Die Entführung

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„WAS WOLLEN SIE VON MIR???" Leila schlug ihre Faust voller Kraft auf den Mann, der sie fest um die Schulter hielt. Sie spürte genussvoll wie der Schlag wunderschön die Nase des Mannes traf und ein leises „krack" ertönte. Die Dunkelheit umhüllte beide und der Schmerz schoss dem Manne in die Glieder. Fluchend drehte er sich um, während dem er mit der Linken an seiner Nase griff. Er liess kurz locker, Leila nutzte die Gelegenheit, sie hatte zwar nicht wirkliche Kampferfahrung, doch sie war schnell.

Ihre Freundin Jeniffer und sie hatten ein Hobby, den „Angebern" in der Schule Dinge zu klauen, und sie damit zu blamieren diese nicht mehr zurückzukriegen. Frau Kartes, Ihre Primarschullehrerin, hatte sie immer wieder ermahnt damit aufzuhören und manchmal mussten die beiden dafür auch Nachsitzen, aber Leila und Jeniffer merkten, dass Frau Kartes dieses Spiel selbst lustig fand.

Leila drehte sich um und schlug dem Typen dabei nochmals mit voller Kraft zwischen die Beine, bevor sie, so schnell sie konnte, wegrannte. Die Gassen lagen einsam vor ihr und jeder Schritt brachte Ihr mehr Abstand zu diesem Manne. Kurz darauf stand sie bei einer Abzweigung. Schnell entschied sich Leila für den rechten der beiden Wege, der Rand war mit wenig Gras bewachsen. Dieser Weg führte zwar noch weiter weg von Zuhause, aber ebenfalls schneller aus der Einsamkeit, die sich an dieser Stelle der Stadt unverschämt niedergelassen hatte.

Der Schmerz zwischen seinen Beinen ergriff ihn ruckartig und er schrie nochmal auf. Der Mann sah für einen Moment alles vor seinen Augen verschwimmen. Die Abendluft hüllte Ihn ein und der kalte harte Boden unter ihm leitete Trostlosigkeit bis in seine Fingerspitzen. Am liebsten wäre er selbst weggerannt. Der Schmerz zwischen den Beinen war einfach unausstehlich, doch er nahm sich zusammen und sprang mit einem katzenartigen Sprung nach vorne und landete leichtfüssig vor Leila. Er starrte Ihr mit grossen kampfbereiten Augen ins Gesicht. Der Mann hatte Ihr beide Wege versperrt. Leila schrie vor Überraschung laut auf. Wie war er so leise und so schnell um Sie herum gekommen? Ihr Herz raste und Angst durchfloss sie, als sie fast geradewegs in Ihn rein gerannt wäre. Sie sah die zerrissene Jacke des Mannes unter der ein billiges altes T-Shirt klebte. Die verblassten Trainerhosen die sie im spärlichen Licht sah, waren noch am Brauchbarsten von allem. Schnell, aber auch ein wenig verwirrt versuchte Leila zu fliehen, doch Sie stellte hinter sich erschrocken hohe Steinmauern fest. Entschlossen drehte sich Leila um, sie würde nicht aufgeben. Der Fremde starrte zurück, sein intensiver Blick war unmöglich zu deuten. Er wirkte zerbrechlich, einsam und verwirrt und trotzdem hing einen Art unverschämten Sadismus in seinem Blick. Zögerlich ging Leila ein paar Zentimeter nach vorne, um Abstand zwischen sich und die Steinmauer zu bekommen. Die Kraft des Mannes hatte sie von Anfang an überrascht, obwohl er schwach und hilflos wirkte. Sie holte tief Luft. „Was wollen Sie?" die Worte kamen ihr leise und doch bestimmt über die Lippen, Ihre Anspannung unterdrückte sie so gut es ging. Sie dachte zu wissen was er wollte. Er wollte kein Geld, auch wenn er es sicherlich gut gebrauchen konnte; der Blick mit dem er sie betrachtete war unmissverständlich und lustvoll. Die Frage hatte sie gestellt um Zeit zu schinden. Eindringlich blickte er aus seinen tiefschwarzen Augen zu ihr. Er war höchstens so alt wie Sie, also eigentlich war es eher noch ein Junge, mit einem kindlichen Gesicht, er hatte noch keine Spur von Bart. Der Blick hatte klar etwas Falsches. Seine Handlungen waren präzise und von unglaublichem Tempo, und wirkten doch vollkommen unerfahren.

,Was hatte den in diesen Zustand gebracht?

Leila spannte sich an und schüttelte aufkommende Gedanken an Mitleid oder Unterstützung beiseite.

Sie wollte nur noch nachhause. Machte sich Ihre Mutter schon sorgen? Nein, vermutlich noch nicht, aber wenn dies falsch ausging, würde sie sich bald wundern. Und würden die Sorgen dann berechtigt sein? Die Antwort lief Ihr kalt den Rücken hinunter. Was würde geschehen, oder noch schlimmer, was könnte geschehen? Es war Ihr von Anfang an nicht geheuer gewesen, langsam kriegte sie richtig Angst. Das junge und kindliche Aussehen Ihres Gegenübers hatte die Sache nicht besser gemacht. Was hatte der dann auf der Strasse zu suchen?

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