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Kirishima hatte mich angelogen. Der Sommer war die reinste Qual gewesen. Mit unzähligen Stunden, in denen ich an nichts anderes als an seine Küsse und Berührungen gedacht hatte. Mit unzähligen Nächten, in denen mir seine liebevollen Worte jegliche Chancen auf Schlaf geraubt hatten. Und unzählige, unzählige, unzählige Wünsche, die ich für etwas verschwendet hatte, das nicht beeinflusst werden konnte. Auf jede Sternschnuppe, auf jeden Glockenschlag an Mitternacht, auf jeden sieben-punktieren Marienkäfer hatte ich mir gewünschte, diese drei Monate würden schnell vorbeigehen.

Es war sinnlos gewesen. Es hatte sich wie Jahre angefühlt.

Und trotzdem stand ich jetzt hier, vor seiner Tür, mit dem besten Outfit, das ich hatte raussuchen können, und war zu nervös, um die Klingel zu drücken. In weniger als zwei Tagen würde ich anfangen zu studieren. Ein neuer Lebensabschnitt würde beginnen... und doch war ich jetzt, in diesem Moment, viel aufgeregter.

Ich atmete noch einmal tief durch, dann klingelte ich. Mit jeder Sekunde, in der ich warten musste, wurde das Kribbeln in meinem Bauch stärker. 1... 2... 3... 4... 5... Dann erstarrte ich. Die Tür flog mit Schwung auf und da stand er. Er stand tatsächlich vor mir. In Fleisch und Blut. Und jetzt, wo ich ihn endlich wiedersah, wusste ich nicht, was lauter war:

Die Stimme in meinem Kopf, die ihn heimlich dafür verfluchte, mich warten gelassen zu haben... oder das Pochen meines rasenden Herzens.

Es brauchte einige Momente, bis wir beide verstanden, was gerade vor sich ging. «...Bakugou?» Als ich seine Stimme hörte, konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. «Kirishima!», rief ich, wahrscheinlich ein wenig zu laut, und stürzte mich in seine Arme. Überrascht schnappte er nach Luft, erwiderte dann jedoch die Geste.

Mein Herz schlug so schnell, dass ich Angst hatte, es würde mir aus der Brust springen. Drei Monate hatte ich auf das hier gewartet. Drei Monate. Ich sank tiefer in die Umarmung. Ich hatte vergessen, wie warm sein Körper war. Wie gut er roch. Wie es sich anfühlte, meine Arme um ihn zu legen.

Kirishima streichelte sanft meinen Kopf, dann lehnte er sich zurück, um mich anzusehen. «Hey», hauchte er und meine Knie hätten fast nachgegeben. Ich grinste von einem Ohr bis zum anderen, doch bevor ich irgendetwas erwidern konnte, wurde ich von einer unbekannten Stimme unterbrochen.

«Kiri? Wer ist es denn?»

Das Problem war nicht, dass die Stimme einem Jungen gehörte.

Das Problem war auch nicht, dass er ihn Kiri genannt hatte.

Das Problem war, dass mich Kirishima wie vom Blitz getroffen von sich stiess, als ob er gerade bei etwas illegalem erwischt worden war.

Ich erstarrte.

Nein, versuchte ich mich zu beruhigen. Nicht zu viel hineininterpretieren. Nicht zu viel hineininterpretieren.

Meine Augen wanderten an ihm vorbei ins Haus, wo sich der fremde Junge entlarvte. Er hatte braunes, lockiges Haar und gebräunte Haut. Erst als er sich neben Kirishima stellte, bemerkte ich die Sommersprossen, welche seine Wangen und Nase schmückten. Er hatte ein freundliches Lächeln auf den Lippen, doch ich konnte ihn nur ungläubig anstarren, als er sich bei Kirishima unterhackte.

Es fühlte sich an, als ob die Welt stehenblieb.

Das war jetzt nicht wahr, oder?

Oder?

Kirishima räusperte sich und stellte sich aufrechter hin. «Bakugou, das ist Isko. Isko, das ist Bakugou.» Ich blinzelte. Versuchte mich zu fangen. Doch ich schaffte es nicht. Immer noch unter Schock drehte ich mich einfach um und lief weg. Ohne ein Wort zu sagen. Ohne einen Gedanken zu verschwenden. Ohne zu verstehen, was zum Teufel gerade vor sich ging.

Ich hatte auf ihn gewartet. Ein halbes Jahr lang.

Er hatte mir versichert, er wollte mit mir zusammen sein.

Also warum war ein anderer Junge an seiner Seite?

Ich atmete tief ein und aus, um mich aus meiner Starre zu befreien. Aber als ich es geschafft hatte, war es nur noch schlimmer. Alle Emotionen stürzten gleichzeitig auf mein ein, ich war komplett überfordert. Ich konnte nicht atmen, mein Herz war so schwer wie Blei. Nicht schon wieder. Bitte, nicht schon wieder.

«Bakugou, warte!» Kirishima ergriff mich am Arm und brachte mich zum Stehen. Ich entzog mich ihm sofort. «Es ist nicht so wie du denkst», versicherte er mir und wollte meine Hand nehmen, doch ich trat einen Schritt zurück. Er gab ein verzweifeltes Seufzen von sich. «Bakugou, er ist nur ein Freund. Ich verspreche dir, da ist nichts mehr.»

Ich beruhigte mich ein wenig, hielt ihn aber trotzdem auf Abstand. «Ich habe ihn in den Philippinen kennengelernt, als ich meine Grosseltern besucht habe.» Ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke. «Deine Grosseltern wohnen dort? Das hast du nie erzählt.» Kirishimas Augen wurden sofort dunkeln und obwohl ich eigentlich wütend war, konnte ich es nicht verhindern, dass sich auch Besorgnis in mein Herz schlich.

Er war hin- und hergerissen und es war fast schon eine Qual, zuzusehen, wie er mit sich selbst kämpfte. Schliesslich atmete er tief durch. «Meine... Sie sind die Eltern meiner Mutter.» Ich biss die Zähne zusammen. Verdammt, er hatte seine Mutter so gut wie nie erwähnt. Ich wusste, dass sie ein sensibles Thema für ihn war.

Ich hatte keine Ahnung, was ich auf seine Aussage erwidern sollte. Ich wusste nicht einmal, ob ich überhaupt irgendetwas darauf erwidern wollte. Doch Kirishima kam mir so oder so zuvor. «Es tut mir leid, dass ich dich so grob weggestossen habe», sagte er nach ein paar Sekunden. «Das war nicht meine Absicht. Und Isko ist nur ein Freund. Er hat mir mehr von Manila gezeigt, also habe ich ihm im Gegenzug angeboten, er könnte ein paar Wochen nach Japan kommen und ich würde ihm Tokio zeigen. Er war noch nie hier.»

Ich brauchte ein paar Momente, um das alles zu verarbeiten. Nur weil sich Isko bei Kirishima untergehackt hatte, hiess das noch lange nicht, dass da etwas zwischen ihnen lief. Ich schloss kurz die Augen. Ich hatte überreagiert. Ich war zu paranoid gewesen. Schon wieder. Diese ganze Sache mit Akira hatte mich so unsicher gemacht, dass ich sofort vom Schlimmsten ausgegangen war.

Irgendwann nickte ich und griff nach Kirishimas Hand. «Okay», hauchte ich. «Tut mir leid, dass ich unser Wiedersehen ruiniert habe.» Er lachte leise auf und zog mich in eine Umarmung. Überrascht riss ich die Augen auf, legte meine Arme aber ebenfalls um ihn, sobald ich mich wieder gefangen hatte. Er vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. «Nichts könnte diesen Moment ruinieren, Bakugou», flüsterte er und ich war mir nicht sicher, ob meine Gänsehaut an seinen Worten oder an seiner Nähe lag.

Erleichtert schloss ich die Augen und liess alles auf mich wirken. Die Gefühle, die er mit einer so einfachen Geste bei mir erweckte, waren dieselben wie auch schon immer zuvor. Herzrasen, Schmetterlinge im Bauch, all dieser übliche Schwachsinn. Doch ich hatte das alles schon so lange nicht mehr gespürt, dass es sich anfühlte, wie das allererste Mal.

Ich verstärkte meinen Griff. Keine Angst, flüsterte ich ihm in Gedanken zu. Ich werde dich nie wieder loslassen.

My First First Time || KiriBakuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt