Kapitel [13]

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"Lan Zhan! Bitte, Lan Zhan, tu mir das nicht an. Du musst aufwachen und dich erinnern. Bitte, ich kann dich nicht verlieren." Seitdem Wei Ying mit Lan Zhan in der Unendlichkeit angekommen war, versuchte er ihn aufzuwecken. Zum Schutz hatte er eine Luftblase um sie herum erschaffen, da Lan Zhan immer noch in seinem sterblichen Körper feststeckte. So saß Wei Ying im Lotussitz, ihn fest in seinen Armen haltend und versorgte ihn mit seinem Qi. Dabei wog er ihn vor und zurück und weinte unaufhörlich. "Wie kann ich weiterleben, wenn du dich nicht an unsere gemeinsame Zeit erinnerst? Ich weiß, ich war nicht immer einfach und hab' meistens nur Ärger verursacht, doch ich schwöre dir, ich werde mich ändern. Bitte, lass mich nicht allein zurück." Die Trauer und der Schmerz, den er beim Anblick seines über alles geliebten Lan Zhans verspürte, machte ihn fast wahnsinnig. Wei Ying wusste, dass er egoistisch handelte und nicht loslassen wollte. Er spürte, wie sein Chaos in ihm bereits anfing verrücktzuspielen. Dennoch sträubte sich alles in ihm ihn zu töten, er klammerte sich an einem kleinen Funken Hoffnung fest. Dieser Funke, Yangs Flamme, die trotz allem, was mit Lan Zhan geschah, noch schwach flackerte.  Wenn diese erst erlosch, würde sein geliebter Baobai sterben und mit ihm dessen Seele vergehen. Er rief sich noch einmal all die Dinge in Erinnerung, die sie gemeinsam erlebten. Alles, was sie sich gewünscht hatten, war ein einfaches Leben unter den Sterblichen, doch war beiden damals nicht bewusst, was sie damit anrichten und alles davor gewesene vergessen würden. Wei Ying wusste, dass er nicht länger warten konnte, denn je länger er es hinauszögerte, umso mehr wäre alles in diesem Bereich der Unendlichkeit in Gefahr, ebenfalls zu explodieren. Er beendete die Qi Gabe und erschuf einen kleinen Dolch in seiner Hand. Wei Yings Hand zitterte, als er die Spitze über Lan Zhans Herz hielt. Er schloss seine Augen und beugte sich zu Lan Zhan hinab, um ihm zum letzten Mal sanft einen Kuss auf die ehemals so weichen, jetzt nur noch spröden, rissigen Lippen zu geben. Alles in Wei Ying schrie nein und sein eigenes Herz zersprang in Abertausende Stücke. "Verzeih mir Lan Zhan, leb wohl mein Baobei. Es ist gleich vorbei und unser beider Schmerz ist fort." Gerade als er zustechen wollte, zuckten Lan Zhans Lippen. Wei Ying fuhr hoch und ließ den Dolch fallen. Hatte er sich das nur eingebildet? Hatte er sich eine Reaktion erhofft, mit dieser letzten Geste? Gebannt starrte er ihn an, doch nach wie vor lag Lan Zhan regungslos in seinen Armen. Wei Ying schmiss seinen Kopf zurück und schrie seinen Schmerz in die endlose, dunkle Weite. Erneut nahm er den Dolch zur Hand, als er Lan Zhans Stimme vernahm. "Wei, Wei Ying." Mitten in der Bewegung erstarrte Wei Ying. Ich hab' mir das nur eingebildet. Nur eingebildet, weil ich es mir so sehr wünsche. Doch dann spürte er eine eiskalte Hand, die sanft eine Träne von seiner Wange strich. Wei Ying traute sich nicht, seine Augen zu öffnen, nur um einem Trugbild zu erliegen. Er holte aus, um den Dolch zu seinem Ziel zu bringen. Lan Zhans Herz. "Zahlst du mir jetzt meinen Fehler heim, indem du mich erdolchen willst?" Augenblicklich ließ Wei Ying den Dolch verschwinden, bevor er Lan Zhans Herz treffen konnte, riss die Augen auf und sah in die blassen, jedoch voller Liebe blickenden von seinem Lan Zhan. Mit einem Aufschrei der Verzweiflung, doch gleichwohl auch vor Erleichterung riss er ihn hoch und presst ihn fest an sich. "Ich dachte, ich hätte dich für immer verloren. Verzeih mir, dass ich dich nicht früher finden konnte und du so sehr leiden musstest." Lan Zhan erwiderte die Umarmung, zog nun seinerseits Wei Ying auf seinen Schoß, streichelte sanft dessen Rücken und ließ ihn weinen. Nach einer Weile spürte er den gleichmäßigen Atem von Wei Ying, der vor Erschöpfung eingeschlafen war. Mein armer Xiao Bao, wie es scheint, musstest du auch sehr viel erdulden. Jetzt wird alles gut. 

