work harder

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Am späten Vormittag des nächsten Tages verließ Marissa die Mühle, einen Esel neben sich, voll gepackt mit allen möglichen Sorten Mehl. Sie hatte gleich ein bisschen mehr genommen, als sie für den nächsten Tag brauchen würden. Sicherlich würde es nicht schaden, schon mal etwas mehr da zu haben, sollten sie wirklich einen größeren Auftrag von der Familie Madrigal erhalten. 

Sie wagte zu behaupten, dass heute ein recht guter Tag war. Kaum eine Wolke war am Himmel zu sehen und sie genoss jeden einzelnen Sonnenstrahl. Wie jeder im Dorf, so wusste auch sie, dass sich das Wetter recht schnell ändern konnte. Heute trug sie ein weißes weites Hemd, welches in einer hellbrauen weiten Hose steckte, drüber eine weiße Schürze. Zwar sah sie so nicht sonderlich weiblich aus, aber es war praktisch für ihre Arbeit und mehr zählte momentan auch nicht. 

Zusammen mit dem treuen Vierbeiner an ihrer Seite lief sie durchs Dorf. Hier und da grüßte sie freundlich einige der Bewohner. Wenn sie so darüber nach dachte, war sie eigentlich ganz glücklich hier. Sie hatte eine Familie, einen Job und Freunde. Was brauchte sie schon mehr?

In der Nähe des Marktplatzes sah sie Sofia Madrigal, die gerade aus einem der Häuser trat. Lächelnd winkte sie ihr zu, was ebenso freundlich erwidert würde. Die Schwangere kam zu ihr herüber. "Hola, Marissa. Wie geht es dir? Ich habe dich gestern gar nicht mehr gesehen. Was gestern Abend geschehen ist..."

"Schon ok.", sagte die Brünette schnell und strich sich ihre kinnlangen Haare hinter die Ohren. Wenn sie eins nicht wollte, dann ausgerechnet darüber sprechen.

Skeptisch sah Sofia sie an. "Camilo kann manchmal wirklich..."

"Ist wirklich ok.", unterbracht Marissa sie wieder und hoffte inständig, dass sie es dabei belassen würde. Sie selbst machte sich mittlerweile gar keine Gedanken mehr darüber, wenn der junge Lockenkopf irgendetwas sagte, was sie verletzen könnte. Sie war ja selbst auch nicht besser. Und irgendwie war es ja auch zu Gewohnheit zwischen ihnen geworden.

Vorerst schien Sofia es jedoch verstanden zu haben und sagte dazu nichts mehr. Insgeheim nahm sie sich aber vor, vielleicht zuerst mit ihrem besten Freund darüber zu reden. "Naja gut, ich muss dann auch erstmal weiter. Ich habe noch ein paar Hausbesuche vor mir.", sagte sie lächelnd.

"Oh, du arbeitest wieder?", fragte Marissa, dankbar dafür, ein anderes Thema zu haben.

"Ja, zumindest taste ich mich langsam wieder ran.", entgegnete die schwangere Schwarzhaarige und verabschiedete sich, als sie Señora Estevez aus einem anderen Haus kommen sahen.

Marissa setzte ihren Weg fort und es dauerte nicht mehr lange, eh sie Zuhause an kam. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen lud sie das Mehl ab und brachte es in die Vorratskammer. In dem Haus befanden sich unten die Backstube, die Vorratskammer und ein kleiner netter Eingangsbereich, wo sich die Dorfbewohner ihre fertigen Waren abholten, und oben der Wohnbereich der Familie mit noch einer kleinen Küche. Ihr ganzes Leben lang hatte sie bis jetzt hier gelebt und hatte nicht vor, daran jemals etwas zu ändern. 

Marissa betrat die Backstube, wo ihr Vater bereits fleißig einige Brote im Ofen kontrollierte.

"Hola, Papá.", sagte sie und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. "Alles in Ordnung?", fragte sie, als sie zusah, wie er zittrig den Brotschieber an die Seite legte.

"Natürlich, Ratoncito.", sagte er und straffte die Schulter, während er an ihr vorbei lief. Doch sie war nicht wirklich überzeugt. Vielleicht lag es ja an der Hitze, die hier herrschte. Aber war das wirklich alles? 

"Ich geh schon einmal das Mittagessen vorbereiten.", sagte sie nur und ging nach oben. 

Schnell war dort alles für ein paar Arepas zusammengesucht. Maismehl, Wasser, etwas Salz. Alles landete zusammen in einer Schüssel und wurde gewissenhaft verknetet. Während sie ein Feuer machte, um den Ofen anzuheizen, dachte sie an die bevorstehende Hochzeit von Dolores. Sie selbst konnte sich nicht vorstellen, eines Tages einmal selbst vor dem Altar zu stehen. Nicht, dass sie einen Freund oder dergleichen hätte, der dafür überhaupt in Frage kommen würde. Nein, es war viel mehr der Gedanke daran, dabei im Mittelpunkt zu stehen. Unzählige Menschen die sie dabei beobachteten. Schon allein bei dem Gedanken daran graute es sie. 

Ein lautes Poltern riss sie aus ihren Gedanken und sie rannte nach unten in die Backstube. Kurz blieb sie geschockt stehen, als sie das Chaos sah. Auf dem Boden lagen die frisch gebackenen Brote, ein großes Holzbrett und Unmengen Mehl überall verteilt. Ihr Vater stand daneben und stützte sich am Tisch ab.

"Was ist passiert?", fragte sie und eilte zu ihm, machte einen großen Schritt über die Brote. 

Ihr Vater sah ziemlich verwirrt aus, als er sie anblickte. "Ich... hab es anscheinend nicht richtig auf den Tisch gelegt...", brummte er nur vor sich hin und versuchte sich wieder gerade hin zu stellen. Marissa jedoch bemerkte, dass irgendetwas ganz und gar nicht stimmte. 

"Komm, setz dich erstmal." Sie nahm seinen Arm und wollte ihn stützend zu einem Stuhl an der Seite führen. 

"Ich muss mich nicht setzen. Es ist alles in Ordnung." Er schien ein wenig wütend darüber zu sein. Vermutlich dachte er, dass sie ihn für alt und schwach hielt. Doch sowas würde sie niemals sagen. 

"Das Essen ist eh gleich fertig. Komm doch mit hoch und iss erstmal. Ich räume dann hier auf.", versuchte sie ihn umzustimmen und dazu zu bringen, sich erst einmal auszuruhen. Und anscheinend klappte es, denn er nickte und zusammen gingen sie nach oben.

Dort machte sie die Arepas erstmal fertig und stellte ein paar davon schließlich vor ihren Vater auf den Tisch. Als er anfing zu essen, ging sie wieder runter und fing an, das Chaos zu beseitigen. Kurz spielte sie mit dem Gedanken, ob sie vielleicht Julieta bitten sollte, sich ihren Papá einmal an zu schauen. Eventuell konnte sie ihm ja irgendwie helfen. Doch sie war sich sehr wohl darüber bewusst, dass er es nicht wollen würde. Schon immer wollte er niemanden zur Last fallen. Und so verwarf sie den Gedanken daran wieder. Vermutlich musste er sich einfach nur mal ein paar Tage Ruhe gönnen.

Und wenn das hieß, dass sie noch härter arbeiten musste, um ihn zu entlasten, dann würde sie das tun. 




Nuestro milagro, Unser Wunder (Camilo xOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt