Kapitel 3

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»So da wären wir also«, sagte Shiori und lächelte, als sie die kleine Hütte sah, in welcher sie mit ihrem Großvater lebte. »Wie Ihr seht hat es wirklich nicht sehr lange gedauert bis wir hier sind und-« Weiter kam sie nicht. Denn genau in diesem Moment hörte sie, wie etwas auf den Boden fiel. Oder besser jemand. Wie sie feststellte, war der Auslöser von dem Geräusch niemand anderes als Akiyoshi, der aus dem Sattel stürzte. Hastig sprang Shiori vom Rücken ihres Pferdes.
»Akiyoshi-sama!« Sie spürte wie Panik in ihr aufstieg und ihr die Kehle zusammenschnürte. So, als ob ihr jemand einen Strick um den Hals legte und diesen jetzt langsam zu zog. »Wir haben es fast geschafft. Also bitte... Bitte haltet noch die paar Minuten durch, ja?«
»Shiori ...« Sehr zu ihrem Schreck klang seine Stimme gebrochen.
»Ja. Ja ich bin hier.« Sie konnte sich gar nicht erklären, warum es sie so traf, dass es ihm so schlecht ging. Immerhin hatte sie ihn heute zum allerersten Mal gesehen. Doch darüber nachzudenken war jetzt nicht die richtige Zeit. Was viel wichtiger war, war dass sie ...

»Shiori!«
Sie war selbst überrascht, wie erleichtert sie sich fühlte, als sie die Stimme ihrer besten Freundin hörte. So, als fiele eine Last von ihren Schultern. Sie winkte ihr kurz zu. »Hallo Rin.«
Rin sah erst zu Shiori, dann zu Akiyoshi. »Was ist denn hier los?«
 »Das weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht so genau«, entgegnete Shiori. »Ich habe ihn schwer verletzt im Wald gefunden und-«
 »Dann gedacht, dass du ihn am besten hierher mitbringst«, beendete Rin den Satz für sie. »Du bist wirklich zu gut für die Welt.«
 »Ach komm schon! Hättest du ihn denn einfach so liegen gelassen?«, erkundigte Shiori sich bei ihrer Freundin. »Wohl kaum, oder?«
 Rin zuckte mit den Schultern. »Kann sein. Fremde bringen nur Ärger. Das solltest gerade du am besten wissen.«
Shiori seufzte. »Wie auch immer. Würdest du mir jetzt bitte helfen, ihn zu rein zu meinem Großvater zu bringen. Hier draußen kann er jedenfalls nicht bleiben.«

»Was ist denn hier los?«, war das Erste, womit Shiori von ihrem Großvater begrüßt wurde. »Hab ich was verpasst?« Als er Rin entdeckte, lächelte er. »Rin-kun, es ist schon eine Weile her, nicht wahr?«
 Rin nickte. »Stimmt.«
  »Du musst unbedingt mal wieder öfter vorbei kommen. Hier bist du immer willkommen.«
 »Ja, gerne.« Auch Rin lächelte jetzt.
 »Ich störe eure Unterhaltung nur ungern, doch könnten wir uns bitte wieder um das Wichtigste hier kümmern?«, meldete Shiori sich ungeduldig zu Wort.
  »Ich sehe nicht wirklich, warum ein Fremder jetzt am wichtigsten sein soll«, antwortete ihr Großvater brüsk. »Und wie es scheint, ist er auch noch ein Samurai. Dir ist klar, dass das für Ärger sorgen wird, oder?«
 »Sagst du nicht immer selbst, dass auch du immer noch ein Samurai bist?«, fragte Shiori leicht verärgert. »Und das obwohl du keinen Dienstherr hast.«

»Vorsicht junge Dame.« Ihr Großvater hob drohend den Zeigefinger. Dann seufzte er. »Also gut. Lasst ihn uns dort vorne auf den Futon legen.« Er sah Shiori an. »Weißt du was passiert ist?«
 »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Abgesehen davon, dass sein Name Hasegawa Akiyoshi ist und er aus Mikawa kommt, weiß ich nichts. Aber so, wie er aussieht, ist es offensichtlich, dass er überfallen wurde, oder nicht?« Sie wusste, dass sarkastisch klang, doch das war ihr egal.
 »Das ist nicht viel«, meinte ihr Großvater. »Aber wenigstens besser als nichts. Und da wir gerade von Mikawa sprechen, ich habe gehört, dass sich da in letzter Zeit einiges getan hat.«
 »Inwiefern?«, wollte Shiori wissen. Es freute sie, zu hören, was woanders passierte. Vor allem weil hier in ihrem Dorf, was schon fast eine Übertreibung darstellte, sonst nichts Beachtenswertes geschah. Im Gegenteil. Das Aufregendeste in diesem Jahr woran sie sich erinnerte, war, dass die Ziegen ihres Nachbarn entlaufen waren. Es hatte eine Ewigkeit und viele Helfer gebraucht, um sie endlich wieder einzufangen. Das war im Januar und schon zwei Monate her.
 »Jetzt sei mal nicht so neugierig«, tadelte ihr Großvater sie.
  Shiori konnte längst gar nicht mehr zählen, wie oft sie diesen Satz in ihrem Leben gehört hatte. Gefühlt jeden Tag seit sie bei ihm lebte. So kam es ihr jedenfalls vor.
 »Du scheinst auch schon etwas Vorarbeit geleistet, wie ich sehe«, meinte ihr Großvater, nachdem sie Akiyoshi auf den Futon legten. »Den Knöterich dazu zu benutzen, um mögliche Entzündungen vorzubeugen war eine gute Idee.«
 »Der wächst ja sowieso überall«, meinte Shiori und zuckte mit den Schultern. »Also kein Kunststück.« Sie kniete sich neben Akiyoshi und befühlte seine Stirn. Erschrocken zog sie ihre Hand zurück. Es fühlte sich an, als würde er am ganzen Körper brennen. »Rin-chan, da drüben liegen Tücher. Kannst du sie draußen befeuchten und mir dann bringen? Das wäre ganz toll.«
Rin nickte eifrig. »Klar, warte kurz. Dauert nicht lang. Zum Glück habt ihr ja direkt einen Brunnen vor der Tür.« Sie holte die Tücher und eilte damit nach draußen.

»Shiori ...«
Shiori drehte sich wieder zu Akiyoshi um, als sie ihn ihren Namen murmeln hörte. »Macht Euch bitte keine Sorgen Akiyoshi-sama. Ich bin hier. Mein Großvater und ich werden Euch schon wieder auf die Beine bringen.«
 »Ich muss-«, setzte Akiyoshi an, doch weiter kam er nicht.
 »Gesund werden«, fiel ihr Großvater ihm ins Wort. »Alles weitere können wir besprechen wenn ihr wieder gesund seid. Und jetzt versucht zu schlafen.«


Der letzte Gruss des SamuraiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt