Akiyoshi war sich nicht sicher, was er von Towa halten sollte. Vor allem deshalb, wegen seiner Reaktion, als er sich vorstellte. Towa wusste etwas, da war er sich sicher. Doch was konnte das sein? Er hatte absolut keine Ahnung und so leicht würde er es ihm nicht verraten.
»Woher kommt Ihr eigentlich?«, fragte Towa ihn in genau diesem Moment.
»Mikawa«, antwortete Akiyoshi. Es machte nicht aus, wenn er ihm das erzählte, oder? Shiori wusste es auch. Warum also sollte er es vor Towa geheim halten?
»Hab ich mir fast gedacht«, entgegnete dieser. »Dann habt Ihr ja schon eine lange Reise hinter Euch. Wo ist denn Euer Ziel?«
Es hörte sich an wie eine rein nebenher gestellte Frage, doch in Akiyoshi begangen Alarmglocken zu läuten. Unüberhörbar. Towa wusste etwas über ihn, da war er sich sicher und das gefiel ihm nicht. Doch wie sollte er Towa dazu bringen, ihm zu erzählen, was es war? Wohl kaum mit Gewalt.
»Ihr wart also eine Zeit lang in Kyoto, ist das richtig?«, versuchte Akiyoshi es erneut. »Wie ist es denn zurzeit so dort? Ist es sehr chaotisch?«
»Das solltet Ihr als Samurai doch eigentlich besser als ich wissen, oder nicht?«, antwortete Towa mit einer Gegenfrage und musterte ihn skeptisch. Es war deutlich erkennbar, dass er ihm nicht traute.
»Das letzte was ich von dort gehört habe ist, dass Lord Nobunaga kurz davor ist, die ganze Provinz Mino unter sich vereint zu haben«, sagte Akiyoshi. Es war keine Information, die geheim war. Im Gegenteil. Inzwischen musste es fast jeder wissen, der nicht blind oder taub war.
»Das ist richtig«, bestätigte Towa. »Es dauert nicht mehr lange, da bin ich mir sicher. Und ehrlich gesagt, fände ich das auch ganz gut. Denn ohne jemanden, der fähig ist dieses Land zu führen wird es im Chaos versinken. Lord Oda Nobunaga scheint der richtige Mann zu sein. Denkt Ihr nicht?«
Akiyoshi zuckte den Schultern. »Dass unser Land einen Führer braucht stimmt. Vor allem da wir nicht nur einen unfähigen Kaiser haben, sondern noch nicht einmal einen Shogun. Stattdessen gibt es nur viele Daimyos, die einander bekriegen.«
»Das ist wahr.« Towa nickte. »Wäre es nicht schön wenn es endlich aufhören würde mit dem Kämpfen?« Er wartete nicht auf Akiyoshis Antwort. »Ich glaube Lord Oda könnte endlich derjenige sein, der das erreicht.«
»Kann sein.« Akiyoshi musste wieder an seinen Meister denken. Er wusste, dass diesen mit Lord Oda Nobunaga etwas verband. Ob dies nun ein gutes Ende nehmen würde oder nicht, stand in den Sternen.
»Kann sein?«, wiederholte Towa ungläubig. »Ist das alles, was Ihr dazu zu sagen habt?«
»Was ich darüber denke ist ohnehin nicht von Belang«, meinte Akiyoshi. »Eines Tages wird das Kämpfen aufhören. Das ist das Wichtigste. Es hat mich nur erstaunt, dass es hier noch so ruhig ist.«
»Diese Provinz ist, anders als zum Beispiel Mino, keine strategisch wichtige, sondern quasi nur Beiwerk.« Towa lachte, doch es klang nicht glücklich. »Oh, und wenn wir ohnehin gerade dabei sind: Gibt es Neuigkeiten aus Mikawa? Ich hörte Lord Tokugawa soll ebenfalls äußerst ambitioniert sein. Wisst Ihr etwas darüber?«
»Nein«, antwortete Akiyoshi auf seine Frage vielleicht ein wenig zu schnell. »Es ist schon eine ganz Weile her, seit ich dort war. Aber ich weiß, dass er in einer Allianz mit Lord Oda ist.«
»Das habe ich auch gehört«, meinte Towa. »Aber Lord Oda hat noch diesen Bauern, der sich inzwischen als ganz nützlich erweist.«
»Ihr redet von Toyotomi, nicht wahr?«, fragte Akiyoshi. Es war mehr eine Feststellung als eine Frage.»So ist es.« Towa nickte. »Es ist doch immer wieder erstaunlich, zu was der Mensch fähig ist, solange er nur erbittert genug darum kämpft.«
»Ihr könnt Euch doch nicht beschweren. Als Sohn des Dorfvorstehers hier, dürftet Ihr doch auch eigentlich ein ganz gutes Leben haben.«
»Das habt Ihr Recht. Aber das Leben hier ist oft unerträglich langweilig«, sagte Towa. »Das hat Euch Shiori-chan sicher auch schon erzählt.«
Akiyoshi nickte. »Mehr als einmal. Doch ich bin immer noch der Meinung, dass ihr damit ganz zufrieden sein solltet.«
»Ihr könnt das leicht sagen, vor allem da Ihr ein Samurai seid«, entgegnete Towa und es klang fast vorwurfsvoll. »Für mich dagegen steht der Plan für meine Zukunft fest. Ich werde in ein paar Jahren, die Stellung meines Vaters übernehmen, ein Mädchen aus dem Dorf heiraten und lebenslang hierbleiben.«
»Das klingt doch eigentlich gar nicht so schlecht, oder?«, wollte Akiyoshi wissen. »Es gibt schlimmere Dinge, die auf einen warten könnten.«
»Das mag sein, ja.« Towa seufzte. »Aber ich würde so gerne mehr von der Welt sehen.«
»Ich auch!«, meldete sich Shiori zu Wort die, eine Teekanne in ihren Händen, zu ihnen trat. »Ich will neue Leute kennenlernen, mich mit ihnen unterhalten, neue Dinge lernen und den Menschen helfen.«
Akiyoshi lächelte, als sie ihm eine Tasse Tee eingoss. »Wisst ihr, mein eigenes Leben unterscheidet sich nicht so sehr viel von dem euren.« Er blickte Towa an. »Auch von mir wird erwartet, dass ich dem Namen meiner Familie Ehre mache. Ganz besonders jetzt, da mein älterer Bruder-« Er unterbrach sich.
»Was ist mit Eurem Bruder?«, hakte Shiori auch gleich nach.
»Nichts.« Akiyoshi schluckte hart und hoffte, dass sie es dabei bewenden ließe. Das tat sie natürlich nicht.
»Nun erzählt schon!«, forderte auch Towa ihn jetzt auf.Akiyoshis Lächeln war längst wieder von seinen Lippen verschwunden. Er nahm einen Schluck von seinem Tee und sah Shiori an. »Hast du mir vorhin nicht richtig zugehört? Ich habe dir doch davon erzählt, als ich von der Begegnung mit meinem Dienstherrn berichtet habe: Aizen, mein älterer Bruder, ist tot. Er wurde vor wenigen Monaten ermordet.«
Eine Weile sagte keiner ein Wort. Dann aber war es Shiori, die das Schweigen brach. »Habt Ihr auch deshalb so schnell zugestimmt, als Euer Dienstherr Euch darum gebeten hat?«, wollte sie wissen.
Akiyoshi nickte. »Das und weil ich es mir nicht leisten konnte ihn abzuweisen.«
»In wessen Dienst steht Ihr denn eigentlich?«, erkundigte sich Towa bei ihm. »Das habt Ihr uns noch gar nicht gesagt.«
»Mir hat Akiyoshi-sama erzählt, dass sein Dienstherr sich Yasu nennt«, erklärte Shiori. »Aber mehr weiß ich auch nicht.«
»Yasu?«, stirnrunzelnd sah Towa ihn an.
»Ja. Aber selbst das ist schon mehr, als ich eigentlich von ihm erzählen dürfte. Er hat mir befohlen, stillschweigen über seine Identität zu bewahren. Lediglich in einem Notfall ist es mir erlaubt anderen mitzuteilen wer er ist«, stellte Akiyoshi klar. »Also fragt mich bitte auch nicht mehr danach.«
»Wenn Ihr uns schon nicht das beantwortet, werdet Ihr wohl auch nicht sagen, was das Ziel Eurer Mission ist?«, riet Towa.
»So ist es«, bestätigte Akiyoshi. »Eines aber kann ich Euch versichern: Wenn es soweit ist, werde ich meinen Bruder rächen. Nichts und niemand kann mich davon abhalten das zu tun. Das schwöre ich bei meinem Namen.«
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Der letzte Gruss des Samurai
Historical FictionJapan im März 1567, Zeit der streitenden Reiche. Gerade als Akiyoshi seinen Tod akzeptiert hat, rettet die junge Shiori ihm das Leben. Obwohl er sich zu ihr hingezogen fühlt weiß Akiyoshi, seines Zeichen Samurai, dass er nun da er überlebt hat, sein...