Meine Nasenflügel beben. Mein Puls rast und mein Blut kocht. Nur mit Mühe verliere ich die Beherrschung nicht.
Wütend schleudere ich mein Schwert durch den Raum. Das Klappern von Metall auf Marmor wird von meinem Schrei erstickt, der von den kahlen Wänden widerhallt. Zorn wallt in mir auf.
Verdammt!
Meine Faust knallt gegen die Wand, Bilder scheppern zu Boden. Ein weiterer Schrei. Nicht aufgrund der Qual meiner aufgeplatzten Knöchel, die einen roten Fleck an der Wand hinterlassen. Sondern aus abgrundtiefer Wut, die mir den Schmerz verbietet. Erneut schlage ich gegen die Wand und glaube, meine Knochen brechen zu hören. Doch meine Nervenbahnen bleiben ruhig. Wie konnte das passieren?
Noch nie in meinem Leben habe ich jemals versagt. Nie!
„Und doch lebt sie und hat es gestohlen", flüstert eine gehässige Stimme in meinem Kopf.
Meine Faust fliegt ein weiteres Mal gegen die Wand. Dieses Mal durchbreche ich sie und das gesplitterte Holz zieht blutige Spuren auf meinem Unterarm. Meine Haut klafft auf und dicke schwarze Flüssigkeit tropft auf den weißen Marmor.
Ein zaghaftes Klopfen lässt mich nach hinten sehen. Ein junger Mann mit grauen Augen starrt mich verängstigt an. Sein Blick geht zur Pfütze, die sich unter meinem Arm gebildet hat. Er verliert das Blut aus dem Gesicht, schwankt leicht und fängt sich wieder.
„Sprich!", blaffe ich. Meine Stimme ist so laut, dass sie wie ein Kanonenknall von den Wänden widerhallt und die Wut wie Flammen aus mir herausbricht.
Der junge Mann zuckt zusammen. Sein Körper bebt und er verkrampft die Hände ineinander. Er muss in etwa in meinem Alter sein, doch wirkt wie ein Kind. Ein kleiner, verängstigter Junge. Das war ich auch einst. Seine Augen glänzen und bringen meine Wut zum Überschäumen. Das bin ich nicht mehr!
Mit eiligen Schritten stampfe ich auf den Boten zu. Ein Winseln kämpft sich durch die schweren Schritte, die von den Wänden widerhallen. Erst als der junge Mann zuckt, bemerke ich die Faust, die ich gehoben habe und gerade auf ihn nieder schmettern wollte. Erschrocken, wende ich mich von ihm ab und bringe Distanz zwischen uns. Ich muss ihn zumindest zuerst anhören!
„Sprich!", sage ich fest, doch nicht mit derselben Stärke wie zuvor. Aber die Wut ... die Wut schlägt noch immer aus wie eine Stichflamme und hält meine Hand in einer Faust gefangen.
„Es ist Euer Vater, Hoheit", stottert der junge Mann. Ich dachte, meine Wut hätte bereits den Höhepunkt erreicht. Dachte, der nächste Schritt wäre die Eruption dieser. Doch ich lag falsch. Der Druck erhöht sich, statt zu explodieren.
Meine abrupte Drehung lässt den Jungen erneut zusammen zucken. Hätte ich nicht gerade Distanz zwischen uns gebracht, wäre meine Faust tatsächlich in sein Gesicht gerast.
„Was will der König von mir!?"
Wenn ich eines im Moment nicht brauchen kann, dann ist es eine Ansprache meines Vaters.
Eine Zurechtweisung, als sei ich ein Kind.
Der Junge wendet seine grauen Augen zu Boden. Meine Rage treibt mich näher zu ihm. Mit grobem Griff reiße ich sein Kinn zu mir und funkele ihm entgegen. Schmiere dabei mein schwarzes Blut auf seine blasse Haut, die es noch unweltlicher aussehen lässt. Er sollte meine Beherrschung nicht überschätzen. Jeden Moment verliere ich sie.
„Was will mein Vater von mir?", knurre ich wie eine Bestie und betone jedes Wort. Mein Speichel spritzt ihm ins Gesicht, doch er traut sich nicht zu blinzeln.
„Euer Vater ..." Sein Adamsapfel springt auf und ab. Seine Stimme bricht und er räuspert sich. „Der König - er ist ..."
Meine Geduld ist am Ende. Ich drohe ihn zu erdrosseln noch, bevor er mir die Botschaft mitteilen kann. Kräftig stoße ich den Jungen von mir, der stolpert und auf den Boden klatscht, als sei es ihm aufgrund der Starre nicht möglich den Sturz abzufangen.
„Wenn du nicht augenblicklich zu Worten findest, werfe ich dich persönlich aus dem Fenster!" Ich stampfe zu dem Boten und zerre ihn am Kragen auf die Beine.
„Ihr Vater, der König, ist tot", sagt er fest und blickt mir dabei in die Augen.
Erschrocken lasse ich von ihm ab. Wie eine Marionette, deren Fäden zerschnitten wurden, stürzt er zurück auf den Marmor. Nicht ich machte ihn nervös, sondern seine Nachricht. Ich schlucke schwer und komme einen Wimpernschlag nicht zu Atem.
Der Boden wankt unter mir und ehe ich mich versehe, stürze ich auf die Knie. Doch auch dieser Schmerz erreicht mich nicht. Ein Loch tut sich auf und verschlingt die ganze Wut auf sie, die gerade noch von mir Besitz genommen hat. Jeden Tropfen des Feuers reißt es mit sich. Alles.
Mein Blick findet zu dem jungen Mann, der sich aufgerappelt hat und unsicher zu mir blickt.
„Wer?", frage ich zornig, aber nicht länger so laut wie zuvor. Die Brauen des jungen Mannes gehen in die Höhe und er legt den Kopf schief. Seine Augen funkeln noch immer verängstigt und auch das Zittern ist noch nicht ganz von ihm gewichen. „Wem ist es gelungen, ihn endlich zu töten?"
Niemand außer mir hätte die Ehre haben dürfen, das Schwert durch sein verdorbenes Herz zu jagen.
Niemand außer mir hätte dabei zuzusehen dürfen, wie das Leben aus seinen Augen weicht.
Wie er zittrig seinen letzten Atemzug nimmt.
Niemand außer mir!
Ich schnaufe von neuer Wut gepackt. Nicht zu bändigender Wut. Meine Augen verengen sich und ich mustere den Boten, der stärker zu zittern beginnt.
„Ilaria", wispert er. Ihm ist bewusst, welches Monster er damit von seinen Ketten befreit.
Nicht nur habe ich versagt und sie streifte lebend über das Land. Aber sie hat getan, was hätte mir vergönnt sein sollen.
Der Hass bricht wie ein Vulkan aus. Ohne es wahrzunehmen greife ich nach dem Schwert, das neben mir liegt, und ramme es durch das Herz des jungen Mannes. Sekunden später sprudelt das Blut aus seinem Mund, rotes Blut, und er fällt röchelnd zu Boden. Seine Augen weit aufgerissen; seine Lunge vergeblich nach Luft schnappend.
Mit all meiner Kraft und aus ganzer Seele schreie ich auf. Bringe die Fenster zum Vibrieren, hinter denen sich ein unheilvolles Unwetter formt.
Hinter denen ich das unheilvolle Unwetter hervor beschwöre.
Blitze durchbrachen im Sekundentakt die Dunkelheit, Regen zerplatzt laut an den Scheiben und Donner bringt die Welt zum Beben. Erdbeben gleich zum Erzittern.
„Ich finde dich! Und wenn ich es tue, reiße ich dich in Stücke. Dieses Mal entkommst du mir nicht!", scheint meine Stimme aus den Wolken auf die Welt zu donnern, in der Ilaria sich zu verstecken versucht. Doch ich werde sie finden und wenn ich sie finde, wird sie sich wünschen, dass mein erster Angriff tödlich gewesen wäre.
Wortzahl: 1044
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Drachenflüstern
Fantasi„Ist das alles ein Spiel für dich?", fragt er so wütend, wie lange nicht mehr. „Ja, ist es!", entgegne ich entschlossen. „Ich sterbe lieber mit einem Lächeln auf dem Gesicht, anstatt einem Blick über die Schulter." Amaya ist ihr ganzes Leben auf der...