4: Treibsand

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Mein Blick fällt auf den leeren Schlafplatz meines Bruders

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Mein Blick fällt auf den leeren Schlafplatz meines Bruders. Die Laterne legt ein seichtes, aber bedrohliches Licht auf den Dachboden der Holzhütte. Sein Umhang, den er als Decke nutzt, liegt zusammengefaltet auf dem Kopfkissen und das Stroh ist ordentlich zusammen getragen. Wartet nur darauf, dass sich ein erschöpfter junger Mann darauf bettet. Alles so verdammt brennbar.

Daneben liegt nur der olivgrüne Rucksack, der seine ganzen Habseligkeiten hält. Nicht viel. Wie kann ein ganzes Leben in einen Rucksack passen? Das meines Bruders steckt in diesem.

Mein eigenes Leben ist in einen Rucksack gestopft.

„Dieses Mal hast du echt Mist gebaut, kleiner Drache", wispert Keir, dessen Arme um mich geschlungen sind und mein Zittern bändigen. Ich lehne meinen Kopf gegen seine Brust. Löse den Blick vom Rucksack meines Bruders und schließe die Lider. Verdammten Drachenmist habe ich gebaut.

„Ich weiß." Die Enttäuschung und Wut über meine Leichtsinnigkeit haben mich noch immer im Griff. Wäre es nicht für Keir, wäre ich im Selbstmitleid verbrannt. Und der Angst.

Ich ziehe seine Arme enger um meinen Oberkörper und nehme einen tiefen Atemzug, um die Enge meiner Brust zu bekämpfen. Wünsche mir nur einmal die Wärme eines anderen auf der Haut zu spüren. Doch es bleibt bei dem inneren Feuer, das Keir mir schenkt.

„Ich hatte lange nicht mehr solche Angst. - Nicht am Tag", gebe ich kleinlaut von mir und senke meinen Kopf, um die verdächtigen Tränen zu verhüllen.

Keir küsst meinen Hinterkopf und ziehe mich enger in seinen Arm. Rückt den Umhang zurecht, der über mich gelegt ist, obwohl ich nicht fröstele. Das tue ich nie lange, trotzdem hat die Geste etwas Beruhigendes. Angestrengt lausche ich seinem regelmäßigen Herzschlag und zwinge meinen im gleichen Takt zu schlagen.

„Keir, kannst du mir etwas versprechen?" Er brummt und legt seinen Kopf auf meinen. „Wenn ... wenn mir etwas passiert ..."

„Dir passiert nichts!", unterbricht er mich streng und sein Körper verspannt sich. Seine Finger graben sich in meinen Arm, doch lockern sich, als ich zusammen zucke.

„Aber wenn, wenn die Wächter mich finden ... Versprich mir, dass du dafür sorgst, dass Talib sich nicht wie damals verliert." Der junge Mann antwortet mir nicht.

Kurz nach dem Tod unserer Mutter haben wir Keir kennengelernt. Der Beginn der Freundschaft zwischen den beiden Jungs war mehr als holprig. Talib war ein gebrochener Mensch, der nur soweit funktionierte, dass er mich über Wasser halten konnte, während er selbst ertrank. Aber auch Keir, war nur ein Schatten zu seinem heutigen Selbst. Sie haben sich gegenseitig aus dem Treibsand gezogen und helfen seitdem gemeinsam mir, nicht darin zu versinken. Doch irgendwann, kann man mir nicht mehr helfen.

„Ihr dürft nicht versuchen, mich zu holen." Ein Ruck geht durch Keir und ich wende mich zu ihm um. „Versprich es", füge ich streng hinzu. Er will etwas erwidern, doch wird unterbrochen.

DrachenflüsternWo Geschichten leben. Entdecke jetzt