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Yanlou betrat sein altes Arbeitszimmer, ohne den Blick von dem Fresko zu nehmen. Es erzählte eine alte Geschichte, die bereits Äonen zurücklag. Die Entstehung der Welten. Die neun Himmel und drei Wildnisse, das Reich der Sterblichen, die Unterwelt sowie das Dämonenreich. Der Kampf zwischen Dämonenclan und den Unsterblichen der Himmel, der im Reich der Sterblichen ausgetragen wurde. Die Kreaturen, die der Dämonenclan mit sich führte, ähnelte denen, die er in der Schattenwelt sah. Wie kann das sein? Wurden sie nicht allesamt vernichtet? Yanlou wusste es nicht genau, da er zu dieser Zeit keinen Kontakt zu den anderen Reichen pflegte und sich nur um seine Aufgaben als Herrscher der Unterwelt kümmerte. Die Seelen der Sterblichen sammelte, die auf der einen oder anderen Seite kämpften und starben. Oder jene, die einfach nur das Unglück ereilte, zwischen die Fronten geraten zu sein. Nach diesem verheerenden Krieg wurden neue Gesetzte geschaffen, die anordneten, sich niemals wieder in Geschicke der Sterblichen einzumischen, noch sich ihnen zu zeigen. Der damalige Dämonenclan wurde gespalten, denn auch unter ihnen gab es Friedliche, die sich dem Fürsten nur gegen ihren Willen unterordneten, um ihre Familien zu schützen. Die Überlebenden dieses Zweiges schlossen einen Pakt mit dem Himmelsfürsten, nie wieder ihr Reich zu verlassen und Yanlou wusste, dass dieser Vertrag bis heute nie gebrochen wurde. Diejenigen, die dem Fürsten treu ergeben und noch am Leben waren, wurden exekutiert. Ihre Essenzen warf man in den Fluss ohne Wiederkehr, dort, wo jedes Wesen, egal ob himmlischen oder dämonischen Ursprungs, ihre Bestrafung erhielten, bis sie sich schließlich gänzlich auflösten. Er erinnerte sich an die Geschichte, die Wei Ying ihm erzählte und warum sie ihm so vertraut vorkam, doch wich sie drastisch vom Fresko ab. Hier wurde nichts von Yin und Yang erwähnt, so als ob sie niemals ein Teil davon gewesen wären. War es ein Versehen, oder war es so gewollt? Zu gerne hätte er dies mit dem Meister des Hains oder dem Sternenlord diskutiert, doch sie waren fort und Yanlou musste sich erneut zusammenreißen, um nicht erneut in Rage zu geraten. Aber woher stammten dann jetzt diese Kreaturen? Hatten ein paar wenige überlebt, oder wurden sie neu erschaffen? Wie kam dieser Wūshī in die Schattenwelt? Fragen, auf die Yanlou keine Antworten fand. Ermattet ließ er sich auf eine der alten Liegen sinken. Um sich von dem vergangenen Geschehen abzulenken, konzentrierte er sich auf Wei Ying und Lan Zhan. Er hoffte inniglich, dass Wei Ying ihn hat retten können. Und wenn nicht? Würde er sie dann jemals wiedersehen? Oder wären ihre Erinnerung dahin und sie würden ohne zurückzublicken die Weiten der Unendlichkeit erneut unbekümmert durchstreifen?

Soulmate III: Shackles of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt