf ansah. Er hatte sich die Hand auf den Mund gelegt, doch nach ein paar Sekunden konnte er sein Lachen nicht mehr zurückhalten.

Ich starrte ihn einfach nur an. Er lachte? Lachte er mich etwa aus? Ich wollte etwas dagegen sagen, aber irgendwie war es mir auch egal, warum er es tat. Denn so hatte ihn noch nie lachen gehört. Es klang hell und fröhlich und ansteckend und... Und es fühlte sich an, als ob ich dahinschmolz. Seine Augen funkelten von den Lachtränen und die Art, wie er sich den Bauch hielt, brachte mich dazu, alles tun zu wollen, dass er nie wieder damit aufhörte.

Das war der Moment, in dem ich es das erste Mal spürte.

Meine Brust füllte sich mit einer angenehmen Wärme und mein Herz pochte so laut, dass es fast sein Lachen übertönte. Ich stutze und fasste mir an die Brust. Ich konnte spüren, wie schnell es schlug. Und obwohl dieses Gefühl neu und irgendwie auch komisch war, fühlte es sich... gut an.

«Sorry, Bakugou... ich...», stotterte Kirishima, während er erfolglos nach Luft schnappte. «Ich... lache nicht wegen dir. Diese ganze Situation ist einfach... so absurd.» Er brauchte noch ein paar weitere Sekunden, bis er sich komplett beruhigt hatte. «Was sollen wir machen?», fragte ich und konnte den Blick nicht von ihm abwenden.

Seine Augen schimmerten immer noch amüsiert. Ich schluckte. «Wie wär's, wenn wir einfach etwas bestellen?», fragte er und zog demonstrativ sein Handy hervor. Ich konnte nur nicken und überliess ihm die Wahl des Essens.

Nach gut einer halben Stunden sassen wir mit Pizza auf dem Sofa und sahen seine Serie weiter. Aber ich konnte mich kaum konzentrieren. Was hatte er nur mit mir gemacht? Und... und was konnte er tun, damit es wieder passierte? Ich sah immer wieder verstohlen zu ihm rüber, doch er war viel zu konzentriert auf das, was auf dem Bildschirm passierte.

Das vorhin... Hatte ich etwa wirklich taggeträumt, dass er sich für mich sein Hemd... Ich konnte den Gedanken nicht fertigbringen und lief sofort rot an. Oh Gott, irgendetwas war definitiv falsch mit mir.

Ich hätte trotzdem nichts dagegen, wenn es kein Tagtraum gewesen wäre.

My First First Time || KiriBakuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt