»Du weißt doch, dass ich mit einem portugiesischen Schiff gekommen bin, oder?«, erkundigte Ludwijk sich bei Akiyoshi.
Dieser nickte. »Natürlich. Immerhin hast du mir oft genug davon erzählt.« Nur nachgefragt, warum Ludwijk auf einem Portugieschen Segler und nicht einem Niederländischen nach Japan gereist war, hatte Akiyoshi nie. Dazu bestand bisher auch keine Notwendigkeit. Außerdem hatte eben jeder Dinge, über die man nicht gerne sprach.
»Außerdem weißt du auch, dass wir hier nicht gerade mit offenen Armen empfangen wurden«, fuhr Ludwijk fort. »Was ich inzwischen sogar verstehen kann. Besonders jetzt, da ich ein paar Monate hier bin.«
»Wir schätzen es eben nicht, wenn man uns versucht eine andere Religion aufzudrängen«, merkte Akiyoshi an. »Das ist es jedoch was deine Landsleute versuchen.«
»Sie sind nicht meine Landsleute!«, fauchte Ludwijk ihn, zu seiner Überraschung an. »Ich bin lediglich auf demselben Schiff mitgefahren. Das ist alles, was wir gemeinsam haben.« »Wieso bist du überhaupt hierher nach Japan gekommen?«, erkundigte sich Shiori bei ihm. »Gab es einen Grund dazu? Immerhin bist du sehr weit von Zuhause weg. Vermisst du dein Land nicht?«
»Manchmal schon«, gab Ludwijk zu. »Aber in Amsterdam hätte mich ohnehin nicht viel erwartet.« Er seufzte. »Ich habe insgesamt acht Geschwister, und das sind nur die von denen ich weiß.«
»Lass mich raten: Du bist Kind Nummer acht«, meinte Akiyoshi und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Auch hier war es nicht unüblich, dass eine Familie viele Kinder bekam. Immerhin versuchten die Samuraifamilien und der Adel, ihre Namen und ihr Geschlecht für die Zukunft zu sichern. Was bei der hohen Sterblichkeitsrate durch Krieg und Krankheit gar nicht so leicht war, so dass viele oft nicht einmal das Kindbett überlebten.
»Fast. Ich bin Kind fünf«, entgegnete Ludwijk. »Mein ältester Bruder ist Ende dreißig und mein jüngster gerade einmal ein Jahr.«
»Ende dreißig!«, rief Shiori erstaunt aus. »Das ist aber schon ganz schön alt!«
Ludwijk schüttelte den Kopf. »Würden in unserem Land solche Unruhen herrschen, wie es bei euch der Fall ist, wäre das vermutlich auch anders. Abgesehen davon, war mein Vater immer sehr...« Er räusperte sich kurz diskret. »Fleißig.«
Shiori errötete, Akiyoshi dagegen nickte. »Sieht ganz so aus«, stimmte er ihm zu. »Du bist also hierher gekommen weil du nicht viel zu erwarten hattest?«, wollte er wissen.
»Unter anderem ja«, bestätigte Ludwijk. »Mein Vater hat sowieso nicht so viel von mir gehalten und mich nach Portugal zu entfernten Verwandten geschickt um mir meine Flausen aus dem Kopf zu treiben.«
»Verwandte aus Portugal?«, hakte Shiori neugierig nach. »Also hast du doch eine Verbindung zu diesen Leuten.«
Ludwijk verzog das Gesicht. »So ist es und zwar über die Seite meiner Mutter. Aber ich habe nichts mit denen zu tun. Ich kann sie nicht einmal leiden.«
»Das kann ja sein«, meinte Akiyoshi ungeduldig. »Doch was hat das mit Mikawa und deinem Freund in Schwierigkeiten zu tun?«
»Einen Moment. Dazu komme ich gleich«, entgegnete Ludwijk. »Außerdem hast du gefragt, wieso ich hierher gekommen bin. Ich habe lediglich geantwortet.«
»Kann ja sein, aber das heißt nicht, dass ich deine gesamte Familiengeschichte hören wollte.« Akiyoshi seufzte.
»Ach komm schon. Ich finde es sehr interessant«, mischte Shiori sich ein. »Es ist spannend zu hören, was Ludowiku-san gemacht hat, bevor er hierher gekommen ist.«
Das sah Akiyoshi ein bisschen anders, doch das sagte er nicht. »Also gut.«
»Um genau zu sein, war mir jedes Land recht, in das ich reisen kann, solange es nur weit weg von meiner Familie ist«, gab Ludwijk zu. »Ich bin froh, dass es Japan geworden ist. Was echt reiner Zufall ist.«
Akiyoshi runzelte die Stirn. Irgendwie kränkte es ihn ein wenig das zu hören, aber er bemühte sich das sich das nicht anmerken zu lassen. »Dann hast du diesen Freund wohl auf dem Schiff kennengelernt?«, hakte er Ludwijk.
Der nickte. »So ist es. Er hat mich unter seine Fittiche genommen.«
»Er hat was?« Irritiert sah Akiyoshi ihn an.
»Pedro, so ist übrigens sein Name, hat mir erklärt wie die Dinge auf dem Schiff so laufen«, berichtete Ludwijk. »Er war wohl schon einmal in Japan. Das hat er zumindest gesagt.«
»Aha.« Akiyoshi verschränkte die Arme vor der Brust. »Und stimmte das?«
Ludwijk zuckt mit den Schultern. »Ich denke schon. Aber ich bin mir nicht sicher. Darum geht es aber auch gar nicht.«
»Nun anscheinend schon«, sagte Akiyoshi ungeduldig. »Also was ist passiert? Es muss wohl etwas gravierendes sein.« Er verschränkte die Arme. »Sag schon, wen hat er umgebracht?«
Ludwijk starrte ihn mit großen Augen an. »Du machst mir manchmal echt Angst, weißt du das?«
»Warte, soll das heißen, ich habe Recht?«, fragte Akiyoshi ihn überrascht. Eigentlich war es nur ein Scherz gewesen, welchen er aus lauter Ungeduld machte, doch wie es aussah, hatte er ins Schwarze getroffen.
»Also wenn du geraten hast, dann sehr gut«, antwortete Ludwijk, dem sein Erstaunen auch jetzt noch ins Gesicht geschrieben stand.
»Nun ja, so sehr wie du um alles herum geredet hast, war das recht naheliegend«, meinte Akiyoshi. »Nun sag schon endlich, wen hat er umgebracht?«
Ludwijk wich seinem Blick aus und sah zu Boden. »Hasegawa Aizen.« Nun war seine Stimme kaum hörbar. »Es wird gesagt, dass Pedro deinen Bruder getötet haben soll.«
Akiyoshi war dermaßen überrascht über diese Enthüllung, dass ihm vor lauter Erstaunen die Kinnlade herunterfiel. »Was?«, fragte er, nachdem er sich wenigstens halbwegs erholt hatte. »Das kann nicht sein.«
»Ich bin mir auch sicher, dass er es nicht getan hat«, meinte Ludwijk. »Aber das ist genau das, was ihm vorgeworfen wird. An dem Morgen, an dem ich losgeritten bin, ist er festgenommen worden.«
Akiyoshi zwang sich, ruhig zu atmen. Auch wenn sein Herz sich anfühlte, als ob es gleich aus seiner Brust springen wollte. Dann aber schüttelte er den Kopf. »Mein Bruder ist von diesem verdammten Wiesel getötet worden, oder von seinen Handlangern.«
»Ein Wiesel?«, erkundigte Shiori sich, die es bis jetzt nicht gewagt hatte, etwas zu sagen. »Ich dachte dein Bruder wurde-«
»Wurde er auch«, unterbrach Akiyoshi sie ungeduldig. »Aber wenn du den Mann siehst, was hoffentlich niemals geschieht, weißt du sofort, warum er diesen Spitznamen trägt. Wie sein richtiger Name ist, weiß glaube ich keiner. Ist in dieser Branche aber auch nicht notwendig.«
»Also willst du damit sagen, dass dieser Mann verschlagen, ist?«, erkundigte sich Shiori bei ihm.
Er schnaubte abfällig. »Mir würden da noch ganz andere, weit weniger nette Worte einfallen, aber ja. So ist es.«
»Verstehe.« Shiori nickte. »Dann waren das in meinem Dorf wohl auch seine Männer?«
»Gut möglich«, gab Akiyoshi zu. »Er hat in allem möglichen seine Finger drin und das bedeutet niemals etwas Gutes. Ganz im Gegenteil. Vor Mord ist er sowieso nie zurück geschreckt und seine Handlanger erst recht nicht. So viel ist sicher.«
Ludwijk runzelte die Stirn. »Dann sind diese Männer hierher gekommen um dich auch zu töten?«
Jetzt war es Akiyoshi, der nickte. »Gut möglich und vermutlich meine Familie.« Er konnte nicht verhindern, dass ihm eine unangenehme Gänsehaut über den Rücken lief. Um sich von seinen Gedanken abzulenken, streichelte er die Nüstern seines Pferdes, welches diese Liebkosung erfreut schnaubend zur Kenntnis nahm.
»Aber du sagtest doch, dass dein Meister dir versprochen hat, deine Familie zu beschützen, oder?«, erinnerte Shiori ihn. »Dann musst du dir bestimmt keine Sorgen machen.«
Akiyoshi nickte erneut. »Ja, vermutlich hast du Recht.« Er räusperte sich. »Wir sollten uns jetzt sowieso erst einmal um uns selbst kümmern. Was in Mikawa auch immer passieren mag: Darauf haben wir gerade keinen Einfluss. Doch auf das, was mit uns geschieht schon. Wir sollten uns also jetzt um einen sicheren Rastplatz sorgen. Wir alle benötigen Schlaf, sei es auch nur für ein paar Stunden.« Er sah Shiori an. »Ganz besonders du.«
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Der letzte Gruss des Samurai
Ficción históricaJapan im März 1567, Zeit der streitenden Reiche. Gerade als Akiyoshi seinen Tod akzeptiert hat, rettet die junge Shiori ihm das Leben. Obwohl er sich zu ihr hingezogen fühlt weiß Akiyoshi, seines Zeichen Samurai, dass er nun da er überlebt hat, sein...