30. Party

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Endlich sind wir im Tower angekommen. Clint wird sofort weggebracht und von einer gewissen Dr. Cho behandelt. Maria Hill betritt den Jet und drückt Steve ein Tablet in die Hand. Ich schleiche mich heran und spähe ihm über die Schulter. Ich erkenne die Zwillinge. «Wanda und Pietro Maximoff, Zwillinge», zählt Maria, die mich zum Glück nicht bemerkt hat, auch gleich auf, «Mit zehn verwaist, als ihr Haus von einer Granate zerfetzt wurde. Sokovia hat eine üble Geschichte. Die Stadt ist nichts Besonderes, liegt aber auf dem Weg zu vielem Besonderen...» Die beiden laufen davon und so bekomme ich den Rest des Gespräches nicht mehr mit.

Gemeinsam mit Loki und Bucky verlasse nun auch ich den Jet. Wir begeben uns ins Labor, um zu sehen, wie es Clint geht. Dr. Cho lächelt mir und Bucky freundlich zu, während sie Loki kritisch mustert, der hinter ihrem Rücken genervt die Augen verdreht.

Derweilen spielt Tony nebenan mit Lokis Zepter. Ohne ihn weiter zu beachten, verlasse ich das Labor wieder und begebe mich in mein Zimmer, wo ich mir eine schwarze Jeans und einen gleichfarbigen Pullover anziehe. Dann setzte ich mich an meinen Schreibtisch, hole mein Zeichenmaterial hervor und beginne gedankenverloren herum zu kritzeln.

Etwa eine halbe Stunde später höre ich ein leises Klopfen an meiner Tür. «Herein!», rufe ich laut, während ich die halb fertige Zeichnung der Zwillinge zur Seite lege. Natasha betritt meinen Raum. Fragend sehe ich sie an, während sie ohne ein Wort zu sagen, zu meinem Bett läuft und mehrere Kleider darauf auslegt. Kritisch ziehe ich eine Augenbraue hoch und frage: «Was wird das?» «Tony besteht darauf, dass du bei der Party, die er heute Abend schmeisst, dabei bist. Also müssen wir dir ein Kleid heraussuchen», erklärt sie mir mit einem verspielten funkeln in den Augen. Da ich weiss, dass ich eh keine Chance gegen sie habe, stelle ich mich neben sie und betrachte die Kleider. Sofort deute ich auf das eine. Es ist das Einzige mit langen Ärmeln. «Das da», sage ich einfach nur. Sie nickt. «Zieh es dir an. Ich bin in zehn Minuten wieder da. Dann mache ich dir die Frisur und das Make-up», befiehlt sie mir und verschwindet wieder.

Eilig befolge ich ihre Anweisungen und will mich gerade vor den Spiegel stellen, als Natasha wieder hereinkommt und mich davon wegschiebt. «Erst wenn du fertig bist», mahnt sie mich und ich kann nicht anders, als die Augen zu verdrehen. Loki färbt definitiv auf mich ab. Bestimmt drückt sie mich auf meinen Schreibtischstuhl und macht mir die Haare. Danach trägt sie noch etwas Make-up auf. Als sie fertig ist, bedanke ich mich herzlich bei ihr, bevor sie wieder verschwindet, um sich selber bereit zu machen.

Jetzt endlich kann ich mich im Spiegel betrachten. Verblüfft starre ich auf mein Spiegelbild. Das schwarze, schlichte Kleid fällt mir elegant über die Hüften und betont meine schlanke Figur. Die Haare fallen mir leicht gewellt über die Schultern und wirken durch das schwarze Kleid, fast noch weisser – falls das überhaupt möglich ist. Die Lidschatten hat sie leicht dunkelblau gepudert, wodurch meine blauen Augen noch mehr zu strahlen scheinen. Die schwarze Wimperntusche lässt meine Wimpern länger und der dunkelrote Lippenstift meine Lippen voller, wirken. Als letztes ziehe ich noch die schwarzen Stöckelschuhe an, die mir Natasha hingestellt hat.

Unsicher öffne ich meine Tür und mache einige wacklige Schritte, bevor ich stolpere und jemandem direkt in die Arme fallen. «So ungeschickt kenne ich dich ja gar nicht», zieht mich Loki auf und meine Wangen verfärben sich peinlich berührt rot. «Tut mir leid. Ich kann in diesen Schuhen nur nicht laufen», entschuldige ich mich und blicke zu ihm auf. Seine Augen weiten sich – genau wie meine – vor Staunen.

Er trägt eine schwarze Hose und dazu ein tannengrünes Hemd. Die schwarzen Lackschuhe glänzen leicht im Licht. Seine pechschwarzen Haare hat er elegant zurückgekämmt. «Du siehst bezaubernd aus, Raven», flüstert er mir ins Ohr und lässt mich damit erneut erröten. «Du siehst auch nicht schlecht aus...», erwidere ich etwas überfordert. Lachend hält er mir die Hand hin und fragt ganz gentlemanlike: «Wenn ich bitten dürfte?» Dabei lehnt er sich leicht nach vorne und sein Duft nach Tannennadeln umhüllt mich. Wie benebelt greife ich nach seiner Hand und lasse mich von ihm zum Fahrstuhl führen. Dabei stütz er mich ein wenig, damit ich nicht gleich wieder hinfalle. Als wir ihn endlich erreicht haben und einsteigen, kann ich mich bereits etwas besser fortbewegen, doch ich weiss schon jetzt, dass ich solche Schuhe, nie wieder freiwillig anziehen werde.

Schweigend warten wir, bis wir in der gewünschten Etage ankommen sind. Sobald sich die Türen öffnen, dringt Lärm an meine empfindlichen Ohren und lässt mich überrumpelt erstarren. Es sind mehr Leute da, als ich erwarte hatte. Genau genommen sind mir viel zu viele Leute da. Ganz im Gegensatz zu meinen Erwartungen sind nicht nur alle Avengers da, sondern mindestens nochmals so viele Fremde. Hilfesuchend blicke ich zu Loki, der mich aufmunternd anlächelt und dann sanft aus dem Fahrstuhl zieht. Mit leicht zittrigen Beinen folge ich ihm. Viele der Männer werfen mir Blicke zu und ich merke, wie ich unruhig werde. Einige von ihnen sind bereits etwas angetrunken. Alte Ängste kommen hoch.

Gehetzt lasse ich meinen Blick über die Menschenmenge schweifen, bis ich endlich gefunden habe wonach ich suchte. Mit einem entschuldigenden Blick verabschiede ich mich von Loki und husche eilig auf die gesuchte Person zu. Schutzsuchend stelle ich mich neben Bucky, der sofort versteht, beschützend einen Arm um mich legt und den Männern, die mich lüstern anstarren, einen bösen Blick zuwirft. Eilig schauen sie weg oder entfernen sich sogar. Steve blickt uns verwirrt an, doch Buck schüttelt bloss den Kopf.

Eine Weile bleibe ich einfach bei ihm stehen. Mit meinen Gedanken bin ich bei den Zwillingen und frage mich, wo sie sich wohl gerade befinden und was sie gerade machen. Irgendwie vermisse ich die beiden... Sie scheinen nett zu sein und ich hoffe ich werde sie mal wieder sehen, auch wenn ich dies nicht wirklich bezweifle. Als ich wieder ins hier und jetzt zurückkehre, bemerke ich, dass Bucky nicht mehr neben mir steht. Hastig suche ich den Raum nach ihm ab, doch ich kann ihn nirgends ausmachen. Vermutlich wurde ihm, dass alles ebenfalls etwas zu viel und er hat die Party verlassen.

Ich will gerade dasselbe machen, als mich eine kühle Hand am Handgelenk festhält. Reflexartig halte ich der Person, die hinter mir steht, den Dolch, den ich mit einer Schnalle an meinem Oberschenkel befestigt und unter dem Kleid versteckt habe, an den Hals. Als ich Loki erkenne, lasse ich das Messer sinken und murmle hastig eine Entschuldigung, bevor ich mich wieder umdrehe und davonschleiche. In einer ruhigen Ecke bleibe ich endlich stehen und entscheide mich dazu, das Ganze erst einmal von hieraus zu beobachten. Nach wenigen Minuten gesellt sich Loki zu mir.

«Tut mir leid wegen vorhin. War alles bloss grad ein bisschen zu viel...», erkläre ich ihm mit erschöpfter Stimme. «Schon in Ordnung», erwidert er schlicht und beobachtet mit mir schweigend die vielen Leute. «Was ist mit dir?», frage ich ihn schliesslich. «Naja. Abgesehen von dem Getuschel und den bösen Blicken, ist die Party gar nicht so schlecht», witzelt er mit einem schiefen Lächeln. «Das tut mir leid...», flüstere ich.

Nach ein paar Stunden, in denen ich still in der Ecke stehen blieb, sind die meisten dann endlich gegangen. Loki steht noch immer neben mir. Nur ab und zu ist er kurz in der Menge verschwunden, nur um gleich darauf wieder zu mir zurückzukommen. Wir schwiegen die ganze Zeit, aber es war kein unangenehmes Schweigen. Ganz im Gegenteil. Wir beide genossen einfach die Anwesenheit, der jeweils anderen Person und beobachteten aus sicherer Entfernung das rege Treiben.

Als dann endlich nur noch die Avengers da sind, und Steve kurz verschwindet und gleich darauf mit Bucky zurückkehrt, wagen wir uns langsam aus unserem Versteck. Sofort setze ich mich vor Bucky, der es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht hat, auf den Boden. Auch die anderen versammeln sich und plaudern entspannt zusammen. Jetzt kann auch ich mich wieder etwas beruhigen und meine angespannte Haltung ablegen. Zufrieden lächelnd lausche ich den Gesprächen, meiner Freunde. Meiner Familie.

Shadow and Ice: Die Vergangenheit als Begleiter  (Loki ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt