Akiyoshi wusste nicht, was er von Kazu halten sollte. In einem Moment erschien er ihm vernünftig zu sein, dann im anderen wie jemand, der ihm am liebsten ein Dolch in den Rücken stoßen wollte. Diese schlechte Meinung, die Kazu von Samurai zu haben schien, machte Akiyoshi misstrauisch. Etwas musste passiert sein, dass es dazu kam. Fragte sich nur was. Doch obwohl Kazu so mies auf Samurai und deren Lebensweise zu sprechen war, diente er Ieyasu. Das machte alles keinen Sinn, denn wenn ein Mensch den Bushido perfektioniert hatte, dann sein Meister. So viel war klar.
»Da, das ist genau das was ich meine«, knurrte Kazu. »Man bekommt nicht einmal eine Antwort auf seine Frage. Selbst wenn sie noch so einfach ist.«
Akiyoshi zwang sich dazu, ruhig durchzuatmen. »Falls es dir noch nicht aufgefallen ist: Die ganze Situation hier ist alles andere als einfach. Es lohnt sich also darüber nachzudenken anstatt alles zu überstürzen«, entgegnete er dann. »Denn wie du schon gesagt hast, eine offene Konfrontation mit den Imagawa, die womöglich über Feuerwaffen verfügen, wäre alles andere als vorteilhaft für uns.«
»Nun ich habe zumindest eine«, mischte sich jetzt Ludwijk ein. »Allerdings habe ich nicht mehr viel Munition.«
»Dann heben wir uns das erstmal als letzten Ausweg auf«, meinte Akiyoshi. »Du hast ja auch noch andere Waffen, oder?«
Ludwijk nickte. »Natürlich.«
Kazu blickte erst zu ihm, dann zurück zu Akiyoshi. »Ein Fremdländer, der Waffen trägt und sich frei hier in unserem Land bewegt. Das ist ja mal was ganz neues.«
Akiyoshi zog innerlich eine Grimasse. Ganz falsch lag Kazu damit nicht. Eigentlich war es Menschen, die keine Japaner waren verboten, sich frei durch das Land zu bewegen, wie sie es wollten. Geschweige denn, dass es ihnen erlaubt war, Waffen zu tragen.
»Nun, wie dem auch sei«, fuhr Kazu fort. »Vermutlich kommt uns dieser Umstand dennoch zu gute. Aber Wundern tu ich mich schon.« Er runzelte die Stirn. »Ich nehme an Tokugawa-dono weiß nichts davon?«
Akiyoshi zuckte mit den Schultern. »Es ist nicht so, dass wir es ihm gesagt hätten. Oder so, dass ich überhaupt damit gerechnet habe, dass mich Ludowiku begleitet«, antwortete er. »Da Tokugawa-dono jedoch über so ziemlich alles informiert ist was passiert, auf die ein oder andere Weise, kann es gut sein, dass er davon weiß. Aber sicher bin ich mir nicht.«
Zu seinem Erstaunen grinste Kazu. »Ja, das hört sich ganz nach ihm an.« Er nickte. »Aber vermutlich ist das auch besser so. Ich will mir nicht vorstellen, wie Japan ohne ihn aussehen würde.«Akiyoshi runzelte die Stirn. »Vermutlich noch unruhiger und chaotischer als es ohnehin schon ist«, überlegte er laut. »Etwas, das ich mir wirklich nicht vorstellen will.«
»Nun, dann haben wir immerhin ein bisschen was gemeinsam«, meinte Kazu. »Letztlich lässt sich aber jeder auf dieser Welt durch einen anderen ersetzen. Selbst Tokugawa-dono.«
Akiyoshi funkelte ihn wütend an. Er konnte nicht glauben, was er da gehört hatte.
»Kein Grund so zu schauen, als wolltest du mich gleich beißen, Tiger«, scherzte Kazu.
»Warum? Was du da redest ist Verrat«, knurrte Akiyoshi. »Vielleicht gehören deine Männer und du ja sogar zu dem Clan der Imagawa und-« Weiter kam er nicht.
»Wage es nicht, mich mit diesen Leuten in einen Topf zu werfen!«, herrschte Kazu ihn an. »Du hast ja keine Ahnung, von was du da überhaupt sprichst!«
»Jetzt reißt euch aber mal zusammen!«, rief Shiori, die beide ganz vergessen hatten, so laut, dass sie vor Schreck zusammenzuckten. »Streit ist jetzt wirklich fehl am Platz!«
Natürlich hatte Shiori recht, das musste Akiyoshi zugeben. Dennoch blieb ein fader Beigeschmack zurück. Denn die Leute von Kazu wirkten alles andere als vertrauenserweckend auf ihn. Nicht nur weil sie bisher kaum ein Wort mit ihnen gesprochen hatten. Dafür, dass Kazu ein Gefolgsmann seines Meisters war, hatte er ebenfalls keine Beweise. Insgesamt war alles unzufriedenstellend.Kazu, der zumindest zu einem ähnlichen Gedanken gekommen war, schnaubte missfällig. »Du hast Recht«, knurrte er. Dann wandte er sich an Akiyoshi. »Und wir beide sollten mal ein längeres Gespräch führen, sobald wir bei Hattori-san sind«, schlug er vor. »Bis dahin musst du dich auf mein Wort verlassen, dass ich Tokugawa-dono treu ergeben bin.«
»Hattori-san?«, hakte Shiori nach, der die eher vertraute Anrede nicht entgangen war. »Heißt das ihr beide kennt euch näher?«
Kazu verzog das Gesicht zu einer Grimasse, sagte aber nichts dazu.
Das musste er gar nicht. Denn auch ohne dass er das tat, war die Antwort allzu offensichtlich.
»Na schön.« Akiyoshi seufzte. »Dann reden wir, sobald wir angekommen sind. Das dürfte ohnehin nicht mehr lange dauern. Ich schätze es bei unserem jetzigem Tempo auf höchstens eine Woche.«
»Das denke ich auch«, stimmte Kazu ihm zu. »Zumindest wenn alles ohne Probleme klappt.«
»Das wird es«, stellte Akiyoshi klar. »Denn ich werde mich ganz sicher nicht von abtrünnigen Imagawa Rebellen und Ronin aufhalten lassen. Ganz egal ob sie Feuerwaffen haben oder nicht.«
Kazu grinste erneut. »Das würde mich auch wundern.« Er räusperte sich kurz. »Allerdings bin ich mir sicher, dass ich mich hier in der Gegend besser auskenne, als diese Idioten.«
Akiyoshi blickte ihn überrascht an. »Wir sollten uns wirklich unterhalten«, meinte er. »Je früher, desto besser.«
»Aber überstürzen sollten wir auch nichts«, entgegnete Kazu. »Doch glaub mir, nicht mehr lange und alles wird einen Sinn machen.«
Das wagte Akiyoshi zu bezweifeln. Stattdessen war er davon überzeugt, dass all die möglichen Antworten, die auf ihn warteten nur mehr Fragen aufwerfen würden. Das war das, was ihn die Erfahrung bisher lehrte.
»Wenn es euch beiden nicht ausmacht, wäre auch ich gerne bei diesem Gespräch dabei«, meldete sich erneut Shiori zu Wort. »Denn auch ich habe so manche Fragen, die mir bis jetzt nicht beantwortet wurden.«
»Ich weiß.« Kazu sah sie für einen Moment schuldbewusst an. »Doch auch diese müssen warten. Außerdem ist es längst nicht so, dass ich in alles eingeweiht bin, was den Drachenmann betrifft. Worüber ich auch ganz froh bin.«
»Aber du weißt etwas?«, hakte Shiori erneut nach.
»Ja.« Kazu nickte. »Allerdings nur ein wenig. Wenn jedoch schon Hashimoto-sama dir nicht alles erzählt hat, habe ich nicht das Recht dazu, das zu tun. Auch das müssen wir dann mit Hattori-san abklären.«
Was nur ein weiterer Grund ist, schnell nach Iga zu reisen, dachte Akiyoshi bei sich.
»Das ist nur ein weiterer Grund, noch schneller weiter zu reiten«, riss Shiori ihn aus seinen Gedanken. »Denn wenn ich eines wirklich nicht mag, dann ist es im Unklaren gelassen zu werden.«
Akiyoshi nickte. Er sah das genauso. Auch seiner Meinung nach gab es unter ihnen zu viele Fragen und zu wenige Antworten darauf. Was all das nicht leichter machte.
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Der letzte Gruss des Samurai
Historical FictionJapan im März 1567, Zeit der streitenden Reiche. Gerade als Akiyoshi seinen Tod akzeptiert hat, rettet die junge Shiori ihm das Leben. Obwohl er sich zu ihr hingezogen fühlt weiß Akiyoshi, seines Zeichen Samurai, dass er nun da er überlebt hat, sein...