Kapitel 7

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Shiori konnte nicht anders als Akiyoshi überrascht anzustarren. Wie konnte sie es auch nicht, denn entgegen ihrer Erwartung hatte er auf ihre Frage geantwortet, statt sie mit irgendwas abzuspeisen. Das, was sie so erstaunte, war nicht, dass er ihr eine Antwort gab. Nein, das war es nicht. Sondern der Ort. Denn sie mochte vielleicht weitab der nächsten Stadt wohnen, doch natürlich sagte ihr der Name Iga etwas. Diese Provinz war im ganzen Land berühmt für ihre Ninjas. Hochtalentierte Krieger, die im Schatten heraus Aufträge für ihre Dienstherren ausführten. Kaum jemand hatte sie je gesehen, doch jeder wusste, dass es sie gab. Was konnte Akiyoshi von ihnen wollen? Oder war er womöglich selbst-
 »Nein. Ich gehöre nicht zu diesen Leute dazu«, unterbrach Akiyoshi ihren Gedankengang, als hätte er sie komplett durchschaut.
 »Ach nein?«, fragte sie und ihre Stimme hörte sich selbst in ihren Ohren seltsam schrill an.
 »Nein.« Er schüttelte den Kopf.
 »Aber warum?«, wollte sie von ihm wissen. »Was wollt Ihr-«
 »Das kann ich dir nun wirklich nicht sagen. Schon jetzt weißt du zu viel, als gut für dich ist«, stellte er klar. »Das tut mir auch sehr leid.«
 Sie runzelte die Stirn. »Was meint Ihr damit?«
 »Damit meine ich, dass ich nicht mehr erzählen werde.« Es klang endgültig. »Ich will nicht, dass du wegen mir noch mehr in Gefahr gerätst als ohnehin schon. Also frage mich bitte auch nicht mehr.«
 »Kann ich das nicht einfach selbst für mich entscheiden?«, erkundigte sie sich, obwohl sie die Antwort zu kennen glaubte.
 »Nein.« Akiyoshi zögerte nicht einmal eine Sekunde. »Wie ich dir schon gesagt habe: Du solltest glücklich sein, dass das Chaos hier noch nicht angekommen ist.«
 »Genauso habe ich Euch aber schon gesagt, dass ich mich hier des Öfteren langweile«, entgegnete sie. »Doch Großvater will nicht einmal in die nächste Stadt mit mir fahren, könnt Ihr Euch das vorstellen?« Sie klang aufgebracht, doch das war ihr egal.
 »Gibt es denn einen Grund dafür?«, wollte Akiyoshi wissen.
Sie zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Er hat mir noch nie einen genannt.«
»Und das lässt du so auf dir sitzen? Das hätte ich nicht von dir erwartet.«
 Shiori zog eine Braue in die Höhe. »Was soll das heißen?«
 »Genau das, was ich gesagt habe«, antwortete Akiyoshi. »Du siehst nicht aus, als ob du klein beigibst, wenn man dir etwas verbietest. Vor allem, wenn es dafür keinen Grund gibt.«
 Shiori seufzte. »Ich weiß, dass man es meinem Großvater nicht so leicht ansehen kann. Doch seine Gesundheit ist nicht die Beste. Es ist sehr wichtig, dass er sich nicht aufregt.«
 »Also verzichtest du lieber darauf, damit es ihm besser geht?«, wollte Akiyoshi von ihr wissen. »Ist das denn wirklich die richtige Lösung dafür? Solltest du nicht das tun, was dir gefällt und wichtig ist?«
 Shiori biss sich auf die Unterlippe, wie sie es oft tat, wenn sie sich in ihrer Haut nicht wohl fühlte. Akiyoshi ahnte es nicht, doch mit was er sagte, traf er einen wunden Punkt bei ihr. »Großvater bedeutet mir sehr viel«, brachte sie mit heiserer Stimme hervor. »Ich dagegen habe mein ganzes Leben noch vor mir.«
  Akiyoshi nickte. »Das ist wahr.« Er musterte sie knapp. »Aber du hast doch bestimmt noch Freunde, mit denen du etwas unternehmen kannst, oder?«
 »Ja«, antwortete sie. »Rin, zum Beispiel. Sie ist die Tochter vom Dorfvorsteher. Und dann wäre da doch-« Sie schaffte es nicht mehr, ihren Satz zu beenden. Denn genau in diesem Moment wurde die Tür schwungvoll geöffnet.

»Shiori-chan!«
Sie zuckte unwillkürlich zusammen, doch als sie bemerkte, wer es war, lächelte sie über ihr ganzes Gesicht. »Towa-san! Du bist wieder hier?«
  »Ja, wie du siehst«, entgegnete Towa. »Meine Schwester hat mir erzählt, dass dein Großvater und du zurzeit einen Fremden zu Besuch habt. Da dachte ich, dass ich bei euch vorbeischaue wenn ich sowieso gerade hier bin.«
 »Genau«, entgegnete Shiori. Sie wandte sich an Akiyoshi. »Wenn Ihr erlaubt ihn mir vorzustellen, das hier ist Towa. Er ist der ältere Bruder von meiner besten Freundin Rin.«
 »Und Ihr seid?«, erkundigte sich Towa.
 »Mein Name ist Hasegawa Akiyoshi«, stellte der sich mit einer Verbeugung vor.
 »Euer Name ist Hasegawa? Und Ihr seid ein Samurai, wie ich sehe.« Shiori konnte sich nicht erklären warum, doch Towa klang überrascht.
  »Ja.« Akiyoshi nickte. »So ist es. Weshalb fragt Ihr?«
 Towa winkte ab. »Ach nichts.«
  Shiori kannte den Bruder ihrer besten Freundin lange genug, um zu erkennen, dass es nicht »nichts« war. Kurz überlegte sie, ob sie nachhaken sollte, entschied sich dann aber dagegen.  »Wie war es in Kyoto?«, erkundigte sie sich stattdessen.
 »Ihr wart in Kyoto?« Nun war es Akiyoshi, der überrascht zu sein schien. »Weshalb?«
 »Ja war ich«, antwortete Towa. »Aber weshalb geht Euch, bitte entschuldigt meine Direktheit, nichts an.« Er musterte ihn. »Was ist mit Euch? Wieso seid Ihr hier?«
 »Ich bin auf Durchreise«, antwortete Akiyoshi ausweichend.
 »Wieso habt Ihr Euch dann keine Unterkunft unten im Dorf genommen, sondern seid hier bei Shiori-chan?«, wollte Towa wissen. »Ihr wollt ihr und ihrem Großvater doch sicher nicht zur Last fallen, oder?«
 »Akiyoshi-sama fällt uns nicht zur Last. Im Gegenteil«, versicherte Shiori, bevor dieser etwas dazu sagen konnte. »Außerdem war er sehr krank. Du weißt selbst, dass Großvater und ich hier die besten Heilkräuter haben.«
 »Wenn du das sagst.« Towa verschränkte die Arme vor der Brust. »Trotzdem würde mich wirklich interessieren, was ein Samurai wie Ihr so fern von der nächsten großen Stadt zu suchen hat.«
 »Und mich würde interessieren was der Sohn eines Dorfvorstehers von einem so kleinen Dorf, wie diesem hier, in Kyoto zu suchen hat«, konterte Akiyoshi, ohne zu zögern.
 Shiori wusste nicht warum, doch auf einmal lag eine Spannung zwischen den beiden in der Luft, die ihr den Atem zu nehmen drohte. Oder bildete sie sich das nur ein? Doch das konnte nicht sein.
 »Ist das so?«, fragte Towa und blickte Akiyoshi an.
 Dieser nickte. »So ist es. Außerdem schient Ihr vorhin überrascht meinen Namen zu hören. Oder zumindest so, als hörtet Ihr ihn nicht zum ersten Mal.«
» Stimmt, das ist mir auch aufgefallen«, meinte Shiori.
 »Ach was. Ihr irrt euch beide.« Towa winkte ab. »So selten ist der Name Hasegawa nun auch wieder nicht.«
 Shiori verzog das Gesicht. »Komm schon, jetzt tu nicht so. Da ist doch etwas, das du nicht sagst. Bisher konnten wir über alles reden. Warum erzählst du also nicht davon?«
  »Weil es jetzt anders ist. Denn nun ist er da«, antwortete Towa. »Aber selbst dann, würde ich es für mich behalten. Das einzige was ich dir raten kann, ist das du sehr vorsichtig bist, solange er hier ist.« Er blickte Akiyoshi an. »Und Ihr solltet so schnell wie möglich weiter reiten. Wo auch immer Euer Ziel sein mag.«

»Ich weiß«, entgegnete Akiyoshi. »Außerdem ist es in meinem Sinne bald wieder weiter zu reisen, das könnt Ihr mir glauben. Auch wenn ich Shiori-san natürlich sehr dankbar für ihre Hilfe bin.«
 »Gut, dann muss ich mir wohl doch keine Sorgen machen.« Towa klang zufrieden. »Also dann, wir sehen uns nachher noch Shiori.«
 »Warte, Towa-san! Willst du nicht noch eine Tasse Tee mit uns trinken? Jetzt bist du doch ohnehin schon hier. Und mein Großvater kommt gleich wieder. Er wird sich bestimmt freuen dich zu sehen.«
 »Also gut. Ein bisschen kann ich wohl doch noch bleiben. Außerdem habe ich Tatsuo-sama schon einige Monate nicht mehr gesehen. Ihm geht es doch gut, oder?«
 »Es ist ein ständiges Auf und Ab«, sagte Shiori. »Du weißt ja, wie er ist.« Sie lächelte Towa an. »Setz dich doch bitte. Du musst dir schließlich nicht die Beine in den Bauch stehen.«
 »Danke.« Er tat, worum sie ihn bat.
 »Nun, dann setze ich uns mal Tee auf«, meinte Shiori. »Bin gleich wieder da. Ihr beide könnt euch ja auch miteinander unterhalten.« Sie sah Akiyoshi an.
  Der nickte nach kurzem Zögern. »Nur keine Eile.«
  Shiori hatte trotzdem das Gefühl, dass es besser wäre, die beiden Männer nicht allzu länger als unbedingt nötig alleine zu lassen. Aber glücklicherweise verging ja nie viel Zeit, bis das Wasser aufkochte. Das war vermutlich auch besser so.


Der letzte Gruss des SamuraiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt