Zwischen Hilfe und Verkupplung

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POV Camilo

Camilo wurde von Mirabels liebreizender Stimme geweckt. Genervt warf er ein Kissen nach ihr, doch im Halbschlaf traf er lediglich einen der vielen Spiegel im Raum.

"Aufstehen!!! Es ist ein wunderschöner guter Morgen!", zwitscherte sie und tänzelte zum nächsten Zimmer. Er liebte seine Cousine, so sehr wie jeden aus seiner Familie. Aber in solchen Momenten... Arghhhh.

Camilo kullerte sich aus dem kreisrunden Bett in der Mitte des Raumes und stand auf. Wenn er sich beeilt, konnte er sich schonmal in Ruhe was zum Frühstück holen. In der Küche runzelte er verwirrt die Stirn, als der seiner Mutter dabei zu sah, wie diese mehr schlecht als recht das Frühstück zubereitete.

"Wo ist Tía?", fragte er und biss in eine leicht verbrannte Arepa. Und bereute es sofort. Die waren definitiv nicht von seiner Tante zubereitet wurden.

"Der alte Bäcker ist heute morgen zusammengebrochen. Julieta ist gerade da, um nach ihm zu schauen.", erklärte Pepa und bereitete Kaffee vor.

"Marissas Vater?" Pepa nickte. "Was ist passiert?", fragte er und legte die angebissene Arepa beiseite.

"Ich weiß es nicht. Ein Junge aus dem Dorf kam gegen vier angerannt und meinte, sie bräuchten Hilfe.", entgegnete sie und über ihr bildete sich eine kleine Wolke. Aber nicht nur sie war besorgt, auch der Lockenkopf machte sich so seine Gedanken. Doch nicht über Marissa, oder ihren Vater. Da war er sich sicher, dass seine Tante das mit ihrer Gabe schon wieder hin bekommen würde. Ihm bereitete eher Sorgen, was seine Mutter da auf dem Herd anrührte.

"Ich geh Abuela holen, vielleicht kann sie was davon retten.", meinte er und zog eine Augenbraue hoch.

"Willst du damit sagen, dass ich nicht kochen kann?" Die Wolke über Pepas Kopf wurde ein wenig dunkler.

Camilo grinste. "Du hast doch noch nie wirklich gekocht. Das hat immer Tía Julieta übernommen." Grade noch so konnte er ihrer Hand ausweichen, die auf seinen Hinterkopf zielte.

"Als du klein warst, habe ich sehr oft gekocht!"

Camilo schluckte und erinnerte sich an jene grausame Zeit. Seine Mamá hatte damals wirklich keinem damit einen Gefallen getan. Schnell rannte er aus der Küche und suchte seine Abuela. Niemand wollte schließlich vergiftet werden, wenn Julieta nicht in der Nähe war.

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Nach dem recht späten Frühstück, stand Camilo in der Küche und kümmerte sich um den Abwasch. Seine Gedanken kreisten nur um eine einzige Person. Marissa.

Julieta kam kurz während des Essens zurück nach Hause, um sich noch ein paar Dinge zu holen. Jeder wollte natürlich wissen, wie es dem alten Bäcker geht. Doch Julietas Gesicht allein sprach Bände, noch bevor sie antwortete. Marissas Vater war am Morgen in der Backstube gestürzt und hatte sich eine große Platzwunde zugezogen. Zwar konnte sie diese recht schnell heilen, doch gegen die Hauptursache, das Alter, hatte auch sie kein Rezept. Damit war sie auch wieder zurück gegangen.

Camilo dachte darüber nach, wie sich Marissa jetzt fühlen musste, auch wenn es für ihn nur schwer nachzuvollziehen war. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sie zu besuchen, doch schüttelte ihn wieder ab. Sie würde ihn sicher nicht sehen wollen. 

Hinter ihm kam Abuela in die Küche. Sie sagte erst nichts, sondern stellte sich einfach nur mit einem sauberen Tuch neben ihn und fing an, das Geschirr zu trocknen. 

"Die arme Señorita Reyes.", fing Alma an und legte einen Teller auf die Arbeitsfläche, welcher sofort von Casita weg geräumt wurde. "Es lässt ihr Bruder sie allein, dann muss sie sich auch noch um ihren Vater und dessen Bäckerei kümmern." Sie seufzte. "Für so ein junges Ding doch fast unmöglich."

"Du hast drei Kinder groß gezogen.", wandte Camilo ein und reichte ihr einen nassen Teller. "Und dabei geholfen, das halbe Dorf aufzubauen. Nebenbei."

Abuela nickte. "Ja, das habe ich. Und er war ein harter, langer Weg.", sagte sie und schüttelte den Kopf. "Wenn sie doch nur einen Mann hätte, der ihr helfen würde. Gerade jetzt, wo es ihrem Vater so schlecht geht, kann sie doch nicht überall gleichzeitig sein. Gegenseitige Unterstützung kann Wunder bewirken, Milo." 

Irritiert horchte Camilo auf. Ihre Stimme hatte einen merkwürdigen Unterton angenommen, den er in der Vergangenheit schon ein paar mal gehört hatte. Immer wenn.... "Oh nein, Abuela!", warf er prompt ein, als es ihm klar wurde. "Zwischen uns ist nichts. Und wird es auch nicht sein."

Sanft schüttelte sie den Kopf. "Es wäre so gut für das Enc-"

"Keine Verkupplungsversuche, Abuela! Du hast versprochen dich, nach dem was mit Isabela und Mariano war, aus solchen Dingen raus zu halten.", unterbrach er sie sofort. Woher er plötzlich den Mut nahm, so mit ihr zu reden, wusste er selbst nicht so genau. 

Die Ältere hob schmunzelnd die Hände. "Schon gut, schon gut. Ab sofort halte ich mich wirklich raus."

Camilo nickte zufrieden und wandte sich wieder dem Waschbecken zu. Bis ihm etwas an ihrer Wortwahl auffiel. Sofort drehte er sich wieder in ihre Richtung. "Was meinst du mit 'Ab Sofort'?" Abuela antwortete nicht darauf, sondern tat so, als hätte sie ihn nicht gehört. Doch eigentlich konnte er sich schon denken, was sie meinte. "Die Hochzeit von Bruno und Sofia...." Ja, es machte Klick. 

"Sie hätten früher oder später sowieso zu einander gefunden.", meinte sie und zuckte mit den Schultern. "Ich hab ihnen nur einen kleinen Schubs gegeben."

Fassungslos sah der Lockenkopf seine Abuela an. Er konnte es einfach nicht glauben. 

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Am Abend lag Camilo in seinem Bett und starrte in den Spiegel, der an der Decke hing. Ohne es zu wollen, dachte er über die Worte seiner Abuela nach. Auf der einen Seite musste er ihr Recht geben. Also nicht, was Marissa und ihn als Paar betraf. Das stand definitiv außer Frage. Sondern, dass sie es allein nicht lange schaffen würde. Natürlich würde sie es versuchen und er war sich sicher, dass sie dabei alles geben würde. Aber sich um ihren Vater kümmern und gleichzeitig ein Geschäft betreiben, welches das halbe Dorf versorgte? Allein unmöglich. 

Er dachte darüber nach, wie er ihr helfen konnte. Wie seine Familie ihr helfen konnte. Zumindest, bis eine bessere Lösung gefunden wurde. Auf jeden Fall müsste er mit Bruno reden, vielleicht konnte dieser durch seine Visionen heraus finden, wo sich ihr Bruder in der nächsten Zeit aufhielt. Egal wie, aber Alejo musste zurück kommen. Sicherlich konnte er auch mit seiner Mamá und Tía Julieta reden, was Hilfe bei der Betreuung ihres Vaters betraf. Oder dabei, einige Aufträge der Bäckerei zu übernehmen. Sicher würde sich auch jemand finden, der beim Ausliefern der Ware hilft. 

Camilo lächelte und schmiedete weiter Pläne. Bis er schließlich einschlief.


Nuestro milagro, Unser Wunder (Camilo xOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt