Kapitel 15

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Am nächsten Morgen wurde Akiyoshi schon früh wach, so, dass die Sonne nicht einmal vollends am Himmel aufgegangen war. Um Shiori nicht zu wecken, die auf einem anderen Futon, etwas weiter weg von ihm schlief, griff er nach seinem Katana und Wakizashi. Hier drinnen zu bleiben würde ihm ohnehin nichts bringen und draußen konnte er sich wenigstens mit ein paar Übungen beschäftigen und ablenken. Das letzte Training schien ihm gefühlt schon ein Jahrzehnt her zu sein. Auch wenn er natürlich eine gute Ausrede hatte. Mit den Verletzungen, die ihn bis vor kurzer Zeit ausbremsten, war jede Art Körperertüchtigung unmöglich. Doch jetzt, da es ihm besser ging, kribbelte es ihn in den Fingern. Lange nichts tun zu können oder zu dürfen lag ihm eben nicht. Mit einer eleganten Bewegung zog er sein Katana aus der Schwertscheide.
Angriff, blocken, stechen, ausweichen. Immer wieder führte er diese Prozedur durch, nur um von vorne zu beginnen. Die ersten Male fühlten sich seine Arme und sein Körper schwer wie Blei an, doch etwas später wurde es besser. Er war wohl nicht so außer Übung, wie er befürchtete.

 »Du provozierst es, deine Reise hinaus zögern zu müssen, was? Wenn du lieber hier bleiben willst, kannst du es mir auch einfach sagen, weißt du«, hörte er jemand.
  Als er Shiori bemerkte, senkte er sein Katana, nur um es dann zurück in die Schwertscheide zu schieben. »Wie lange stehst du schon hier?«
  »Nicht lange«, antwortete Shiori und lächelte. »Aber genug, um zu wissen, dass du langsam eine Pause einlegen sollte. Ich habe Tee mitgebracht. Kann ich dich dazu einladen, einen mit mir zu trinken?«
  Akiyoshi blinzelte kurz irritiert. Dann nickte er und setzte sich zu ihr. »Das ist nett, danke.«
  »Es ist diesmal kein Ingwertee, sondern grüner. Mir ist der Gedanke gekommen, dass du davon womöglich erstmal genug von ersterem haben könntest«, überlegte sie.
  »Grüner Tee ist toll«, meinte er. »Und ja, da hast du recht.«
  »Dachte ich mir.« Sie goss ihnen beiden ein und reichte ihm eine der Teeschalen.
 

Akiyoshi nahm sie mit einer Verbeugung an und atmete den leicht bitteren Geruch der Teeblätter, die sich in dem heißen Wasser befanden, ein. Vorsichtig trank er einen ersten Schluck. Er wusste nicht warum, doch es kam ihm so vor, als ob er schon eine lange Zeit nicht mehr solch einen köstlichen Tee genossen hatte. Genau das sagte er ihr.
  »Das freut mich zwar, aber ich verdiene wirklich kein Lob dafür«, entgegnete Shiori bescheiden. Sie zögerte kurz. »Du sahst vorhin übrigens echt gut aus.«
  »Das ist Unsinn«, wehrte er ab. »Ich bin vollkommen aus der Übung. Würde mein Meister sehen, in was für einer schlechten Verfassung ich mich derzeit befinde, würde er mich ganz sicher scharf tadeln. Und er hätte Recht damit.«
  »Es ist wirklich bewundernswert, dass du solch ein großes Vertrauen in deinen Meister hast«, meinte Shiori beeindruckt »Das lässt einen fast neidisch werden.«
  »Muss es nicht.« Akiyoshi schüttelte den Kopf. »Das mein er mir so vertraut, bedeutet auch, dass ich seinem Vertrauen gerecht werden muss. Und das ist nicht einfach.«
  Shiori nickte. »Das kann ich mir vorstellen.«
 Akiyoshi schüttelte den Kopf. »Nein, kannst du nicht«, sagte er. »Aber das ist nicht schlimm.«
  »Und du willst mir wirklich nicht sagen, wer dein Meister ist?«, wollte Shiori wissen. »Auch wenn ich natürlich weiß, dass es mich nichts angeht.«
  Akiyoshi dachte nach. Was konnte schon passieren, wenn er ihr davon erzählte? Klar, er hatte die Anordnung erhalten, es niemand zu erzählen, es sei denn eine Notsituation zwang ihn dazu. Und das hier war definitiv nichts dergleichen. Aber was sollte schon geschehen? So schlimm konnte es nicht sein, oder? »Du darfst es keinem sagen«, meinte er und blickte sie ermahnend an.
  Shiori sah ihn mit vor Überraschung großen Augen an. »Du willst es mir echt sagen?«
  »Nur wenn du es für dich behältst«, erinnerte er sie. »Es kann dich nämlich auch gut in Schwierigkeiten bringen.«
  »Du weißt doch, dass ich zwischendurch Schwierigkeiten ganz gerne habe und-«, weiter kam sie nicht.
  »Ich rede nicht von solchen Lappalien«, unterbrach er sie. »Sondern von richtigen Schwierigkeiten.«
  »Dein Meister ist doch nicht etwa ein berüchtigter Verbrecher, auf den die Todesstrafe ausgesetzt ist, oder?«, erkundigte sich Shiori scherzhaft bei ihm.
  »Nein.« Akiyoshi schüttelte den Kopf. Er rückte ein Stück näher an sie heran und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Der Name meines Meisters ist Ieyasu. Tokugawa Ieyasu, um genau zu sein. Ich nehme an, du weißt von wem ich rede.«

Der letzte Gruss des SamuraiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt