Kapitel [9]

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Wei Ying sah Yanlou abwartend an, doch der goss sich in aller Gemütsruhe, nachdem er eine neue Flasche geholt hatte, einen Becher Wein ein. Unruhig zappelte Wei Ying mit seinem Fuß. "Ahhhh, guter Wein, niemand macht so guten, wie der alte Phönix." "Yanlou?!""Immer diese Ungeduld der Jugend. Ja ja, ich weiß, du bist so alt wie das Universum. Nun gut, das eklige Gebräu, wie du es nennst, besteht aus Seelenkraut und einem Fragment deiner Seele, das ich zum Glück einfangen konnte." Ein erstaunter Ausruf entfleuchte Wei Ying, doch Yanlou hob seine Hand, um ihn daran zu hindern, etwas zu erwidern. "Ich weiß, was du fragen willst. Warum es weiterhin in der Flasche ist? Ganz einfach, wenn du es jetzt mit deiner verbinden würdest, hättest du dein Chaos nicht im Griff. Es wird dir helfen, deine anderen Fragmente zu finden, die dann automatisch in die Flasche gezogen werden. Wenn du alle zusammengetragen hast, können wir deine Seele heilen. Je mehr du einfängst, umso weniger bitter wird das Gebräu sein.""Wo hast du sie gefunden? Und erkläre mir, was du mit gut gemeint hast.""Das Fragment befand sich bei den Grabhügeln, als wir deinen Körper bargen." Erneut sprang Wei Ying auf und schrie Yanlou an. "Wie bitte? Ihr wart dort und habt nicht eingegriffen? Ihr habt Lan Zhan und mich im Stich gelassen?" Nun platzte Yanlou der Kragen, schlug erbost mit seiner Faust auf den Tisch, der darauf in der Mitte brach und alles, was sich darauf befand, mit in die Tiefe riss. Wei Ying sah Yanlou erschrocken an, denn er hatte ihn zuvor noch nie so gesehen. Yanlous sonst silbrige Augen waren jetzt tiefschwarz und dunkelroter Nebel umhüllte ihn. Seine Kiefer waren angespannt und die Ader auf der Stirn trat fingerdick hervor. "Bei allen Gerichtshöfen, wenn du mich noch einmal unterbrichst, ich schwöre dir, du wirst es bereuen! Hinsetzen und Mund halten, bis ich fertig bin!" Ohne noch einmal mit der Wimper zu zucken, setzte sich Wei Ying auf seinen Platz und machte sich so klein wie nur eben möglich. Yanlou schnaufte hörbar durch die Nase, schloss seine Augen und atmete tief durch. Der Nebel verschwand allmählich und als er seine Augen öffnete, waren sie silbrig wie zuvor. Auch er setzte sich wieder und ließ mit einer Handbewegung die Überreste der Zerstörung verschwinden. Nun begann er erneut mit seinen Ausführungen und Wei Ying wagte es nicht noch einmal ihn zu unterbrechen. So erfuhr Wei Ying, dass der alte Phönix, der Sternenlord und Yanlou zuvor einem Zauber erlagen und Wei Ying und Lan Zhan komplett aus ihren Erinnerungen gestrichen wurden. Erst als er zurück in der Unterwelt war, fiel der Zauber von ihm ab. Er eilte zurück zum Hain und nahm die dort Verbliebenen mit in die Unterwelt. Dort klärte sich zum Glück auch ihr Verstand. Dem Sternenlord fiel wieder ein, dass die Schicksalsrollen von Wei Ying und Lan Zhan vor seinen Augen verschwanden. Yanlou öffnete daraufhin seinen Weltenspiegel. Doch was sie dort sahen, war nur der leblose Körper von Wei Ying. Sie eilten zu den Grabhügeln und dort fand Yanlou das zurückgebliebene Fragment. Da er keinen Behälter hatte, nahm er die Kürbisflasche, die immer am Gürtel des alten Phönix hing, um sie darin zu verwahren. "Weißt du, wie sehr Feng Huang gelitten hat, als er deinen leblosen Körper in seinen Armen hielt? Ich habe ihn niemals zuvor weinen sehen, er bestand sogar darauf, dich im Pfirsichhain zu begraben, doch jetzt, jetzt ist alles fort." Yanlou räusperte sich, denn seine Stimme war bei den letzten Worten rau geworden. Wei Ying spürte, wie eine Träne über seine Wange lief, die er verstohlen fortwischte. Da Yanlou weiterhin schwieg, wagte es Wei Ying ihn anzusprechen. "Es tut mir leid. Verzeih, dass ich dich unterbrochen habe und wütend wurde, jedoch hast du immer noch nicht erwähnt, was du mit gut meintest." Nach einem weiteren Moment des Schweigens sah Yanlou auf. "Ich meinte gut im Sinne von, dass wir einen Anhaltspunkt haben. Somit können wir die Suche eingrenzen. Ich hatte die Befürchtung, dass sich deine Fragmente auf einer anderen Zeitlinie oder sogar in einer anderen Dimension befinden. Doch wie es aussieht, sind sie genau auf der, in der du erwacht bist." Wei Ying kratzte sich an der Nase und überlegte. "Wie oft bin ich gestorben? Ich erinnere mich an mindestens zwei Leben.""Zwei? Wann und wo hast du gelebt?""Mit Lan Zhan in Gusu. Sie begannen ähnlich, jedoch war unser Ende immer anders." Nun war es Yanlou, der nachdenklich durch den Raum irrte. "Nicht mehr gut, zwei Leben zur selben Zeit auf einer Zeitlinie ist nicht möglich. Ah, wenn doch nur Xingming nicht verschwunden wäre, er wäre eine größere Hilfe."  Eine Weile schwiegen beide. Doch dann fiel Wei Ying der Pfirsichhain wieder ein. Die grollende Energie. Könnte es meine sein? Wenn ich dort begraben wurde, müsste mein Amulett immer noch bei meiner Leiche sein, sofern sie nicht durch die Risse verschwunden ist. "Yanlou? Habt ihr mein Amulett zuvor an euch genommen? Ich weiß nicht, wo es sich befindet und spüre es auch nicht, jedoch, als ich zum zweiten Mal im Hain war, fühlte ich dort grollende Energie, die ich mir nicht erklären konnte und als ich dem auf den Grund gehen wollte, hast du mich gepackt. Danach spielte das Chaos in mir verrückt und ich habe vergessen es zu erwähnen." "Dein Amulett? Es ist wirklich nicht bei dir? Ich hatte dich bereits danach gefragt, aber du bist dann erneut verschwunden. Bei den Himmeln, nur du kannst es wahrhaft nutzen. Wenn es in die falschen Hände fällt, möchte ich mir nicht ausmalen, was dann noch alles geschieht und bei deiner zersplitterten Seele, wirst du es nicht zu dir rufen können. Wir sollten sofort aufbrechen und hoffen, dass es noch dort ist.""Du begleitest mich?" Yanlou schwieg kurz, bevor er antwortete: "Ja, ich werde dich bei der Suche unterstützen, obwohl es mir nicht erlaubt ist in die Geschehnisse der Sterblichen einzugreifen, werde ich dich begleiten.""Was meinst du damit? Du siehst besorgt aus. Wenn es zu riskant ist, dann gehe ich allein.""Nein, A-Ying, auch auf die Gefahr hin, dass die Zeitachsen durcheinander geraten und noch mehr Chaos entsteht, komme ich mit." Wei Ying nickte verstehen. Seltsamerweise beruhigte ihn gleichwohl der Gedanke, dass Yanlou an seiner Seite sein würde. Augenblicke später standen sie im Hain. "Wo hast du sie gespürt? Ich fühle noch nichts Außergewöhnliches.""Ein Stück weiter, folge mir, ich nehme sie bereits hier wahr." Schweigend gingen sie weiter. Als plötzlich Yanlou Wei Yings Arm ergriff. "Warte, ich spüre eine fremde, bösartige Präsenz." Wei Ying fühlte in sich hinein, aber außer der grollenden Energie war da zunächst nichts. Doch dann spürte er etwas Vertrautes, allerdings war sie von Dunkelheit umgeben. Lan Zhan! Ohne zu überlegen, riss sich Wei Ying von Yanlou los und rannte geradewegs darauf zu. "Warte! Wei Ying, du weißt doch überhaupt nicht, was dich dort erwartet." Kopfschüttelnd setzte sich jetzt auch Yanlou in Bewegung und bemühte sich, ihn zu erreichen. Da Wei Ying abrupt stehen geblieben war, rannte Yanlou förmlich in ihn hinein. Beide gerieten ins Wanken, fingen sich jedoch schnell. "A-Ying, warum immer so ungestüm? A-Ying?!" Yanlou sah Wei Ying an und bemerkte den erstarrten Blick, dem er nun folgte. Was er dort erblickte, ließ auch ihn fast die Fassung verlieren.

Soulmate III: Shackles of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt