Schweiß perlt meine Stirn herunter, hinterlässt einen salzigen Geschmack und mischt sich zu einem beißenden Geruch von Rauch. Flammen lodern bedrohlich um mich. Erhitzen die Luft so stark, dass es kaum möglich ist zu atmen.
Ein Druck an meiner Hand lässt mich nach unten blicken. In die blaugrünen Augen meiner Mutter, in denen die Flammen reflektieren. Doch sie sind schwach, beinah fahl. Ihre Atemzüge sind doch des Feuers ein hörbares Keuchen. Sie sagt etwas zu Talib, der zur anderen Seite kniet und ebenfalls ihre Hand umklammert hält. Er hat Tränen in den Augen und schüttelt verzweifelt den Kopf, während unsere Mutter unbeirrt weiter spricht. Talib ist noch ein Kind und ich sehe, wie diese Unschuld mit jedem Wort verschwindet.
Mein Blick gleitet zu einer Stelle, an der sich das Leinenkleid unserer Mutter rot färbt. Der Fleck wird größer und die Lache unter ihr erreicht bereits meine Knie. Ein erneuter Druck an meiner Hand lässt mich aufblicken. Dieses Mal gilt die Aufmerksamkeit meiner Mutter mir.
„Sei stark", hustet sie kraftlos. „Und erschaffe keine Drachen für ihn, Glühwürmchen!", flüstert sie, sodass ich es von den Lippen ablesen muss. Doch die Worte ergeben keinen Sinn.
Ein letztes Lächeln, dann erschlaffen ihre Atemzüge. Talib zerrt mich an der Hand auf die Beine, wirft mich über die Schulter und sagt etwas über Wächter, während er sich aus dem Haus kämpft.
Im Augenwinkel sehe ich, die Flammen, die unser Heim einnehmen und die dunklen Schatten der Wächter, die sich darum versammeln. Dann verschmelzen wir mit dem Wald.
Nach Atem kämpfend schrecke ich aus der Erinnerung. Keuchend ziehe ich die frische Waldluft ein und brauche einige Atemzüge, um mich zu orientieren. Mein Blick fällt auf stechend blaue Augen, die mich besorgt, aber auch mahnend betrachten.
Der Drache ist fort.
„Habt Ihr den Verstand verloren?", fährt mich Azarias wütend an. So hat er noch nie mit mir gesprochen.
Ich bemerke das Zittern meines Körpers, ein unbekanntes Gefühl auf meiner Haut und einen Druck in meinem Kopf.
„Glaubt Ihr, dass alles ist nur ein Spiel? - Euer Leben wäre der Einsatz!"
„Das ist es schon immer! Und ein Spiel kann ich gewinnen!", blaffe ich von seiner Wut angetrieben, mit ebenso zitternder Stimme.
„Und was ist mit meinem Herzen, das Ihr mir aus der Brust reißt?" Die Wut in seiner Stimme ist Verzweiflung gewichen. „Meine Seele, die zu Eurer gehört und sie liebt?"
Mein Atem stockt und ich reiße die Augen auf. Ich krabbele rückwärts über das Laub, um mich aus seiner Berührung zu lösen. Azarias hat Gefühle für mich?
Auch der schwarzhaarige junge Mann stockt und weitet die Augen. Ertappt betrachtet er mich und zieht die Luft scharf ein.
„Ihr versteht mich?"
Meine Haut brennt, wie nach einem meiner Albträume, doch es lodern keine Flammen um uns; noch das Ausmaß dieser. Es ist, als brenne das Feuer, ohne wirklich zu lodern. Als könne es nicht frei atmen, aber als versuche es das. Was passiert mit mir? Feuerdreck!
Angestrengt kämpfe ich um eine regelmäßige Atmung, während ich wirklich zu Azarias blicke - nicht nur in seine Augen.
Erneut wird mir der Atem geraubt.
Ein Licht. Nein, blaue Wirbel umfließen den jungen Mann wie Wasser. Nein, wie ein Windhauch. Es streicht über seine Haut und kräuselt sich. Ein Sog zu dem jungen Mann, den ich zuvor nicht gespürt habe, baut sich auf. Ruft nach mir. Wünscht mich in den Arm des Fremden.
Mein Blick fällt auf meine Hand. Rote Flammen tanzen über sie. Nicht so kräftig wie wirkliches Feuer, sondern wie Azarias blauer Wind leicht durchsichtig. Es fühlt sich vertraut und gut an. Angenehm und bestärkend. Ist das mein Drachenflüstern? Die rote Seele?
„Amaya, versteht Ihr mich?", wiederholt Azarias zum fünften Mal und ich reiße mich von dem Anblick. Ignoriere den aufsteigenden Schmerz in meinem Kopf und meinen Gliedern und blicke zu dem jungen Mann.
„Ja!", sage ich atemlos.
Ein enormer Druck fällt erneut über mich, der die Luft aus mir drückt.
Azarias kommt zu mir geeilt; umklammert mein Gesicht, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Seine Lippen bewegen sich, aber die Worte dringen nicht zu mir durch. Ein Meer aus Stimmen entsteht in meinem Kopf, mein Körper wirkt fremd, mein Sichtfeld verändert sich. Verschwimmt, zeigt einen Wald von oben, verschwimmt, zeigt Azarias verzweifelt vor mir und verschwindet erneut.
Es muss eine Ewigkeit vergehen, in der ich darum kämpfe, aus dem Chaos zu kommen. Meine Finger graben sich immer schmerzlicher in meinen Oberschenkel, bis warme Lippen erneut die meinen treffen. Anders als zuvor. Inniger. Gieriger. Verzweifelter. Voller Drang. Doch nicht der junge Mann, sondern ich.
Ich drücke mich an ihn, als habe er die Luft, die mir geraubt wird. Als sei er der junge Mann, der mein Herz und meine Seele hält; dem meine Zukunft gehört. Als sei er Keir.
Azarias ist es, der mich von sich drückt; der die Verbindung, die mich zu ihm zerrt, löst. Tränen fließen meine Wangen hinunter, als ich verstehe, was ich gerade getan habe.
„Ich will das nicht", schluchze ich, an seiner Brust gelehnt. Meine Seele verlangt nach jeder möglichen Nähe zu dem blauäugigen jungen Mann - ein so großer Drang, der zuvor nie da war. Doch mein Herz ruft nach Keir.
„Ich weiß", wispert Azarias gequält und streicht mir durchs Haar.
Erst als die Wächter nach uns rufen, löst sich der junge Mann von mir, hilft mir auf die Beine und sieht mich noch einmal an. Er streift die Strähnen, die an meinem feuchten Gesicht kleben, beiseite und betrachtet mich streng.
„Wieso habt Ihr versucht zu flüchten?"
„Das habe ich nicht!"
Noch immer sehe ich den blauen Schimmer, der ihn umfließt, wenn auch weniger kräftig als zuvor.
„Talib und Keir werden zum Palast gebracht! Und ich will sein, wo sie sind! Sonst wäre ich vor Tagen geflüchtet!", sage ich fest und spüre den Stich in meinem Herzen. Zwar hat er mir versichert, dass ihnen nichts angetan wird, doch er konnte auch nichts gegen meine Übergriffe tun. „Ich wünschte, sie wären hier."
Erst als er mich in eine erneute Umarmung zieht, wird mir bewusst, dass ich auch die letzten Worte laut ausgesprochen habe.
„Azarias, was ist passiert?" Das blaue und rote Licht, das uns umgibt, verflechtet sich bei unserer Berührung und der Drang nach dem jungen Mann nimmt zu. Als schmeckt es süßen Honig und verfalle in einen Rausch nach mehr. Weshalb ich mich löse und einen Schritt zurücknehme und den Fasern dabei zusehe, wie sie sich lösen und der Drang abgeschwächt.
„Es scheint, als habt Ihr Euer Drachenflüstern befreit." Seine Augenbrauen verziehen sich besorgt, als wäre es etwas Schlechtes. „In den Aufzeichnungen passiert es bereits in den ersten Jahren und immer mit einem frisch geschlüpften Drachen. Weshalb Euer Drachenflüstern so lange ruhen konnte, ist merkwürdig. Auch ohne Drachen hätte es nach einigen Jahren erwachen müssen. Glaube ich. - Ich weiß nicht, was mit Euch passiert." Azarias streift seine dunklen Locken nach hinten und nimmt einen tiefen Atemzug. „Mit einem Drachen, wenn auch nur ein Jungtier, ist es gefährlich. - weshalb ich die Verbindung übernehmen musste. Es hat Euch ... es war zu stark." Er scheint selbst um eine Antwort bemüht und kann nicht in Worte fassen, was er selbst nicht versteht.
Aber etwas wird ersichtlich.
Mein Lächeln wächst bei dem Gedanken, dass ich im Begriff bin seinen größten Vorsprung aufzuholen. Meine Kraft über die Drachenseele und somit Drachen und Feuer.
„Wir spielen jetzt also mit denselben Karten."
Dann lasst die Spiele beginnen!
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Drachenflüstern
Fantasía„Ist das alles ein Spiel für dich?", fragt er so wütend, wie lange nicht mehr. „Ja, ist es!", entgegne ich entschlossen. „Ich sterbe lieber mit einem Lächeln auf dem Gesicht, anstatt einem Blick über die Schulter." Amaya ist ihr ganzes Leben auf der...