Talib dreht sich zu dem Fremden in der Vulkanascherüstung. Baut sich wie eine schützende Burgmauer zwischen mir und dem Mann auf. Ich senke meinen Blick und hoffe, dass der Schatten unter meiner Kapuze ausreicht, um mein Gesicht zu verhüllen. Zwinge mein Herz zu einem gehetzten, aber regelmäßigen Rhythmus; bereite meinen Körper auf einen Kampf vor und bemühe nicht bei jedem Atemzug zu keuchen. Und hier ist die Angst, die den Traum des Spiels des Lebens zerstört. Ich darf nur die Kontrolle nicht darüber verlieren.
Der Fremde tritt langsam auf uns zu. Schwere Schritte, die den Sand aufwirbeln und den Boden zum Vibrieren bringen. Das ihn umgebende Wispern wird lauter. Worte in einer mir nicht verständlichen Sprache - doch das Leid und der Schmerz auch so verständlich. Greifbar, wie in meinen Albträumen, die ebenso nicht meine sind.
Ich schlucke schwer und will einen Schritt weichen. Doch erinnere mich, dass ich bereits mit dem Rücken an der Wand stehe. Drachenmist! Wieso habe ich nicht einfach auf Talib gehört?
„Ich habe Geschrei gehört", sagt der Fremde und bleibt vier Schritte vor Talib stehen. Er versucht, über die Schulter meines Bruders einen Blick auf mich zu erhaschen. Nur mäßig erfolgreich.
„Verzeiht, mein Herr. Meine Schwester und ich hatten nur einige Unstimmigkeiten." Talibs Stimme ist ruhig, beherrscht und zeigt nichts von der Angst, die sich mit Sicherheit in ihn frisst.
„Schwester?" Die Stimme des Mannes ist tief. Angenehm, wenn man so mag. Doch der Akzent, die Uniform, seine Ausstrahlung – stellen meine Nackenhaare auf. Frösteln, obwohl die Sonne scheint.
„Ja, mein Herr", bestätigt mein Bruder und lehnt sich ein Stück nach rechts, um mich ganz zu verhüllen.
Ich spüre, dass die stahlgrauen Augen mich fixieren, trotzdem behalte ich den Blick stur auf Talibs Rücken. Nestele am Knoten meines Kleides, der den Rock um meine Mitte bindet. Um besser zu rennen, trage ich Hosen. Da ich so nicht erwischt werden darf – eine Frau in Hosen, wäre beinah ein so großes Verbrechen, wie zu stehlen – trage ich ein Kleid darüber, das ich jederzeit herunterlassen kann. Was ich zur Sicherheit tue. Kämpfen kann ich auch mit dem nervigen Teil.
„Und ist diese Schwester stumm?" Die Vulkanasche klimpert bei seiner Bewegung. Erinnert an ein Windspiel. Wie seine Stimme angenehm zu lauschen, wäre es nicht für die Gefahr dahinter. Ich bete, dass er nicht seine Waffe gezogen hat, denn sehen kann ich ihn nicht mehr.
„Nein, mein Herr." Ich kann mir vorstellen, wie sehr Talib den unterwürfigen Ton hasst. Wie viel es ihn kostet nicht das Messer zu zücken, das an seinem Rücken unter dem Hemd steckt; dem Wächter die Kehle durzuschneiden, meine Hand zu packen und die Stadt so schnell wie möglich zu verlassen. Wieder auf zum nächsten Ort. Auf der Flucht vor genau diesen Männern. Wächter.
„Dann würde ich gerne von ihr hören, dass alles in Ordnung ist."
Die Muskeln meines Bruders verspannen stärker. Mein Herz stolpert, doch ich kann es davon abhalten, in die Höhe zu schießen. Die Angst darf nicht die Kontrolle bekommen!
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Drachenflüstern
Fantasía„Ist das alles ein Spiel für dich?", fragt er so wütend, wie lange nicht mehr. „Ja, ist es!", entgegne ich entschlossen. „Ich sterbe lieber mit einem Lächeln auf dem Gesicht, anstatt einem Blick über die Schulter." Amaya ist ihr ganzes Leben auf der...