Cassian folgte mir in den Flur.
„Warum hast du nichts gesagt? Dieser Plan..."
"Was ist damit?"
„Er ist wahnsinnig! Sogar für dich. Wie hast du es dir denn vorgestellt, wie ich reagiere?"
„Ich vertraue auf meine Fähigkeiten, warum kannst du das nicht? Es ist nicht das erste Mal, dass ich als Assassine losziehe", erwiderte ich.
„Deine Fähigkeiten werden dir auch nichts nützen, wenn sie dich als Fae entlarven und töten."
„Ich werde es sofort abbrechen, sollte es so weit kommen", versicherte ich ihm.
»Menschen können genauso grausam und brutal sein wie wir. Sie werden zuerst töten, bevor sie fragen stellen. Ohne deine Magie könnte dir im entscheidenen Moment die Reaktionszeit fehlen."
„Auch ohne Magie werde ich nicht so leicht zu töten sein."
„Hochmut kommt vor dem Fall."
„Du bist ein arrogantes Arschloch", brummte ich und starrte ihn Finster an. Er sah genauso unnachgiebig zurück.
„Und du eine hochmütiges Biest. Wir sind einander ebenbürtig", erwiderte er.
„Und doch willst du mich nicht gehen lassen."
„Ich habe dich gerade erst wieder!"
„Ich habe mir unsere gemeinsame Zeit auch anders vorgestellt, aber sollte es zu einem Krieg kommen, werden wir von ihnen Überrannt. Ich bin die Einzige, die das verhindern kann, egal wie riskant der Plan ist. Es ist mein Plan und ich habe alles bedacht, was man bedenken kann."
„Wie hast du denn überhaupt vor, dich den Königinnen zu nähern? Keiner von Azriels Spionen oder er selbst haben auch nur einen Hauch einer Ahnung, wo sie mich überhaupt aufhalten."
„Die Antwort wird dir nicht gefallen."
„Danach habe ich aber nicht gefragt."
Ich seufzte. Wenn wir ohnehin schon streiten, konnte ich ihm auch dieses unangenehme Detail offenbaren.
„Ich werde mich als Sterbliche ausgeben, um ihre Schutzzauber zu überwinden. Dafür werde ich die ganze Zeit über meine Magie nicht zur Verfügung haben. Aber nur so kann ich mich in die Königliche Armee einschleichen und dort die nötigen Informationen sammeln, bevor ich mir die Königinnen vornehme."
Cassian war für einen Moment sprachlos. „Das kann nicht dein Ernst sein! Du willst dich nicht nur in die Höhle des Löwen schleichen, sondern auch noch ohne jeglichen Schutz?"
„Ich habe immer noch meine körperliche Kraft, die dafür ausreichen wird. Auch wenn es eine Herausforderung wird, ohne Magie. Aber ich werde das schaffen."
Er sah immer noch nicht überzeugt aus.
„Azriel wird die ganze Zeit mit mir in Kontakt sein", versuchte ich, ihn zu besänftigen.
„Das beruhig mich kein Stück."
Ich näherte mich ihm und legte eine Hand auf seine Wange und zwang ihn, mich anzusehen.
„Ich verstehe deine Sorge", sagte ich sanft. „Aber deine Angst wird unbegründet bleiben. Ich werde mich weiter mit Azriel absprechen und in wenigen Tagen aufbrechen. Aber du wirst mich gehen lassen. Arbeite mit mir, statt gegen mich."
„Ich werde nicht mit ansehen, wie du in deinen Tod läufst, nicht noch mal!"
„Deine Ängste werden mich nicht davon abhalten können", sagte ich nachdrücklich.
Ein Muskel zuckte in seinem Kiefer und er wandte das Gesicht ab. Und genau dieser Ausdruck in seinen Augen – seine Überzeugung, er hätte das Recht dazu, mir vorzuschreiben, was ich tun sollte – veranlasste mich dazu, meine Hand in seine Haare gleiten zu lassen und seinen Mund zu mir hinabzuziehen.
Der Kuss war provokant und trotzig, und doch erwiderte er ihn und sein Körper drückte sich gegen mich. Seine Hand legte sich in meinen Nacken, die andere lag fest auf meiner Hüfte. Ich wartete, bis ich die leichte Wölbung in seiner Hose vernahm, und löste mich abrupt von ihm.
Seine Pupillen waren geweitet und seine Brust hob und senkte sich unregelmäßig. In einem anderen Moment hätte sich mein Körper bei diesem Anblick nach ihm verzehrt, doch jetzt wollte ich ihm etwas deutlicher mitteilen.
„Ich werde diesen Auftrag ausführen, Cassian", stellte ich klar.
Meine Hände glitten von seiner Brust und ich machte mich auf den Weg in mein Zimmer.
Am Treppenabsatz blieb ich nochmal stehen und warf einen Blick über die Schulter.
»Diese Mission wird einige Monate in Anspruch nehmen«, sagte ich und meine Augen wanderten unter seine Gürtellinie.
„Du solltest dich daran gewöhnen, die Hand zu nehmen", schlug ich vor und ging die Treppe hoch..
.Nach der ausführlichen Besprechung mit Azriel und Rhysand, die wir morgen weiterführen würden, brummte mir der Kopf.
Es war nicht unbedingt die Tatsache, dass solch eine Operation noch nie derart ausgeführt wurde und dementsprechend kompliziert war. Sondern eher die Tatsache, dass ich damit Monate beschäftigt sein werde. Ich hatte bereits damit gerechnet, doch dass es sich nach einem halben Jahr anhörte, hinterließ ein mulmiges Gefühl in mir.
Über fünf Monate, fast nur auf mich gestellt, ohne Magie.
Über fünf Monate getrennt von Cassian und abgeschnitten von meinem Hof und meinen Freunden, abgesehen von Azriel.
Ich setzte mich an meinen Schminktisch und kämmte mir Gedankenverloren die Haare.
Natürlich verstand ich Cassians Sorge. Ich hatte seine Angst und Verzweiflung am eigenen Leib erfahren, als sich seine Erinnerungen auf mich übertragen hatten.
Aber es verletzte mich dennoch, dass er so wenig Vertrauen in mich hatte, dass ich diese Mission ausführen konnte. Dabei sollte er es doch besser wissen.
Ich war nicht dafür geschaffen, still und ruhig daneben zu stehen, wenn ich etwas verändern konnte.
Das wusste Cassian, er musste es wissen.
Und doch stritten wir uns wieder. Vergeudeten unsere letzte gemeinsame Zeit, uns wieder gegenseitig anzublaffen.
Wieder zweifelte ich insgeheim daran, dass diese Beziehung auf diese Weise weiter funktionieren kann.
Ich schüttelte den Kopf, um diese Gedanken zu vertreiben.
Wir waren vielleicht nicht das perfekte Paar wie Rhysand und Feyre, aber unsere Liebe wird stärker sein. Sie musste es.
„Ich hoffe, du bist hier, um dich zu entschuldigen", begrüßte ich Cassian, der sich im Spiegel neben meinem Abbild auftauchte.
„Ich möchte nur, dass du mich verstehst."
„Das tue ich, Cassian. Natürlich tue ich es. Aber es ist trotzdem schwer für mich, wenn du so an meinen Fähigkeiten zweifelst und mir diese Mission nicht zutraust."
„Es sind nicht deine Fähigkeiten, an denen ich zweifel. Eher meine eigenen", gab er zu. Sein Blick fing meinen im Spiegel auf.
Ich seuftze tief.
„Du bist echt anstrengend"
„Das höre ich öfter als meinen Namen", erwiderte er liebevoll und grinste schief.
Ich konnte ihm nicht lange böse sein, auch wenn ich es wollte.
Der Handel mit der Finsternis, mein Verschwinden und mein Tod, hatten auch an ihm Spuren hinterlassen. Ich konnte seine Reaktion verstehen, denn sein Innerstes weigerte sich, mich für so eine lange Zeit gehen zu lassen.
„Es ist alles gut", sagte ich schnell und vermied es, ihn dabei anzusehen.
„Du denkst so laut, ich höre es bis hier her", sagte Cassian und kam näher, bis er hinter mir stand. Er hatte seine Flügel eng angelegt und strich mir eine Strähne hinters Ohr.
„Heirate mich."
Ich erstarrte, und während ich noch überlegte, ob ich ihn richtig verstanden habe, zu dem Entschluss kam, dass ich es habe, und dann überlegte, ob es eine unüberlegte Äußerung war, wiederholte er es.
„Heirate mich, Veena."
Ich drehte mich ihm sitzen zu ihm um. Im selben Moment ließ er sich auf ein Knie sinken und präsentierte mir einen funkelnen Ring in einer in Samt eingeschlangenen Schatulle.
„Es gab bestimmt dutzende bessere Momente, um dich das zu fragen, aber..."
„Ja", hauchte ich so leise, dass ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt einen Ton herausgebracht habe.
"Ja", wiederholte ich lauter.
Sein Gesicht heiterte dich auf, als hätte er gerade realisiert, was Liebe ist.
Ich betrachtete den Ring neugierig, als er ihn mir an den Finger steckte.
Doch etwas an ihm war anderes. Er war atemberaubend schön, keine Frage, und es brachte mein Herzschlag aus dem Rhytmus, das er meinen Geschmack so perfekt getroffen hatte, aber...
"Den Ring habe ich geschmiedet", erklärte er, da er wohl meinen fragenen Blick bemerkt hatte.
Mein Kopf fuhr zu ihm hoch. Ich öffnete den Mund um etwas zu sagen, war aber zu sprachlos und schloss ihn wieder.
Er lächelte nervös. "Meine Zeit in den Illyrischen Lagern, hat sich nur so lange hin gezogen, weil ich danach an dem Ring gearbeitet habe. Mit hilfe natürlich, aber es waren einige Versuche nötig, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war", erklärte er. Noch bevor er den zweiten Satz beendet hatte, stiegen mir tränen in die Augen. Und das schlechte Gewissen zerrte an mir.
"Und ich hab dich deswegen sooft angefahren, weil du so lange weg warst, dabei hast du...du hast das für mich getan."
"Es war wirklich schwer dir das nicht dein wütendes Gesicht zu schleudern, wann immer du mich deswegen getadelt hast", gab er zu.
Der Ring ist also deswegen nicht so feingearbeitet, weil ihn Cassian selbst gemacht hat, aber genau dadurch bekam er seinen Charakter. Der mit nichts zu ersetzen ist.
Da er immer noch vor mir kniete, rückte ich näher an ihn ran und sah ihm tief in die Augen.
"Das ist das schönste Geschenk, was ich je bekommen habe", flüsterte ich und nahm sein Gesicht in beide Hände.
Er hob eine Hand und umfasste mein Handgelenk, bevor er einen Kuss auf die empfinliche Haut unter meiner Hand drückte.
Ich bewunderte den funkelnen Ring an meinem Finger.
"Das wird mich aber auch nicht dazu verleiten hier zu bleiben, falls das deine Absicht war", sagte ich schmunzelnt. Er lachte leise.
"Das wäre ein schöner Nebeneffekt gewesen, aber deswegen habe ich dir den Antrag nicht gemacht", meinte er.
"Genießt du es, mich vor dir knien zu sehen?", fragte er, während seine Hände meine Schenkel für ihn spreizten.
"Das tust du immer öfter, aber ich kann nicht sagen, das ich es nicht genieße", grinste ich.
Ich hielt ihn zwischen meinen Beinen gefangen und blickte von meinen Hocker auf ihn hinab.
Oh ja, an diesen Anblick kann ich mich gewöhnen.
Meine Haare fielen über meine Schulter und bildeten einen Vorhang, als ich meine Lippen über seine streifen ließ.
"Ich möchte Schwimmen gehen", sagte ich. "Am Sommerhof. Ich kenne eine Bucht, die nur uns gehören könnte".
Cassian strich mir die Haare zurück, bevor er aufstand und mich mit ihm hoch hob.
"Zeig es mir", hauchte er..
.
Ich schwelgte immer noch in den Momenten nach unserer Verlobung, immer noch gefangen in der kleinen Bucht am Sommerhof, in der wir uns den restlichen Tag vernügt hatten. Bis uns die Realität wieder eingeholt und uns daran erinnert hatte, dass wir am nächsten Tag zum Festessen in der Höhlenstadt erwartet wurden. Und wir vermutlich einige unserer Kräfte aufsparen sollten.
Ich schmeckte immer noch Salzwasser auf meinen Lippen, fühlte immer noch Cassians Mund auf meinem Körper, seine Hände, die sich nicht von mir lösen konnten.
„Wo haben wir uns denn heute rumgetrieben?", begrüßte Mor mich, die in meinem Zimmer auf meinem Bett saß. Ich grinste schon über das ganze Gesicht, als sie von ihren Büchern aufsah. Ich fragte schon gar nicht mehr nach, warum sie ständig in meinem Zimmer rumhing.
„Ich war mit Cassian schwimmen. Ich wollte Tarquins Aussage, dass Cassians Verbannung aufgehoben ist, heute unbedingt auf die Probe stellen. Daher haben wir den ganzen Tag am Sommerhof verbracht", erzählte ich und konnte meine Aufregung kaum verbergen.
„Wir haben viel geredet, vor allem wegen der Mission."
„Du siehst alles andere danach aus, als hättet ihr geredet", bemerkte sie mit einem verschmitzten Grinsen. „Eure Zungen waren bestimmt mit etwas anderem Beschäftigt."
Sie räumte die Bücher zur Seite, damit ich mich auf das Bett fallen lassen konnte. Meinen Kopf in ihrem Schoß und blickte zu ihr auf.
„Eine Verlobung muss anständig gefeiert werden", entgegnete ich. Mor erstarrte. Ich hielt ihr die Hand mit dem Ring vor die Nase und schon stieß sie ein so hohes Quietschen aus, dass ich mir sicher war, dass einige Fledermäuse gerade die Orientierung verloren hatten.
„Gütige Mutter! Das würde aber auch Zeit", rief sie aufgeregt und packte meine Hand, um den Ring genaustens unter die Lupe zu nehmen.
„Er hat den Ring selbst geschmiedet. Jeden Tag ist er in die Schmiede gegangen, um daran zu arbeiten. Selbst wenn er wusste, dass ich ihm deswegen irgendwann die Leviten lesen werde."
„Du klingst, als wärst du überrascht, dass du danach noch was an hattest", erwiderte Mor grinsend. „Du siehst glücklich aus", sagte sie sanft.
„Das bin ich", antwortete ich und konnte immer noch nicht aufhören zu grinsen. Mor machte es sich gemütlich, während ich ihr alles berichtete, was heute nach dem Gespräch über die Mission geschehen war.
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Das Reich der Sieben Höfe - Licht Und Krone
FanfictionDies ist der zweite Teil von meiner anderen Fanfiction Das Reich der Sieben Höfe - Licht und Dunkelheit. Und bezieht sich auf das Buch Das Reich der Sieben Höfe - Silberne Flammen von Sarah J. Maas - also der 5. Band der Reihe. Auch wenn der Krieg...