Prolog

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Die ruhige Nacht umschloss mich, während ich in unser Zimmer schlich. Ich hörte Cassians regelmäßige Atemzüge, die mir bereits so vertraut waren wie meine eigenen. Sein unverkennbarer Geruch hing in der Luft. Doch es vernebelte mir nicht den Verstand.
Meine Gedanken waren klar und nur auf eine Sache konzentriert.
Ich musste meine Schritte nicht mit Bedacht setzen. Meine Magie umhüllte mich und verschluckte jedes Geräusch, unterdrückte meinen Geruch und meine Präsenz. Und doch hoffte ich, dass er aufwachen würde.
Vor dem Bett angekommen, vergewisserte ich mich, dass er tief und fest schlief, und zog ebenso lautlos meinen Dolch. Ich wollte es verhindern, aber ich hatte keinerlei Macht über das, was ich hier tat.
Sie hatte mir eine Falle gestellt, die nur für mich bestimmt war. Und ich bin in sie hineingelaufen wie ein kopfloses Huhn.
„Wach auf", flehte ich ihn stumm an.
Wach auf. Wach auf. Wach auf. Wach auf. Wach auf.
Sanftes Mondlicht fiel durch das Fenster und beleuchtete sein schlafendes Gesicht. Es würde mir das Herz brechen, ihn so verletzlich zu sehen, wenn ich Kontrolle über meine Gefühle hätte.
Ich wusste, dass er immer noch mit einem Messer unter dem Kissen schläft. Als Illyrianer konnte er Gefahr riechen, aber auch wenn er mich bemerken würde, würde er nicht erwarten, dass ich diese Gefahr bin.
Sein kriegerischer Instinkt warnt ihn nicht vor seiner eigenen Seelengefährtin.
Ich packte den Dolch fester und hob ihn in die Luft. Auch wenn ich versuchte, ein Geräusch zu machen, ihn irgendwie zu warnen, konnte ich nichts gegen die Macht tun, die von mir Besitzergriffen hatte. So kam es, dass er immer noch ruhig weiter schlief, während mein Dolch auf sein Herz zielte. Die Klinge war so scharf, dass sie Knochen wie Butter schneiden konnte. Sie hatte mir schon unzählige Male gute Dienste geleistet. Dass ich sie jetzt auf Cassian richtete, hat mir nicht mal meine schlimmsten Albträume vor Augen geführt.
Es erlaubte mir nicht mal zu zittern und unterdrückte meine Panikattacken.
Ich wurde zu einer gefühlslosen Auftragskillerin, lautlos, mächtig und in jedem Fall tödlich. Ich hatte diese Form schon oft angenommen, doch nie wurden mir diese Fähigkeiten so zum Verhängnis wie in diesem Moment.
Dass er mich in diesem Zustand nicht wahrnehmen konnte, war sowohl beeindruckend als auch angsteinflößend zugleich.
Und ich hatte Angst. Nicht nur davor, was mir befohlen wurde, Cassian anzutun, sondern auch davor, wozu sie mich zwingen würde, wenn das hier vorbei war. In Ihren Händen war ich mehr als eine mächtige Waffe.
Wach auf, bitte wach auf. Bemerke mich, öffne deine Augen, flehte ich stumm. Doch nichts geschah, niemand würde mich in diesem Moment aufhalten. Keiner in diesem Haus wusste von mir. Keiner von ihnen konnte auch nur erahnen, was mit mir geschehen ist. Auch über unsere Seelenverbindung konnte ich ihn nicht erreichen. Ich konnte sie zwar spüren, war aber von ihr abgeschnitten, sodass ich nicht auf seine Seite gelangte. Ich schlug gegen diese trübe Mauer in meinen Geist an und versuchte sie mit meiner Magie zu zerbrechen. Ich wusste, dass ich stark genug dafür war. Aber sie gehorchte mir nicht mehr. Genauso wie mein Körper. Ich war eine Marionette, nichts weiter. Ich konnte von Glück reden, dass ich immerhin Denken konnte. Doch genau das stellte sich gerade als das Grausamste heraus.
Ich wollte es hinauszögern, so lange warten wie möglich, aber mir blieb keine Wahl. Ich hob meinen Dolch etwas weiter an und ließ ihn dann geräuschlos auf Cassians Brust niedersausen.

Warmes Blut spritze mir ins Gesicht, als ich seine Haut durchbohrte.

Das Reich der Sieben Höfe - Licht Und KroneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt