Kapitel 16

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Shiori fühlte sich als ob ihre Beine unter ihr nachgeben und sie auf den Boden fallen würde. So sehr brachte Akiyoshis Kuss sie aus dem Konzept. Dabei hätte sie sich inzwischen daran gewöhnen müssen. Immerhin war dies nicht das erste Mal, dass sie sich küssten. Trotzdem. Das Gegenteil war der Fall. Umso erleichterter fühlte sie sich, als ihr auffiel, dass er sie im Rücken mit seiner Hand stützte. Dennoch griff sie nach Akiyoshis Haoriärmel, um sich dort festzuhalten.
  »Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich einfach so fallen lassen würde, oder doch?«, murmelte Akiyoshi amüsiert gegen ihre Lippen.
  »Nein, natürlich nicht«, entgegnete sie. »Du bist nur...« Sie suchte nach dem richtigen Wort. Doch es war verdammt schwer solche zu finden, jetzt da Akiyoshi so dicht vor ihr stand.
  »Ich bin nur – was?«, noch immer lag Belustigung in seiner Stimme.
  »Überwältigend«, brachte Shiori irgendwie hinaus und fand, dass das Wort gut beschrieb, wie sie sich fühlte.
  »Das nehme ich jetzt mal als Kompliment.« Akiyoshi grinste.
  Sie lächelte. »Das solltest du. Obwohl andererseits, ist für einen Samurai wohl nicht gut eingebildet zu sein.«
  »Was das hier betrifft, darf man eine Ausnahme machen«, entgegnete Akiyoshi und drückte ihr erneut einen Kuss auf die Lippen, der ihr den Atem nahm.
  »Du glaubst aber nicht, dass du mich so davon abhalten kannst dich zu untersuchen, oder?«, erkundigte sich Shiori bei ihm. Sie errötete, als ihr aufging, was sie da gesagt hatte.  »Entschuldige bitte. Ich weiß, dass das sich jetzt irgendwie falsch angehört hat.«
  Akiyoshi lachte auf. »Findest du?« Er grinste.
  »Ja.« Sie nickte. »Meine Frage bleibt trotzdem immer noch die gleiche.«
  »Was würdest du denn machen wenn ich sage, dass ich dich ablenken will?«, wollte er, jetzt breiter grinsend, wissen. »Habe ich Anlass mich vor dir zu fürchten?«
  »Vielleicht hast du das wirklich«, sagte sie, löste sich aus seiner Umarmung. Nur um dann einen Schritt zurückzugehen und daraufhin ihre Arme vor der Brust zu verschränken.
  Wieder lachte Akiyoshi. »Achja?«
  »Ja.« Sie funkelte ihn an, hoffend dass sie selbstbewusster wirkte, als sie sich fühlte. Aber ein kleines Stimmchen in ihrem Kopf sagte ihr, dass das Gegenteil der Fall war. Doch diesen Gedanken schob sie zur Seite. Es brachte nichts, sich etwas einzureden.
  Akiyoshi hatte jetzt aufgehört zu lachen, zog aber nun eine Augenbraue in die Höhe. »Du bestehst also darauf?«
  »Selbstverständlich.« Sie nickte entschieden, die Arme noch immer verschränkt. »Die andere Option wäre, dass du ein paar weitere Tage hierbleibst, bis alles definitiv verheilt ist. Nicht, dass mich das in irgend einer Weise stören würde.«
  Akiyoshi verdrehte die Augen. »Das glaube ich.«
  Shiori fragte sich für einen Moment, ob er damit die Küsse zwischen ihnen meinte, oder doch etwas anderes. Dann aber versuchte sie, diesen Gedanken ebenfalls beiseitezuschieben. Es spielte schließlich keine Rolle. »Also?«, fragte sie, da ihr ansonsten nichts zu sagen einfiel.
  »Ich verstehe.« Akiyoshi nickte.
  Sie war sich nicht sicher, was er genau damit meinte. Doch nachzufragen traute sie sich ebenfalls nicht. »Würdest du jetzt bitte...?«
  »Natürlich.« Akiyoshi nickte.

Nachdem Akiyoshi seinen Haori abgelegt und sein Oberteil ausgezogen hatte, atmete Shiori tief durch. Dann sah sie sich seine Wunden auf seiner Brust näher an. Die meisten waren inzwischen zu ihrer Zufriedenheit verheilt. Das sagte sie ihm auch.
  »Das freut mich«, entgegnete er und lächelte ihr zu. »Dann habe ich also deine Erlaubnis morgen weiter zu reisen?«
  »Ich würde gerne nein sagen«, meinte Shiori »aber das wäre gelogen.« Sie seufzte. »Pass bitte trotzdem auf dich auf. Du weißt, du hast es mir versprochen.«
  »Ich werde es nicht vergessen«, sagte Akiyoshi und sah sie ernst an. »Das kannst du mir glauben.«
  »Das mach ich«, versicherte sie ihm und erwiderte jetzt sein Lächeln. Mit sanften Fingern strich sie über eine der neueren Narben auf seiner Brust. »Du hast bestimmt schon oft und viele gefährliche Kämpfe gehabt, oder?«
  Akiyoshi nickte. »Das bringt das Leben eines Samurais nun einmal mit sich. Gerade wenn man diesen Meister hat.«
  »Ich versteh das schon. Große Männer leben nun einmal gefährlich, nicht wahr?« Sie konnte fühlen, wie ihr Lächeln wieder von ihren Lippen verschwand.
  »Jeder Mensch in unserem Land lebt gefährlich heutzutage. Das ist einfach eine Tatsache. Wenn dir jemand etwas anderes erzählt, lügt er. So viel ist sicher.« Er hielt ihre Hand fest. »Du musst dir trotzdem um mich keine Sorgen machen. Mein Leben gehört dir, das habe ich dir geschworen. Deshalb werde ich nicht sterben.« Sein letzter Satz klang grimmig entschlossen.
  »Du sagst das, als wäre das so selbstverständlich.« Sie konnte das Zittern in ihrer Stimme nicht länger verhindern. »Aber ich weiß, dass es das nicht ist.«
  »Shiori.« Ihre Hand, die er eben festhielt, führte er jetzt an seine Lippen.
  Niemals hatte Shiori ihren Namen mit solcher Zärtlichkeit aussprechen hören, wie er es tat. Es machte sie schwindlig. Allerdings auf die gute Art. »Dann wirst du morgen also wirklich abreisen?«
  »Ja.« Akiyoshi nickte. »Es tut mir leid.«
  »Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Das muss es nicht. Du hast es mir von Anfang an gesagt und-« Sie wollte noch etwas sagen, doch dazu kam es nicht mehr.
  »Kann mir mal jemand erklären, was hier los ist?«, fiel ihr nämlich jemand unfreundlich ins Wort.

Der letzte Gruss des SamuraiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt