Ein unerträglicher Schmerz explodiert in meinem Kopf. Er reißt mich aus einem Zustand, der nicht als Schlaf bezeichnet werden kann, da ich keine Ruhe fand. Zu dem Schrei, der meine Kehle verlässt, gesellt sich unbezwingbare Angst. Ich bin in einem verfluchten Zelt! Drachenmist! Das brennt noch schneller als der Dachboden.
Als ich die Lider aufreiße und mich aufsetze, ist die einzige Flamme in meiner Umgebung, die in einer Feuerschale.
Die Blitze in meinem Sichtfeld lassen mich zu spät erkennen, dass Azarias vor mir kniet. Seine blauen Augen stechen aus der sonst düsteren Umgebung wie Sterne. Doch nicht einmal seiner beruhigenden Aura gelingt es den Schmerz und die Angst zu lindern, die mich zwischen schweren Atemzügen gequält schreien lassen.
Mit den Fingerspitzen berührt er zu jeder Seite meine Schläfe und lässt mich nach Luft schnappen. Ich bin die warme Berührung nicht gewöhnt. Sie ist nicht heiß. Aber da sonst jede kalt ist, gleicht es einem Feuer. In Kreisbewegungen massiert er die Stelle. Tatsächlich löst sich der Schmerz. Meine Atemzüge werden ruhiger und die Blitze erlöschen.
Azarias löst die Finger von mir, träufelt etwas auf sie und massiert den letzten Schmerz aus meinem Kopf. Nach einem überprüfend blickt in die Auge, nimmt er Abstand. Da mich erneut das wohlige Gefühl seiner Nähe packt - das ich nicht spüren will - ziehe ich die Knie an die Brust, um eine Barriere zu errichten.
Das Zelt ist so groß wie der Dachboden in Brix. Neben der Pritsche, steht ein Tisch mit Stuhl, aus dem ein Schachbrett steht und davor die Feuerschale. Auf der anderen Seite steht eine Waschbank und zwei große Truhen in den Stoffwänden, die meine Verlies bilden. Vermutlich ist es kein Luxus für die Wächter, doch für eine Gefängniszelle und besonders für mich gleicht es einem Palast.
„Was ist das?" Ich nicke mit dem Kopf zu der Phiole, die Azarias zurück in seine Holzkiste verstaut. Das schwache Licht des Feuers flackert in der klaren Flüssigkeit.
„Das wollt Ihr nicht wissen." Der junge Mann klappt die Truhe zu und verschließt sie mit einem Klick.
„Jetzt will ich es erst recht wissen!" Obwohl ich viel zu kurz geschlafen habe, fühle ich mich plötzlich erholter. Kräftiger. Mutiger.
„Drachentränen." Meine Augen werden groß und ich warte auf eine Erklärung, der Blume, der Heilpflanze oder des Krauts. Doch es folgt nichts.
Meint er wirkliche Tränen eines Drachens?
Der junge Mann nickt, als habe er meine Gedanken gehört. Mein Atem stockt. Die Vorstellung, wie er an diese Tränen gekommen ist, verkrampft mein Inneres. Hastig wische ich mir über die Schläfe, doch die Flüssigkeit ist bereits in meine Haut gezogen und brennt sich in mein Gewissen.
„Der Schmerz kommt vom Talisman. Aber in ein paar Tage sollte er sich lösen." Azarias deutet auf die Kette, die mir umgelegt wurde. Eine goldschimmernde Murmel, gefangen in einem Kettennest. Clippers Drohung, was die Manschetten angeht, habe ich ebenso auf die Kette bezogen, weshalb ich sie nicht abgelegt habe.
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Drachenflüstern
Fantasia„Ist das alles ein Spiel für dich?", fragt er so wütend, wie lange nicht mehr. „Ja, ist es!", entgegne ich entschlossen. „Ich sterbe lieber mit einem Lächeln auf dem Gesicht, anstatt einem Blick über die Schulter." Amaya ist ihr ganzes Leben auf der...