16. Wahrheit und andere Lügen

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Erst als es draussen schon lange Finster wurde und der Mond hoch am Himmel steht, räumen alle den Müll weg und begeben sich auf, die ihnen zugeteilten Zimmer. Nur untere Teil des Towers sind unversehrt geblieben, weswegen mich Tony nur wenige Stockwerk höher lotst und dort vor einer Türe stehen bleibt. «Hier ist dein Zimmer. Falls du etwas brauchst – das von Natasha ist gleich nebenan», erklärt r und deutet dabei auf die Tür links von meiner. Ich nicke, bedanke mich nochmals für alles und wünsche ihm eine gute Nacht, bevor ich den Raum betrete.

Geschockt bleibe ich stehen – das Zimmer ist RIESIG! Langsam schliesse ich die Tür hinter mir, checke jedoch gleich darauf, ob ich sie auch wieder öffnen kann. Erst nachdem ich mich versichert habe, dass sie sich nicht irgendwie verschliesst, sehe ich mich im Zimmer noch etwas genauer um.

Am Boden liegt ein dicker, flauschiger Teppich und in einer Ecke steht ein grosses Doppelbett. Fasziniert husche ich über den Teppich und bleibe vor der grossen Fensterfront stehen. Von hier aus erkenne ich erst die Ausmasse der Schlacht. Die Stadt ist komplett zerstört, doch die Aussicht ist noch immer atemberaubend. Vorsichtig öffne ich die Glastüren und trete auf den grossen Balkon hinaus. Die untersten und somit einzig nicht zerstörten Schlafräume befinden sich im 12. Stockwerk – dementsprechend kann ich die ganze Stadt überblicken.

Ein kühler Wind fährt durch meine zerzausten Haare und lässt mich geniesserisch die Augen schliessen. Entspannt setzte ich mich auf den Boden und lasse meinen Blick schweifen. Da das Geländer aus Glas besteht, kann ich auch sitzend noch alles erkennen. Ich geniesse die Frische, entscheide mich jedoch trotzdem dazu, mich zu verwandeln. Zufrieden lege ich mich in Wolfsgestalt hin und beobachte das rege Treiben unter mir, während ich leicht vor mich hindöse und meinen Gedanken freien Lauf lasse.

Schlafen will ich nicht, denn ich habe die ganzen Albträume so satt. Ausserdem rauben diese mir mehr Energie als die paar Stunden Schlaf, mir je geben könnten. Kurz habe ich noch überlegt, mich auf das Bett zu legen und in die Decke einzukuscheln, doch ich habe noch nie auf einem Bett geschlafen. Weder auf der Strasse noch bei Hydra, also lasse ich es lieber sein. Ausserdem bin ich noch immer schmutzig und verschwitzt vom Kampf gegen die Aliens und würde nur ungern die edle Decke verschmutzen.

Als die Sonne langsam aufgeht und mit ihren Strahlen, New York in goldenes Licht taucht, entscheide ich mich aufzustehen. Ich dehne meine verspannten Glieder und verwandelte mich zurück, bevor ich ins angrenzende Badezimmer husche. Geniesserisch stelle ich mich unter die Dusche und lasse das warme Wasser Dreck, Blut und Schweiss von mir waschen. Bei Hydra durfte ich nie warm duschen, weshalb ich es jetzt umso mehr geniesse und eine Weile einfach nur unter dem Wasserstrahl stehe. Irgendwann trete ich trotzdem wieder heraus, trockne mich ab und ziehe mir frische Kleidung an, die in meinem Zimmer liegt. Danach verlasse ich es.

Zum Glück erinnere ich mich noch an den Weg ins Esszimmer und entscheide mich erst einmal dorthin zu gehen. Jedoch noch bevor ich den Raum betrete, vernehme ich von dort aus, laute Stimmen. Vorsichtig schiele ich um die Ecke und erblicke Thor, Steve und Tony, die sich wütend streiten. Es geht um Loki und seinen momentanen Aufenthalt in einer der Zellen im Erdgeschoss des Gebäudes. Tony will, dass er bleibt, Thor will ihn nach Asgard? bringen und Steve ruft ab und zu auch noch etwas dazwischen. Sie werden immer lauter und ich merke, wie ich zu zittern beginne.

Für einen kurzen Moment bin ich zurück bei Hydra, wo mich Rumlow wegen einer Kleinigkeit wutentbrannt ins Gesicht brüllt, doch ich kann mich schnell davon befreien. Nachdem ich das kalte Gefühlt abgeschüttelt habe, welches in mir aufzusteigen drohte, mache ich auf dem Absatz kehrt und flüchte in die entgegengesetzte Richtung. Ich will die Treppe hoch – zurück in mein Zimmer – doch in dem Moment ertönen Schritte und Natashas sanfter Duft nach Rosen und Kaffee steigt mir in die Nase. Panik lähmt meine Gedanken und in mir schreit alles nur noch nach Flucht. Blitzschnell wirble ich herum und fliehe durch die nächstbeste Türe. Ich renne eine Treppe herunter, husche orientierungslos durch Gänge und verstecke mich schliesslich in einem abgedunkelten Raum. Schlotternd kauere ich mich in einer Ecke zusammen und blinzle mir aufsteigende Tränen aus den Augen. Am vergangenen Abend fühlte ich mich für einen Moment wie ein normaler Mensch, der abends mit seiner Familie am Esstisch sitzt und über die Erlebnisse des Tages erzählt. Für einen Moment konnte ich all die Schrecklichen Dinge der Vergangenheit vergessen, doch nun hat sie mich abrupt wieder eingeholt. Wie ein harter Schlag ins Gesicht hat sie mich daran erinnert, dass ich das Vergangene nie loswerden werde und diesen grauenhaften Teil von mir den Rest meines Lebens mit mir herumtragen werde.

Shadow and Ice: Die Vergangenheit als Begleiter  (Loki ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt