Ich hatte Rhysand und die anderen seit Gestern nicht mehr zu Gesicht bekommen. Obwohl ich mich nicht wirklich beschweren konnte, meine Rückkehr ausschließlich mit Cassian zu verbringen. Doch es interessierte mich dennoch, was auf dem Kontinent passierte, nachdem die Königinnen getötet wurden. Schließlich hatte ich sieben Monate dafür gearbeitet.
Die Straßen in Velaris waren beinahe leer. Alle waren mit den Vorbereitungen für das Frühlingsfest beschäftigt, das auf allen drei Marktplätzen der Stadt veranstaltet wurde.
Die milde Sonne kam nur zögerlich hinter den letzten Winterwolken hervor. Doch wenn sie es tat, brachen lange einzelne Sonnenstrahlen durch die Wolkendecke und boten einen traumhaften Anblick.
Da wir den ganzen Morgen im Bett verbracht hatten und über alles sprachen, was ich verpasst hatte, und wie mein Leben in der Menschenwelt aussah, hatte ich mich irgendwann doch der Gedanke aus dem Bett geholt, dass ich irgendwas tun musste, und sei es nur, durch Velaris zu laufen und auf Neuigkeiten zu warten.
Cassian musste sich ebenfalls, weit weniger begeistert, zum Frühlingshof aufmachen, um sich mit Eris zu treffen.
Ich wusste nicht, was Rhysand dem High Lord erzählt hatte, was meine lange Abwesendheit erklärte. Ich hatte nicht die Zeit, ihn zu fragen, und schob die Kontaktaufnahme mit den anderen Höfen auf ein anderes Mal. Ich hatte auch mal ein paar freie Tage verdient.
Plötzlich legten sich von hinten Arme um mich. Ich reagierte sofort und so selbstverständlich, wie ich atmete.
Ich rammte dem Angreifer meinen Ellenbogen in den Bauch, duckte mich aus seinem Griff heraus, wirbelte herum und drehte seinen Arm auf den Rücken.
Er hatte keine Waffen an sich, die ich ihm abnehmen und gegen ihn verwenden könnte. Aber mein eigener Dolch tat es auch. Ich fluchte innerlich. Ich hatte vergessen, ihn heute Morgen wieder anzulegen.
Meine Hand fixierte seinen Arm auf seinen Rücken und zwang ihn auf die Knie.
„Wenn du mich auf Knien sehen willst, musst du nur fragen, weißt du", schnaufte Cassian. Und ich realisierte, wen ich da in meiner Gewalt hatte. Ich ließ ihn sofort los und wich mit geweiteten Augen zurück.
„Tut mir leid, ich habe nicht gemerkt, dass du es bist", sagte ich schnell.
Er rieb sich die Stelle, wo mein Ellenbogen mich getroffen hatte, und stand auf.
„Ich sollte wahrscheinlich sauer sein, aber bei deiner perfekten Technik müsste ich meinen Hut vor dir ziehen", erwiderte er. Ich presste angespannt die Lippen aufeinander. Ich dachte, dass ich mich schneller eingewöhnt hätte, vor allem nach letzter Nacht. Aber da hatte ich mich offensichtlich getäuscht.
Mein Geist und mein Körper waren immer noch unter Spannung und mussten sich wieder anpassen, bei solchen Berührungen nicht mit Gewalt zu reagieren. Was wäre passiert, wenn ich einen Dolch dabei hätte? Sogar ein einfaches Messer hätte mir gereicht, um ihn ernsthaft zu verletzen. Meine Hände zitterten und meine Brust zog sich zusammen. Ich bekam kaum noch Luft.
„Hey, hey, hey. Ist schon gut", sagte Cassian und hob mein Kinn an, damit ich ihn ansah. „Sieh mir in die Augen." Es ist alles gut, ich verstehe das. Es ist wie nach dem Krieg. Der Körper braucht eine Weile, um sich wieder auf das normale Leben einzustellen." Er nahm meine Hand und drückte sie sanft.
„Und ich werde jeden Schlag in den Magen entgegennehmen, bis du wirklich und wahrhaftig angekommen bist", ein freches Lächlen begleitet seine Worte. Mein Körper beruhigte sich wieder und ich erwiderte sein Lächeln.
„Ich hab dich eiskalt erwischt, was?"
„Es zu leugnen, macht es nicht weniger schmerzhaft", bestätigte er.
Ich lachte leise. Dann ein Klopfen an meiner mentalen Barriere.
Die neuen Königinnen sind bereit, die Throne zu übernehmen.
Rhysands Stimme klang in meinen Gedanken erschöpft.Du hast sauber gearbeitet. Niemand wird erst mal auf die Idee kommen, dass wir dahinter stecken. Die Neuigkeit ist noch frisch. Feyre und ich werden es den High Lords mitteilen und betonen, dass wir jetzt eine Bedrohung weniger haben.
Den High Lords wird das gar nicht gefallen, wenn sie die Wahrheit erfahren.
Zu dem Zeitpunkt werden sie hoffentlich alle einen Friedensvertrag unterschrieben haben.
Gibt es Neuigkeiten zu der vierten Königin Briallyn?
Wir sollten uns nicht allzu große Hoffungen machen. Sie will nicht gefunden werden und das wird sich wohl auch nicht ändern.
Ich habe ein ungutes Gefühl bei ihr. Azriel sollte dennoch an ihr dranbleiben.
Das wird er. Genieße erst mal deine freie Zeit. Wer weiß, wann ein neues Problem vor der Tür steht.
Cassian sah mich erwartungsvoll an.
„Rhysand berichtet von den neuen Königinnen. Sie sind bereit, die Herrschaft zu übernehmen", erklärte ich. Er nickte.
Rhysand und Feyre hatten sie Monate, in denen ich bereits unterwegs war, dafür genutzt, die Thronerbinnen aufzuspüren und ihnen die Verantwortung einzuhämmern, die sie bald übernehmen würden. Es ließ sich nicht vermeiden, ihnen die Wahrheit zu sagen. Doch nach Rhysands Blick in ihre Gedanken war sicher, dass sie kein Wort darüber verlieren würden. Die enge Zusammenarbeit mit dem Nachthof soll sich auch auf die anderen Höfe ausbreiten, sodass Vallahan und Rask gezwungen waren, ihre machthungrigen Pläne auf Eiszulegen. Denn mit den neuen Königinnen würden wir zumindest den Krieg um die neuen Grenzen verhindern können, den die alten Königinnen in Kauf genommen hätten.
Fehlten nur noch die restlichen Unterschriften der High Lords und neue Informationen zu Briallyn und Koschei, die sich immer noch bedeckt hielten, aber mit Sicherheit ihre Waffen schärften.
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Das Reich der Sieben Höfe - Licht Und Krone
FanfictionDies ist der zweite Teil von meiner anderen Fanfiction Das Reich der Sieben Höfe - Licht und Dunkelheit. Und bezieht sich auf das Buch Das Reich der Sieben Höfe - Silberne Flammen von Sarah J. Maas - also der 5. Band der Reihe. Auch wenn der Krieg...