Kapitel 2

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Nach der ersten Pause ging es dann auch schon mit dem Unterricht los, schließlich war dieses Jahr kürzer und trotzdem am wichtigsten. Demzufolge musste es gleich weitergehen, auch wenn Mina weiterhin ziemlich müde war. Sie wollte nach Hause, in ihr Bett und einfach zur Ruhe kommen, doch bisher waren von acht Stunden erst zwei vergangen. Ihr Stundenplan kam ihr jedoch gelegen; in den ersten zwei Stunden hatte, sie ab der nächsten Woche, Sport. Anschließend eine Stunde Englisch, dann eine Stunde Geschichte-Leistungskurs und dann nochmal Pause. Nach der Pause eine Doppelstunde Musik und nach der Mittagspause nur noch Religion. Und obwohl der Montag dementsprechend ziemlich entspannt war, fühlte sie sich konstant unwohl in ihrem Körper. Wie sollte sie sich auch fühlen? Es war ihr Geburtstag, für sie der einzige Tag, der wirklich schön war, aber so fühlte sich dieser nicht an. Keiner hatte daran gedacht. Als ihre Geografielehrerin sie noch unterrichtet hatte, bekam sie von ihr die Aufmerksamkeit, die sie brauchte und dies hatte sie nun nicht mehr. Es war nicht so, dass sie Aufmerksamkeit wollte, denn sie wollte lediglich nicht alleine sein. Vielleicht war sie praktisch gesehen nicht alleine, denn ihre Kurse waren voll besetzt, aber sie fühlte sich zumindest so. Sie wollte sich einfach nicht mehr alleine fühlen; jemanden haben, der sie nicht alleine lässt. Und obwohl sie sich so fühlte, fühlte sie nichts. Innerlich war sie leer. Keine Trauer, Wut oder sonstiges. Nur absolute Leere.

In Englisch meldete sie sich manchmal, machte die Aufgaben und war froh, eine dreiviertel Stunde später in Geschichte zu sitzen. Sie wusste nicht wieso, aber sie fühlte sich wohl. Ja, fast schon geborgen, dabei hatte sich absolut nichts verändert. Der Kurs war lediglich anders zusammengestellt und anstatt ihrer Englischlehrerin, saß Ms. Erics am Pult und führte den Unterricht. Dennoch war etwas anders, aber sie wusste noch nicht, was es war.
Wie dem auch sei, sie meldete sich häufig und teilte eifrig ihr Wissen. Geschichte hatte sie schon immer begeistert, weshalb sie sich nicht darum kümmerte, was ihre Mitschüler*Innen über sie denken könnten. Wieso auch? Alles was sie von sich gab, war richtig und das schien auch Ms. Erics zu beeindrucken, denn diese bat sie, nach dem Unterricht noch kurz zu bleiben. Natürlich wollte Mina nicht mit ihr sprechen, einfach in die Pause gehen, um die Sympathie nicht zu stärken, aber das konnte sie ihrer Lehrerin unmöglich sagen. Sie nickte also lediglich, ließ sich am Ende Zeit beim einpacken und ging langsam zum Pult, als nur sie beiden im Klassenraum waren. "Ich fand es sehr schön, wie gut du dich beteiligt hast und wie viel du dem Kurs berichten konntest. Du interessiert dich für Gesichte, nicht wahr?" fragte die Brünette und strahlte sie begeistert an. Sie nickte und musste etwas lächeln. "Ehm, ja. Ich habe mich eigentlich schon immer damit auseinandergesetzt, um die Welt und die Gesellschaft besser verstehen zu können. Am interessantesten finde ich noch immer die NS-Zeit und dementsprechend die Herrschaft von Hitler." erklärte sie voll in ihrer Begeisterung und merkte, wie sich das Lächeln ihrer Lehrerin weiter ausbreitete. Als sie dies registrierte, schaute sie weg. "Hey, du brauchst doch jetzt nicht wegschauen. Ich finde es wirklich bemerkenswert!" Mina freute sich selbstverständlich über ihre Worte, dennoch wollte sie abblocken, einfach gehen. Die Sympathie sollte und durfte nicht stärker werden, redete sie sich ein. "Bist du okay?" fragte ihre Lehrerin sie offensiv und holte sie somit zurück. Bist du okay? Drei so einfache Worte reichten, ihre Aufmerksamkeit wieder auf Ms. Erics zu richten. Sie hatte gar keine Zeit über ihre Worte nachzudenken, denn sie antwortete ihr einfach: "Nein, nicht wirklich. Aber ich möchte darüber jetzt nicht sprechen. Ist es in Ordnung, wenn ich jetzt in die Pause gehe?" Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so ehrlich gewesen war und das auch noch bei einer fremden Person. Auf die Frage, wie es ihr geht, gab es immer nur eine Antwort; gut. Jetzt konnte sie aber nicht anders, als ihrem Gegenüber einen kleinen Einblick zu geben, wofür sie sich schämte. Niemanden hatte es zu interessieren, wie es ihr wirklich ging. Absolut niemand und sie wollte sich solch einen Fehler nicht mehr erlauben. "Klar, geh ruhig." Mina nahm also ihre Tasche, ging Richtung Tür, als Ms. Erics noch etwas sagte. "Alles Gute zum Geburtstag." Sie blieb kurz stehen. Alles Gute zum Geburtstag. Ihre Gedanken kreisten um diese Worte, bis sie weiterging, ohne etwas darauf zu erwidern. Gewundert hatte es sie nicht, dass sie wusste, dass sie heute Geburtstag hatte, denn die Geburtstage konnte jeder Lehrer sehen, wenn er die Anwesenheit prüfte. Nur hatte sie nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet Ms. Erics ihr gratuliert. Andere Lehrer*Innen unterrichteten sie schon länger, taten es aber nicht. Aber Sie, die sie erst seit heute kannte, wünschte ihre alles Gute und das fühlte sich unbeschreiblich gut an. Das war der erste Moment, an welchem sie mal etwas anderes als Leere fühlte. Ja, sie fühlte sich gut, zwar nur für diesen Moment, aber das reichte ihr.

Der restliche Schultag verging wie im Fluge und am Ende der Religionsstunde, war sie offensichtlich froh. Mina wollte nun endlich nach Hause fahren und sich ins Bett legen. Morgen hatte sie nur sechs Stunden, wollte aber trotzdem versuchen an Schlaf zu gewinnen, auch wenn sie daran nicht glaubte. Aber der Versuch war es wohl immer Wert. Sie ging also durch das Gebäude, musste am Lehrerzimmer vorbei, um aus dem Gebäude zu gelangen, aber ihr Plan ging nicht auf. Ms. Erics kam gerade aus dem Lehrerzimmer und direkt auf sie zu, sie hatte sie also gesehen. "Du Mina, könnten wir ganz kurz reden oder hast du es eilig?" fragte diese. Es dauerte ein bisschen, bis Mina ihr antwortete, denn sie rang mit sich selbst. Wollte ihr am liebsten sagen, dass sie jetzt nicht konnte, stattdessen tat sie genau das Gegenteil. "Nein, ich habe Zeit. Worum geht es denn?" Sie konnte sich nicht im geringsten vorstellen, was ihre Lehrerin von ihr wollte. Möglicherweise gefiel es ihr nicht, dass sie das letzte Gespräch so abrupt beendet hatte? "Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich gerne in meinen Klassenraum gehen, damit wir ungestört sind." Wieder rang sie mit sich. Sie hatte sich eigentlich schon zu viel auf die kurzen Gespräche eingelassen, die Sympathie zugelassen und sich verwundbar gemacht. Gegen ihre Gedanken, stimmte sie zu und lief der jungen Lehrkraft hinterher. Als sie so hinter ihr lief, machte sie sich Gedanken über ihre Lehrerin. Mina fragte sich, wie alt sie wohl war, da diese einen noch ziemlichen jungen Eindruck machte. Vielleicht Ende zwanzig oder Anfang dreißig?

➡️Neues Kapitel!
Dies ist mein erstes 'Buch', womit ich bisher vollständig zufrieden bin. Mein eigener Schreibstil gefällt mir richtig gut.
➡️Schreibt gerne in die Kommentare, wie euch dieses Kapitel gefiel und stimmt gerne für den Teil ab, um mir ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern.

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