Ein kleiner Einbruch

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Marissa brachte den Madrigal nach oben und setzte ihn auf einen Stuhl. Danach stemmte sie die Hände in die Hüfte und atmete einmal tief durch. Was machte sie jetzt nur mit ihm? Die Idee, ihn mitzunehmen war im Eifer der Situation entstanden, doch so wirklich durchdacht hatte sie das nicht. Wie sollte sie sich um ihn kümmern, wenn sie ihn ja noch nicht einmal leiden konnte?

"Okay, ähm... ich geb kurz Papá Bescheid, dann schauen wir mal, dass wir dir was Frisches zum Anziehen besorgen.", murmelte sie, mehr zu sich als zu ihm, und ließ ihn auch schon allein.

Ihren Vater fand sie ihn der Backstube. Anscheinend hatte er von dem Vorfall draußen nichts mit bekommen, denn er schien mehr als überrascht. Soweit war es für ihn auch kein Problem, dass Camilo erstmal kurz hier war, zumindest solange der Anstand gewahrt blieb. Marissa quittierte das nur mit einem Augenrollen.

Als sie wieder nach oben wollte, kam ihr auf der Treppe ihr Bruder entgegen. Zuerst dachte sie sich nichts dabei, doch das dauerte vielleicht zwei Sekunden, dann drehte sie sich noch auf der Treppe um und eilte hinterher.

"Was hast du vor?", fragte sie leise und zog ihn an der Schulter zurück, bevor ihr Papá aus der Backstube einen Blick erhaschen konnte.

"Nichts, nur zu meinen Freunden.", kam es flüsternd von ihm und er konnte grad noch so ausweichen, als Marissa ihm eine scheuern wollte.

"Alejo hat schon vor Tagen das Encanto verlassen. Was also soll das, Camilo?"

Da seine Deckung aufgeflogen ist, verwandelte er sich zurück und verdrehte die Augen. "Ich knöpf mir den Typen vor, was denkst du denn?", fauchte er und warf dann einen Blick auf ihre Hand, die ihn immer noch fest hielt. "Das heißt, wenn du dann mal deine Finger von mir lassen kannst."

Nur schwer konnte sie den Drang unterdrücken, ihre Hand sofort weg zu ziehen, als hätte sie sich verbrannt. "Werde ich nicht.", sagte sie. "Nicht wenn das heißt, dass du so unvernünftig bist."

Er lachte freudlos auf. "Sofia ist meine beste Freundin und so gesehen meine Tante. Der Typ muss einfach dafür bezahlen.", sagte er und wollte sich los reißen.

"Und du denkst, damit hilfst du ihr?", fragte die Brünette und schüttelte den Kopf. "Du bist ein Dummkopf, Madrigal, ja, aber so bescheuert kannst selbst du nicht sein."

Ohne ein Wort darauf zu erwidern, riss Camilo sich los und stürmte nach draußen. Marissa hoffte wirklich inständig, dass er jetzt nichts Dummes tat.

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Das Geschehene verbreitete sich im Laufe des Tages im ganzen Dorf. Nach Manuel Ruiz wurde natürlich sofort gesucht und es dauerte nicht lange, da griff man ihm im umliegenden Wald auf, wo er versuchte sich zu verstecken.  Jetzt wurde er festgehalten, bis entschieden wurde, was mit ihm geschehen sollte. Natürlich stritt er alles ab, angeblich hatte er seit Monaten weder Kontakt zu Sofia gehabt, noch sie gesehen. Angeblich wäre es ihm auch völlig egal, was mit ihr ist.

Am Abend lief Marissa gerade von der Mühle aus nach Hause. Sie hatte gerade die Bestellung für die nächsten Tage noch schnell abgegeben. Jetzt musste sie nur noch auf den schnellsten Weg nach Hause, wenn sie nicht nass werden wollte. Den ganzen Tag über bedeckten pechschwarze Wolken den Himmel und immer wieder hörte man Donnergrollen. Pepas Gemütszustand war jedoch für jeden durchaus nachvollziehbar.

Im Dorf war es bereits ruhig geworden und die meisten Einwohner hatten sich nach Hause zurück gezogen. In den Fenstern sah man Kerzenschein und hin und wieder hörte man die Leute reden und lachen, wenn Marissa an den Häusern vorbei ging.

Sie lief durch eine schmale Straße, immer wieder einen Blick Richtung Himmel werfend, als sie an einer Gasse vorbei lief. Eine kleine Gestalt huschte durch die Schatten und zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Kurz überlegte sie, ob es eine gute Idee wäre... da war sie auch schon los gelaufen, um nach zu sehen, was da vor sich ging. Sie war ja nun keineswegs neugierig.... aber nach den Geschehnissen des heutigen Tages, war alles irgendwie verdächtig.

Nuestro milagro, Unser Wunder (Camilo xOC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt