Kapitel 21

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»Du magst sie wirklich, habe ich Recht?«, erkundigte sich Ludwijk bei Akiyoshi, nachdem Shiori einschlief. »Versuche erst gar nicht das abzustreiten. Man sieht es dir nämlich an.«
  Er seufzte und sah zu Shiori hinüber, die sich neben dem Feuer auf einer dünnen Decke zusammengerollt hatte. »Ist es wirklich so offensichtlich?«
  Ludwijk nickte. »Ist es.« Er lächelte. »Aber das ist nichts schlechtes.«
  »Doch«, widersprach Akiyoshi. »Das ist es. Ziemlich sogar.«
  »Weshalb?«, erkundigte sich sein Freund überrascht. »Es ist doch kein Verbrechen jemanden zu mögen. Oder irre ich mich?«
  Akiyoshi schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist es nicht.«
  »Na bitte. Was also ist dein Problem?«, wollte Ludwijk wissen. »Sie sah definitiv verletzt aus, als du vorhin abgestritten hast, dass du ihr Freund bist.«
  Erneut seufzte er. »Es ist nicht so einfach, wie du es dir denkst. Ich mag sie sehr, ja. Aber noch wichtiger ist mir, dass sie in Sicherheit ist. Dass sie in Ruhe ihr Leben leben kann. Das alles was wegen mir passiert ist, ist-«
  »Nichts was man jetzt noch ändern kann«, unterbrach Ludwijk ihn.
  »Du hast sie doch gehört: Sie hat sich gewünscht, dass sie mich nie kennengelernt hätte. Wäre ich nicht in ihr Leben gekommen, dann...« Er konnte sich nicht durchringen, diesen Satz zu Ende zu sprechen. Es tat zu sehr weh.
  »Das war sicher nur ihr Schmerz über den Verlust«, meinte Ludwijk. »Denn auch dass sie dich mag, würde sogar einem Blinden auffallen. So viel ist sicher.«
 »Oder du interpretierst einfach nur Dinge in ihre Handlungen hinein, wie es dir gerade passt.« Akiyoshi wusste, er klang verbittert, doch das war ihm egal.
  »Zweifelst du denn an ihrer Loyalität dir gegenüber?«, wollte Ludwijk wissen. »Das kann nicht dein Ernst sein.«
  Akiyoshi schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist es nicht. Aber im Gegensatz zu ihr weiß ich, dass sie mit mir nicht glücklich werden wird.«
  »Was soll das heißen?«, erkundigte Ludwijk wissen. »Reicht es denn nicht aus, dass sie Gefühle für dich hat?«
  »Das ist genau mein Problem.« Er dachte nach. »Nein, so stimmt das nicht. Das Problem ist, das ich ihre Gefühle erwidere.«
  »Das verstehe ich nicht.« Nun war es Ludwijk, der seufzte.
  »Kannst du auch nicht«, entgegnete Akiyoshi. »Dazu bist noch nicht lange genug hier.«
  »Dann erkläre es mir doch einfach«, forderte sein Freund ihn auf.
  Erneut schüttelte Akiyoshi den Kopf. »Nein, heute nicht mehr. Außerdem brauchen wir alle Schlaf. In ein paar Stunden müssen wir schließlich weiter.«
  »Stimmt.« Ludwijk nickte. »Ich übernehme dann die erste Wache. In einer Stunde kannst du mich ablösen.«
  »Einverstanden. Aber weck mich, falls etwas ungewöhnliches passiert. Verstanden?«
  »Darauf kannst du dich verlassen«, versicherte Ludwijk ihm »und jetzt ruh dich erstmal gut aus.«
  »Werde ich«, sagte Akiyoshi. Nur um sich dann neben Shiori zu legen. Bis ihm die Augen zufielen und er einschlief, dauerte es auch nicht mehr lange.


»Ich gehe Akiyoshi wecken, er wird wissen, was zu tun ist«, war das Erste, was dieser hörte, als er gerade dabei war aufzuwachen. »Überstürzen sollten wir aber erstmal nichts, finde ich.«
  Er setzte sich auf und rieb sich den letzten Schlafsand aus seinen Augen. »Ich bin wach. Ist was passiert?« Er sah verärgert zu Ludwijk. »Du solltest mich doch wecken.«
  »Nun, noch ist nichts passiert«, hielt Ludwijk dagegen.
  »Noch nicht«, betonte Shiori. Sie sah Akiyoshi an. »Dort vorne kommen Reiter auf uns zu. Etwa zehn oder zwölf Mann. Vielleicht auch mehr.«
  »Die Männer von vorhin?« Mit einem Schlag war Akiyoshi hellwach, seine Hand glitt zu dem Griff seines Katana.
  »Nein, ich denke nicht«, antwortete nun Ludwijk. »Die Männer, die uns verfolgt haben sahen aus wie Banditen. Die hier sehen...« Er suchte nach dem richtigen Wort »hübscher aus.«
  Akiyoshi zog eine Braue in die Höhe und Shiori kicherte. »Du meinst wohl elegant.«
  »Was?« Ludwijk runzelte die Stirn.
»Sierlijk«, sagte Akiyoshi. »Die Männer sind elegant, nicht hübsch«, wiederholte er noch einmal, dieses Mal langsamer.
  »Ich finde es passt beides gut«, merkte Shiori an. »Aber Ludwijk hat Recht: Sie sehen nicht wie die Männer aus, die uns verfolgt haben.«
  Akiyoshi sah auf und bemerkte nun auch die Reiter, die sich immer deutlicher am Horizont abzeichneten und vermutlich in Kürze bei ihnen sein würden. Alles in ihm verlangte danach, aufzusteigen und in wildem Galopp loszureiten. Aber etwas hielt ihn davon ab. Er konnte selbst nicht erklären was. Vielleicht Intuition.
  »Reiten wir los oder warten wir?«, erkundigte sich Shiori bei ihm. »Sie sehen nicht wie Banditen aus.«
  »Aber das sind auch keine Samurai«, fügte Ludwijk hinzu.
  »Stimmt«, bestätigte Akiyoshi, dem das auch auffiel. Dann sah er beide an. »Ich denke, wir warten erstmal ab«, schlug er vor und hoffte gleichzeitig, dass er diese Entscheidung nicht bereuen würde. »Falls sie uns wirklich angreifen haben wir ohnehin keine Chance.«
  »Wie ermutigend.« Shiori seufzte. »Aber gut.«


Es dauerte nicht lange, bis die Männer sie erreichten und einkreisten. Ein junger Mann, stieg vom Pferd. »Wer seid Ihr?«, erkundigte er sich. »Ein Fremdländer, ein Mädchen und ein Samurai. Solch eine seltsame Kombination Reisegefährten habe ich noch nie gesehen.«
  Akiyoshi verneigte sich so knapp, dass es gerade noch höflich war. »Mein Name ist Hasegawa Akiyoshi«, stellte er sich vor.
  Der junge Mann musterte ihn von oben bis unten. »Ihr dürft mich Kazuyori nennen, Hasegawa-san.« Kazuyori grinste.
  »Was gibt es da zu lachen?«, erkundigte sich Ludwijk ungehalten bei ihm. »Macht Ihr Euch lustig über uns? Was wollt ihr alle von uns? Und wer seid ihr überhaupt?«
  »Ludowiku-san hat Recht«, pflichtete Shiori ihm bei.
  »So der Fremdling heißt also Ludowiku.« Kazuyori schwang sich von seinem Pferd. Dann sah er wieder zu Akiyoshi. »Ihr seid aus Mikawa, richtig?«
  Er zögerte, nickte aber. »Ja das ist richtig. Warum? Spielt das eine Rolle?«
 »Natürlich tut es das.« Kazuyoris Grinsen verwandelte sich in ein Lächeln. »Wie es der Zufall will suchen wir nämlich einen Mann namens Hasegawa Akiyoshi, der aus Mikawa kommt«, erklärte er. »Auf Euch scheint beides zuzutreffen.«
  »Das ist richtig.« Akiyoshi nickte und zwang sich, ruhig zu bleiben. Dieser Kazuyori sah nicht wie ein Ronin oder Verbrecher aus. »Was wollt Ihr denn von ihm?«
  »Nun, wenn Ihr jener Akiyoshi seid, habt Ihr wohl einiges erlebt, mit dem weder Ihr noch Tokugawa-dono gerechnet habt«, meinte Kazuyori.
  »Mein Meister schickt Euch?« Mit großen Augen sah er ihn an. »Ist das Euer Ernst? Ist etwas passiert?«
  Kazuyori sah erneut zu Shiori und Ludwijk.
  »Das sind meine Freunde«, beeilte sich Akiyoshi zu sagen. »Ohne Shiori wäre ich nicht mehr am Leben und Ludowiku ist zwar ein Fremdländer aber ich vertraue ihm.«
  »Ich verstehe.« Der misstrauische Blick, mit dem Kazuyori Shiori und Ludwijk bedachte, verwandelte sich in Neugierde. Er trat auf Shiori zu. »Du hast Hasegawa-san also das Leben gerettet, ja?«, hakte er nach. »Wie kann das sein?«
  »Ich habe ihn schwer verletzt gefunden und dann zu meinem Großvater mitgenommen und dort gesund gepflegt«, antwortete sie verunsichert. »Mehr nicht.«
  »Aber warum bist du hier?«, fragte Kazuyori weiter. »Es ist nicht gewöhnlich das Mädchen Männer begleiten. Vor allem nicht solche.«
  »Kazuyori-san, bei allem Respekt: Ich bin der Meinung, dass das Euch nichts angeht«, fuhr Akiyoshi ihn an. »Sagt mir, was Ihr zu sagen habt und-«
  »Und dann verschwindet wieder«, fiel Kazuyori ihm ins Wort. »War es das was Ihr sagen wolltet?« Er schnaubte missfällig. »So leicht werdet Ihr uns aber leider nicht los werden, fürchte ich. Wir sind hier zu Eurem Schutz.«
  Das schlechte Gefühl, welches Akiyoshi schon von Anfang an beschlich, wurde immer stärker. »Was ist passiert?«
  »Es wurden verstreute Ronin des Imagawa-Clan gesichtet«, berichtete Kazuyori. »Wie es aussieht, haben sie sich mit Fremdländern zusammen getan. Ich denke, Ihr wisst was das heißt?«
  Akiyoshi nickte langsam. »Ja.« Er runzelte die Stirn. »Aber was hat das mit Euch zu tun?«



Der letzte Gruss des SamuraiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt