Epilog: Rise of the Dragon-Era

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(Rise of the Dragon Era - Aufstieg der Drachen-Epoche)

Meine Nasenflügel beben. Mein Puls rast und mein Blut kocht. Ich verschränke meine Finger in die von Keir und rücke ein Stück näher zu ihm. Nicht, weil ich Halt brauche. Unterstützung. Oder um zu vermeiden, dass ich zusammenbreche. Auch nicht für Stärke, die ich vor Jahren manchmal brauchte.

Nein, um mich davon abzuhalten, den Palast, der vor mir liegt, augenblicklich in Schutt und Asche zu legen.

Der Ort, den ich das letzte Mal gesehen habe, als mein Bruder auf den Boden aufprallte; Azarias Blut die Erde tränkte; der König und seine Männer uns verfolgten.

So viele Jahre sind vergangen. Über zwei Jahrzehnte und es sieht noch aus wie an diesem bestimmten Tag. An dem Tag, als meine Seele sich verfinsterte und ich dem Mann Rache schwor. Als der Schmerz so groß war, dass meine Seele sich teilte und das blaue Drachenflüstern erschuf.

So viel ist passiert und trotzdem hat sich nichts verändert.

Nur der Körper meines Bruders liegt nicht länger dort; auch nicht der Körper von Azarias oder das Blut meiner Mutter. Trotzdem sehe ich sie dort funkeln. Gemeinsam mit all den anderen Opfern und all den Drachen.

Ich sehe sie als Lichter im Himmel. Sterne, die zu uns blitzen und mir Zuspruch geben. Sterne, die nicht hätten fallen müssen.

Es sind Keirs Finger, die über meine Wange streichen, - Feuerbahnen ziehen und warm auf ihr liegen bleiben -, die meinen Blick einen Moment von dem grauenvollen Ort zwingen. Ich sehe in seine blauen Augen, die glühen, wie die von Azarias einst.

Mein Fels, mein bester Freund; der Mann, dem mein Herz gehört, neigt sich zu mir. Er schmiegt seine Lippen zuerst vorsichtig, dann fordernder auf meine. Ich genieße die körperliche, wie die innere Wärme.

Für einen Herzschlag lasse ich von meinem Zorn ab.

Die Erschütterung der Erde und ein lautes Schnaufen lösen uns von der beruhigenden Zweisamkeit. Wir wenden uns zu dem rot schimmernden ausgewachsenen Drachen, der neben uns gelandet ist. Seine Schuppen flackern als lodert Feuer um das Tier und sie reflektieren das Licht. Spitze Stacheln bedecken den Rücken bis zur Schwanzspitze und seine Augen funkeln gefährlich.

Eine zierliche Gestalt springt vom Rücken des Tieres und streicht über seine weichen Schuppen, während sie auf uns zukommt. Rote Flammen flackern um das Mädchen. Aufgeregt, aber doch gefasst. Sie lösen das Band zum Drachen auch nicht, als sie vor uns tritt und mich in eine Umarmung zieht. Sie muss meinem Drachenflüstern die Wut, die Schmerzen und den Hass ansehen.

„Alle sind so weit", sagt Haya, das junge Mädchen, das wie mein jüngeres Ich aussieht.  Sie nimmt auch ihren Vater einen Moment in den Arm. Keir streicht einige ihrer wilden braunen Strähnen beiseite und küsst ebenfalls ihre Stirn.

Zwei weitere Drachen landen ein Stück neben Hayas. Einer ist etwas jünger und wird von einem blauen Schimmer umflossen. Aber auch er erhebt sich weit über die Baumspitzen.

„Es ist Zeit. Sag deinen Brüdern Bescheid." Haya nickt und springt zurück auf den Rücken ihres Drachen.

Im nächsten Wimpernschlag hebt das Tier in die Lüfte ab. Wind wirbelt umliegendes Laub auf, zerrt an meinen Kleidern und meinem Haar.

Im Nachthimmel gesellt sich der Feuerdrache zu den dutzenden Tieren, die beinah geräuschlos in der Luft lauern. Mit der Dunkelheit verschmolzen, nur für Drachenseelen sichtbar. Wie bei einem Raubtier auf der Pirsch ist die Beute unwissend.

„Für Talib", sagt Keir.

„Für Azarias", ergänze ich mit fester Stimme.

„Für das Königreich", sagen wir gleichzeitig und treten zu den zwei Drachen; ich zu dem mit den golden schimmernden Augen. Das älteste Tier. Die Kreatur, die vom König gezwungen wurde, meinen Bruder hinzurichten, wird der Drache sein, der seinen Tod kostet. Ihn, seine Familie, den Palast, die ganze Monarchie.

Nach dem heutigen Tag regieren die Drachen und ihre Reiter.

Ich schwinge mich auf den Rücken meines schwarzen Tieres und gebe den Befehl, abzuheben. Im nächsten Wimpernschlag schweben wir über dem Gemäuer, das einst meine Folterkammer war.

„Reißt es nieder, verbrennt es. Aber der König gehört mir!", rufe ich durch die Köpfe der Drachen und meiner Kinder.

Im nächsten Herzschlag stürzen wir auf das Gestein.

Der Kampf vergeht in Zeitlupe und gleichzeitig ist er nur ein Wimpernschlag. Jeder Turm steht in Flammen; aus den Fenstern lodern Feuerzungen, färben das Gestein schwarz und schicken Funken in die Nacht. Hitze erwärmt die Luft, sodass sie bei jedem Atemzug in den Körper dringt und Schweißperlen die Haut bedeckt. Wächter rennen wild über den Vorhof. Schreie und das Heulen von Wind erfüllt das Chaos. Doch es ist ein bestimmter Mann, der meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Der König.

Ich springe von meinem Drachen und ziehe im Gehen mein Schwert. Bevor die zwei Wächter an seiner Seite mich sehen, schlage ich sie nieder. Dann halte ich meine schwarze Klinge über das Herz des inzwischen ergrauten Mannes. Der Rauch, der ihn umgibt, schürt meine Wut. Er wird sich wünschen, unser erstes Zusammentreffen wäre tödlich gewesen.

„Ich habe dich gefunden! Ich werde dich in Stücke reißen! Du entkommst mir nicht! - Schachmatt. Spiel. Satz. Sieg!" Mit dem letzten Wort drücke ich dem König meine Klinge durch die Rippen. Blut sprudelt aus seinem Mund, sein Gesicht erbleicht und seine Augen reißen auf.

Als ich das Schwert hinauszerre, fällt der Mann auf die Knie und kippt zur Seite. Seine letzten Worte werden vom Gurgeln des Bluts ertränkt.

Die ihn umgebende schwarze Drachenstimme beginnt um mein Feuer zu tanzen. Im Einklang miteinander wirbeln sie um mich. Einen Herzschlag geht ein kühler Schauer über mich, bis das Feuer die Kontrolle zurückerlangt.

„So beginnt das Spiel des roten Drachens mit der schwarzen Seele."

DrachenflüsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt