Ich starrte die alte Frau an, den hämmernden Puls in den Ohren, und versuchte herauszufinden, ob sie die Quelle der Magie war, die mich hergelockt hatte. Mein Gefühl sagte mir, das dem nicht so war.
Es zog mich nicht zu ihr, sondern zu der Krone auf ihrem Kopf.
Die Vettel drehte sich um und ich wusste sofort, mit wem ich es zu tun hatte. Ich spürte meine Magie schon in dem Moment nicht mehr als ich diesen Raum betreten habe, als ich jetzt panisch nach ihr tastete. Das hätte meine erste Warnung sein sollen.
"Briallyn", sagte ich, mit erstickter Stimme.
Die einst junge, einst menschliche Königin, die der Kessel damals in eine High Fae verwandelt hatte. Aber in seinem Zorn über das, was auch immer Nesta, ihm zuvor genommen hatte, hatte der Kessel Briallyn bestraft. Er hat sie dazu verdammt ihre Unsterblichkeit im Körper einer verhutzelten Alten zu verbringen.
Und ich war direkt in ihre Falle gelaufen.
"Du hast von mir gehört. Fantastisch", antwortete sie mit einer überraschend jungen Stimme, welche nicht zu ihrem Äußeren passt. Ihre Haut war von Falten gezeichnet, ihre Wangen eingefallen und ihre Augen, die wohl einst hellblau waren, sind jetzt trüb und beinahe weiß.
Mein Instinkt fürchtete sich und das kam so selten vor, das mir wirklich unbehaglich wurde. Aber es war nicht unbedingt sie, bei der ich vorsichtig sein musste. Mein Blick fiel wieder auf die Krone, die sie auf ihrem Haupt trug.
Amren erzählte einmal, das die Magie der Schreckenstruhe auch darin bestand sie zu vergessen.
Ich habe keines dieser Artefakte je zu Gesicht bekommen, aber ich wusste sofort, dass ich es mit einem davon zu tun hatte.
Eine Harfe, die Raum und Zeit beugen konnte.
Eine Maske, die eine Armee aus Toten erschafft.
Und eine Krone, die jeden beeinflussen kann und durch die stärksten Schutzschilde dringt.
Und ich wusste, dass die besagte Krone auf dem Kopf der verratenen Königin saß.
Meine Beine bewegten sich, bevor ich den Entschluss fassen konnte zu fliehen.
"Ich habe so lange damit verbracht, Euch zu begegnen", säuselte Briallyn hinter mir, "und Ihr wollt mir nicht ein mal zuhören?"
Mein Körper blieb abrupt stehen, ohne das ich es wollte und trug mich im nächsten Moment wieder zu ihr zurück. Erst da merkte ich zu meinem Entsetzen, das mir auch meine Gedanken nicht mehr mir gehörten.
Meine Augen waren vor Angst geweitet, während sie mich musterte. Ich versuchte meine Füße vom Boden zu lösen und zu fliehen. Oder auch nur meinen Dolch zu ziehen, aber sie hatte mich vollkommen in ihrer Gewalt. Sogar die Schatten schienen sich ihr beugend zu fügen.
"Ich brauche dich, Sonnenkriegerin."
Ich hatte keine Macht über meine Stimme. Konnte mich nicht bewegen, selbst meine Gedanken waren verstummt, um ihr zuzuhören.
"Wer sonst wäre dazu geeignet den General des Nachthofs auszuschalten, wenn nicht seine eigene Seelengefährtin. Ist das nicht wundervoll tragisch?"
Ich schrie. Stumm und unaufhörlich. Denn jetzt hatte ich verstanden.
Sie war es, die die Soldaten angeheuert hatte, um mich zu entführen. Aber ich sollte nicht nur als Druckmittel dienen, wie wir vermutetet hatten.
Sondern als ihre persönliche Waffe.
Und ihr Ziel war Cassian.
Die Krone, die jetzt glühte, wie flüssiges Gold, machte es möglich.
Die Krone war die besagte Waffe, die wir eigentlich in den Händen von Koschei oder Beron geglaubt hatten.
Wir hatten uns geirrt.
Aber was wollte sie? Warum tat sie das?
"Eine gute Frage", nickte sie.
Trotz ihrer Kontrolle lief mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Sie las meine Gedanken, so tief ging die Magie der Krone also.
"Seit Monaten versucht ihr diesen lächerlichen Friedensvertrag zu vollenden. Aber welchen Frieden könnte ich noch finden?" Sie deutete mit einer Hand auf ihren Körper und ihre Augen blitzen voller Hass auf. "Was ich will ist Vergeltung. Ich will Macht. Und du wirst mir zweiteres erfüllen, damit ich ersteres ausüben kann."
Aber die Königinnen waren Tod, dafür hatte ich persönlich gesorgt. Also wem gebührt ihr Hass jetzt noch? Dass sie den Fluch des Kessels umkehren will, ist verständlich, aber der Teil mit der Vergeltung...
"Wer hat im Hintergrund wohl die Fäden gezogen, als du deine kleine Mission auf dem Kontinent ausgeführt hast?", fragte sie. Meine Augen weiteten sich. Sie lachte auf.
"Du hast mir dabei geholfen meine Vergeltung an den Schnepfen auszuführen. Warum sollte ich mir selbst die Hände schmutzig machen, wenn du bereits auf dem Weg warst, sie zu töten? Aber eine Person gibt es noch, die dafür bezahlen wird, was mir angetan wurde. Ihretwegen hat der Kessel meine Jugend geraubt und mich in dieses alte Weib verwandelt. Wegen ihr wurde ich verdammt, die Unendlichkeit als eine alte hässliche Vettel zu verbringen. Aber mit Nestas Magie wird es mir gelingen meine Jugend zurückzuholen."
Sie begann um mich herumzuschleichen, wie eine Raubkatze um ihre Beute.
"Ich will die Truhe. Also werde ich dafür sorgen, dass du sie mir freiwillig überreichst. Ich weiß, dass ihr sie vor mir gefunden habt."
Sie hatte es also auf die Schreckenstruhe abgesehen. Mit der Macht der Objekte konnte sie nicht nur Nestas Magie stehlen, sondern auch Rache an ihr nehmen und jeden vernichten, der sich ihr in den Weg stellt.
"Es wäre einfacher die Krone die Arbeit zu überlassen, aber ich kann dich leider nicht dazu zwingen die Schutzzauber aufzuheben, um an die Truhe zu gelangen. Zumal ich keine Ahnung habe, wo Rhysand sie versteckt hält. Ich vermute an verschiedenen Orten und da mir meine Spione mitgeteilt haben, das Helion öfter zum Hof der Nacht aufgebrochen ist, nehme ich an, dass er diese Schutzzauber zu verantworten hat. Also brauche ich ein Druckmittel."
Sie sprach so, als ob sie den Plan gerade erst ausschmückte, obwohl sie das bereits seit Monaten geplant hatte. Wo wir noch nicht mal auf die Idee gekommen sind, dass sie zu einer größeren Gefahr wird.
"Und ich weiß, dass es nur einen Grund gibt, weshalb du sie mir überlassen wirst. Nur eine Person, für die du es tun würdest."
Sie hatte seinen Namen nicht mal ausgesprochen und schon durchzuckte mich Panik, Wut und Entschlossenheit, sie damit nicht durchkommen zu lassen.
"Ich kann dich deinen eigenen Seelengefährten Töten lassen", drohte sie und beendete ihr umherlaufen und stand wieder vor mir.
"Oder du gibst mir gleich, wonach ich verlange und wir ersparen uns die tragische alternative. Was ist dir lieber? Es ist das letzte Mal, das du eine eigene Wahl treffen kannst, denn danach gehörst du mir."
Ich wusste nicht, wo die Truhe war oder kannte die Orte an denen Rhysand die Objekte versteckt hatte. Also, selbst wenn ich gewollt hätte, konnte ich es ihr nicht sagen.
"Das ist natürlich bedauerlich", sagte sie und schürzte die Lippen.
"Nun denn. Das war nur Plan A. Dann muss Plan B herhalten. Der High Lord wird diese Aufgabe für dich übernehmen müssen."
Das sie meine Gedanken lesen konnte, wurde immer gruseliger.
"Er wird dir die Truhe niemals geben", presste ich hervor. Briallyn neigte überrascht den Kopf und ihr weißes schütteres Haar fiel ihr über die knochige Schulter.
"Jeder an deinem verblendeten Hof wird mir die Truhe auf die eine oder andere weise überreichen, wenn sie den richtigen Anreiz erhalten", zischte sie.
"Du wirst den General Töten und dem High Lord, so verdeutlichen wie ernst ich es meine. Zudem wirst du meine Geisel sein. Also wird er es sein, der die Wahl hat. Er kann mir die Truhe aushändigen, oder dabei zusehen wie ich ihm gleich zwei geliebte Personen in derselben Nacht entreiße! Und danach wird Nesta die nächste sein". Sie spie ihren Namen aus, als wäre es eine Beleidigung für ihre Lippen, ihn aussprechen zu müssen.
"Und wenn der ganze Nachthof daran zugrunde geht, soll es so sein."
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Das Reich der Sieben Höfe - Licht Und Krone
FanfictionDies ist der zweite Teil von meiner anderen Fanfiction Das Reich der Sieben Höfe - Licht und Dunkelheit. Und bezieht sich auf das Buch Das Reich der Sieben Höfe - Silberne Flammen von Sarah J. Maas - also der 5. Band der Reihe. Auch wenn der Krieg...