Shadow and Ice: Die Vergangenheit als Begleiter (Loki ff)

20. Asgard

Pov. Raven:

Blinzelnd öffne ich meine Augen und rekle mich müde. Ich habe noch immer meinen Albtraum vor Augen, auch wenn dieser, im Vergleich zu denen, die ich sonst habe, rein gar nichts war. Verschlafen schleiche ich aus der Nische und blicke mich suchend um. Erleichtert entdecke ich Loki, der an einen Baum angelehnt dasitzt und aufmerksam die Umgebung betrachtet.

Grinsend schaut er zu mir und fragt belustigt: «Na, gut geschlafen?» Ich zucke nur mit den Schultern. «Geht...», murmle ich und sehe wieder Bucky vor mir, wie er mit leerem Blick und in Blut getränkt zu meinen Füssen liegt, während ich verzweifelt versuche ihn wiederzubeleben. Jedes Mal, wenn ich nicht direkt von Hydra Träume, sehe ich ihn sterben. Und jedes Mal auf eine andere und noch grausamere Art und Weise.

Zügig kommt Loki zu mir und umarmt mich. Es fühlt sich noch etwas seltsam an, doch gleichzeitig gibt mir seine Nähe Sicherheit und dieses wohlig-warme Gefühl im Bauch, welches ich noch nicht benennen kann.

Gerade als er mich wieder loslassen will, sind wir plötzlich von strahlenden Farben umgeben und scheinen in den Himmel gesogen zu werden. Ängstlich klammere ich mich an Loki fest und bete, dass es nicht Hydra ist. Kaum einen Herzschlag später haben wir wieder festen Boden unter unseren Füssen, doch als ich mich umsehe, muss ich erschrocken feststellen, dass wir uns keineswegs mehr in dem schützenden, grünen Wald befinden. Stattdessen stehen wir in einer goldenen Kugel, in dessen Mitte eine Art Sockel steht und ein ebenfalls goldenes Schwert steckt. Als ein grosser Mann mit hellen, auch fast goldenen Augen, das Schwert mit einem metallenen Schaben aus dem Sockel hebt, ziehe ich angriffsbereit einen Dolch hervor.

Gerade als ich mich auf ihn stürzen will, hält Loki mich am Arm fest und sieht mir durchdringen in die Augen. «Nicht...», formt er stumm mit seinen Lippen. Dann dreht er sich zu dem Mann und grüsst ihn etwas steif: «Heimdall.» Heimdall, der Name kommt mir bekannt vor. Und dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Wir sind in Asgard!

Jetzt erinnere ich mich wieder an Lokis Erzählungen und Zeichnung. Das hier ist muss der Bifröst sein.

«Loki. Raven», begrüsst uns Heimdall ebenfalls, wobei ich leicht zusammenzucke, als er meinen Namen nennt. Von Loki erhalte ich einen kritischen Blick. Stimmt, ich habe ihm meinen richtigen Namen noch nicht verraten.

Ich werde jedoch abgelenkt, als mit trampelnden Schritten mehrere Männer – ich nehme an, irgendwelche Wachen – angestürmt kommen. Sofort ziehe ich wieder den Dolch und spanne mich an. Loki stellt sich jedoch auch dieses Mal schützend vor mich und bittet mich leise, nichts zu unternehmen. Beim Anblick der vielen Männer beginne ich leicht zu zittern, doch ich reisse mich zusammen und schalte meine Gefühle gänzlich aus. Kurzerhand entschliesse ich mich dazu Loki zu vertrauen.

Ohne ein Wimpernzucken, lasse ich mich von den Wachen in Ketten legen. Durch diese, laut klirrend, werden Loki und ich über die Regenbogenbrücke weggeführt. Der Anblick von Asgard ist wahrlich atemberaubend, doch ich zwinge mich dazu, nicht darauf zu achten und meine kalte Maske aufrecht zu erhalten. Durch Jahre lange Übung gelingt mir dies hervorragend. Auch als wir in den prunkvollen und wie anscheinend alles in Asgard, vergoldeten Saal geführt werden, bleiben meine Gesichtszüge emotionslos. Ein kurzer Seitenblick auf Loki, zeigt mir, dass auch er seine Emotionen gut unter Verschluss hat. Am Ansatz der flachen Treppe, die zu einem mächtigen Thron führt, auf dem ein bärtiger Mann sitzt, bleiben wir stehen.

Eine sanfte Stimme lässt mich zur Seite blicken. «Loki...», haucht eine hübsche Frau mit hellen Haaren. «Hallo Mutter», erwidert Loki zu meinem Erstaunen, «Erfülle ich dich mit Stolz?» Seine Worte schmerzen mich. Sehnt er sich tatsächlich so sehr nach einem Lob, dass er sogar, die Erde übernehmen wollte? «Bitte, mach es nicht noch schlimmer...», bittet seine Mutter ihn, woraufhin er mit bissigem Unterton zurückgibt: «Definiere Schlimmer.»