Der Herbst hatte etwas Befriedigendes an sich. Die Verfärbung der Blätter, die sich wie Flammen über die Baumwipfel zogen, der sanfte Nebel, der zwischen ihren Stämmen stand. Die frische, kühle Luft, die nach Blättern und Regen duftete. Es zwitscherten nur noch ein paar letzte Vögel in den Ästen, die niemals nach Süden ziehen werden, da der Hof niemals in den Winter übergehen wird. Gefangen in diesem Moment der goldenen Jahreszeit.
Wäre da nicht der unausstehliche High Lord, könnte ich es noch ein wenig länger und auch öfter genießen. Ich drehte mich zu Eris um, der ungeduldig mit den Fingern auf seinen Bizeps trommelte.
„Beron hat sich Zeit gelassen, um sich mit mir in Verbindung zu setzen. Warum will er ausgerechnet jetzt mit mir sprechen, wenn seine Absichten so deutlich sind?", fragte ich und entfernte mich von dem steilen Abhang, an dem ich stand, um die Begegnung herauszuzögern, was natürlich albern war. Aber Beron war nun mal der High Lord, den ich am wenigsten leiden konnte. Und ihm ging es genauso, wenn man die Dauer betrachtete, bis er mich herbestellt hatte. Ich hätte gern abgesagt, aber als meine Aufgabe als Vermittlerin zwischen den Höfen und als Beraterin habe ich allen High Lords meine Dienste angeboten, und Beron gehörte leider dazu.
„Mein Vater teilt mir seine Pläne und Absichten nicht mit", antwortete Eris und schloss zu mir auf, während wir uns zum Palast aufmachten.
„Ich würde gerne glauben, dass er über den Friedensvertrag sprechen will, aber da wir bereits wissen, dass er Briallyn seine Unterstützung und seine Truppen zur Verfügung stellt, muss ich mir wohl etwas anderes ausdenken."
„Du denkst, dass es eine Falle sein könnte?"
„Er weiß, dass er sich bereits unsere Missgunst auf sich gezogen hat, schon nachdem er das Treffen der High Lords verlassen hat." „Er wäre töricht sich, weitere Fehler zu erlauben."
„Ich werde es nicht so weit kommen lassen", versichterte er mir.
Er sprach aus voller Überzeugung. Und vielleicht auch aus ein wenig Furcht. Belustigt hob ich den Blick in den Himmel und wie erwartet zog der Illyrianer über uns seine Kreise, der vorhin auf Eris eindringlich eingeredet hatte.
„Dabei würde Cassian zu gerne ein wenig auf dich einprügeln", erwiderte ich süffisant.
„Ich sehe, ihr seid wie geschaffen füreinander", meinte er ausdruckslos..
.Beron saß in einem großen Stuhl, der beinahe als Thron durchgegangen wäre, den Kopf in die Hand gestützt, und unterbrach sein Gespräch mit zwei seiner Männer, als ich angekündigt wurde. Der scharfe Blick, mit dem er seinen Sohn neben mir betrachtete, genügte, um Eris Gesicht in ein Abbild des Hasses zu verwandeln.
„Verschwindet", befahl er den Männern, die sich daraufhin sofort zur Tür bewegten.
„Du auch", knurrte Beron. Eris Meinung hatte sich wieder neutralisiert.
„Draußen wartet der General des Nachthhofs", entgegnete er bloß, ohne der Aufforderung nachzukommen. „Wenn ich ohne die Prinzessin wiederkomme, wird er den Palast unverzüglich stürmen, da er das Schlimmste annehmen würde."
Ich warf Eris einen schnellen Seitenblick zu und fragte mich, ob er aus Respekt zu Cassian oder wirklich zu meinem Schutz blieb. Oder einfach nur, um seinen Vater zu töten.
Was auch immer es war: Eris blieb neben mir stehen, die Hände im Rücken verschränkt, der Rücken kerzengerade. Ein Prinz, durch und durch.
Berons oberlippe zuckte missbilligend, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf mich.
„Ihr habt also nicht nur den General, sondern auch meinen Sohn als Begleitschutz dabei", stellte er fest und erhob sich. „Meint ihr, ich sei so gefährlich?"
„Meint ihr, ich wäre so dumm, es herausfinden zu wollen?", konterte ich.
Wir hatten keine Beweise, dass er hinter dem Angriff auf mich und Cassian steckte. Wir waren uns der Sache trotzdem sicher und der Mangel an Beweisen war der einzige Grund, warum wir nichts unternehmen konnten, zumal er auch mit Briallyn in Verbindung stand. Da sie aber, soweit wir wissen, noch nicht aktiv geworden ist, konnten wir auch dagegen nichts tun. Weil eine Allianz zwischen einem der Höfe und einer sterblichen Königin nichts Ausschlaggebendes war und die High Lords erst bei einer deutlichen Bedrohung aktiv werden würden.
„Die Entführung, wie ich hörte, ist wohl gut ausgegangen." Ein Zeichen der Schwäche, wenn man bedenkt, dass so viele Feinde in Euer Reich eindringen konnten.
Ich würde ihm nichts von unseren Vermutungen preisgeben, die er sich wahrscheinlich schon denken konnte, aber ich wollte sie nicht bestätigen. Rhysand meinte, es würde ihn nur noch mehr ärgern, wenn ich es gar nicht zur Sprache brachte. Aber da er das Thema angeschnitten hatte,...
„Die versuchte Entführung ist nicht der Rede wert, aber danke für Eure Besorgnis."
„Inwiefern", hakte Beron nach, bemüht, einen gleichgültigen Ton anzuschlagen.
„Hätten die Verantwortlichen es ernst gemeint, hätten sie mehr als nur fünf Soldaten geschickt, die mich festhalten."
Da mir kein Stuhl angeboten wurde, wanderte ich langsam durch den Raum.
„Wir haben Grund zur Annahme, dass unser Feind vom Kontinent aus aktiv ist", sagte ich.
„Selbst wenn Ihr damit richtig liegt, werden Sie wohl kaum einen weiteren Versuch wagen." „Kein Grund, um weiter nach ihnen zu suchen. Ihr habt bestimmt Wichtigeres zu tun."
„Wo Rauch ist, ist auch Feuer", sagte ich. Ich musterte ihn, und plötzlich brauchte ich Gewissheit. Um meinetwillen und um Cassians. Ich sehe ihn immer noch blutüberströmt am Boden liegen, eine doppelte Erinnerung an den Krieg, in dem er ebenfalls beinahe sein Leben verloren hatte.
„Doch wie es scheint, wirkt auch der Herbsthof ein wenig angesengt."
„Wollt Ihr mich für den Vorfall verantwortlich machen?"
„Nein, ich meine nur, dass Ihr die Mittel dazu hättet."
Eris wurde sichtlich nervös. Dieser Teil war nicht besprochen gewesen. Ich seufte und beließ es dabei.
„Weshalb habt Ihr mich hergebeten?", fragte ich schließlich.
„Der Kessel. Wo ist er?"
Ich blinzelte erstaunt bei seiner Direktheit.
„Wollt ihr über dieses Wissen verfügen, oder Briallyn?", entgegnete ich scharf mit einer Gegenfrage.
„Das muss Euch nicht bekümmern. Antwortet mir."
„Falls Ihr vorhabt danach zu suchen, werden wir es erfahren", warnte ich ihn. Und war gleichzeitig alarmiert, dass er Auskunft über seinen Standort haben wollte.
„Danach habe ich nicht gefragt", erwiderte Beron harsch.
»Mehr werde ich Euch aber nicht verraten«, sagte ich mit Nachdruck. Die Spannung in der Luft war zum greifen nah.
„Wir werden sehen", raunte er.
Es war schwer, das nicht als Drohung aufzunehmen.
Als ich zusammen mit Eris wieder nach draußen stürmte, war ich eigentlich froh, dass das Treffen so kurz ausgefallen war. Aber das ungute Gefühl begleitete mich bis nach Hause..
.
.„Durch Eris haben wir erfahren, dass Beron Briallyn bereits seine Truppen versprochen hat. Und jetzt hat er schon nach dem Kessel gefragt.
„Sollte sich diese Allianz auch auf die anderen Reiche ausbreiten, ist ein Krieg nicht mehr abzuwenden", sagte Feyre.
Ob Briallyn tatsächlich noch mit den anderen Königinnen zusammenarbeitete, war zweifelhaft. Aber auch so stellte es ein ernstes Problem dar, da wir sie noch schlechter ausspionieren konnten – was genaugenommen gar nicht bedeutete. Azriel arbeitete immer noch daran, überhaupt eine Spur zu ihr zu finden. Und da Beron offensichtlich Wege suchte, um seinen eigenen Einfluss zu stärken, durften wir ebenfalls nicht ignorieren.
„Warum sollte er so direkt nach dem Kessel fragen, wenn er doch vermuten muss, dass wir ihn bereits im Visir haben?", fragte Mor verwirrt.
Darauf hatte keiner eine Antwort.
„Hat Eris nach dem Treffen irgendwas gesagt?", fragte Rhysand.
„Er schien genauso überrascht gewesen zu sein wie ich. Ich gehe nicht davon aus, dass er noch mehr weiß. Allein, dass er von der Allianz zu Briallyn erfahren hat, war schon ein ziemlicher Glückstreffer", antwortete ich.
„Wir sollten nicht auf ihn vertrauen, was das angeht", sagte Cassian. „Er könnte uns immer noch was verschweigen, was vermutlich seine eigenen Pläne voran treibt. Vielleicht sollte Azriel dem Herbsthof doch ein paar Besuche abstatten", schlug er vor.
»Wir brauchen Azriel auf dem Kontinent«, wand Rhysand ein. „Die Königinnen mögen bis jetzt noch nicht aktiv geworden sein, aber sobald sich das ändert, will ich das wissen."
Unsere Hauptsorge galt also Beron. Durch ihn hatte Briallyn eine Verbindung zu Prythian und hinderte uns daran, sie weiter fern zu halten.
„Und wenn wir das zentrale Problem aus der Welt schaffen?", fragte ich, und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Willst du, dass Eris den Platz seines Vaters einnimmt?", fragte Cassian verblüfft.
„Das habe ich damit nicht gemeint", sagte ich mit gedämpfter Stimme. „Obwohl das auch kein schlechter Gedanke ist", fügte ich hinzu.
Cassian sah mich ungläubig an und auch die anderen waren mehr als überrascht, als sie meine Anspielung verstanden.
»Du willst die Königinnen töten?«, fragte Cassian entsetzt.
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Das Reich der Sieben Höfe - Licht Und Krone
FanfictionDies ist der zweite Teil von meiner anderen Fanfiction Das Reich der Sieben Höfe - Licht und Dunkelheit. Und bezieht sich auf das Buch Das Reich der Sieben Höfe - Silberne Flammen von Sarah J. Maas - also der 5. Band der Reihe. Auch wenn der Krieg...