Kapitel [16]

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Nachdem sie einige Krüge Wein geleert hatten, machten sie sich auf in die Grabhügel. Da Yanlou das Portal versiegelte, erschienen sie direkt davor. Erneut betonte Wei Ying, dass er sich im Hintergrund zu halten hätte. Yanlou nickte nur unwirsch darauf, löste die Barriere und gemeinsam traten sie durch das Portal. Forsch wollte Wei Ying vorgehen, doch Lan Zhan hielt ihn am Arm fest. "Warte, lass mich erst sehen, wo sich die Kreaturen aufhalten." Wei Ying sah ihn mit zusammen gezogenen Augenbrauen fragend an. "Als Yanlou und ich hier waren, haben wir nur drei gesehen, die, die unten im Verlies." "Dann habt ihr nicht richtig nachgesehen, sie sind überall. Sie hängen an der Decke, an den Felsen und einige befinden sich im Lavasee." Wei Ying wirkte erstaunt, ja er hatte sie gefühlt, jedoch nicht gesehen. "Heißt das, wir waren ununterbrochen umzingelt von ihnen?" wollte Yanlou wissen. Lan Zhan antwortete darauf nur mit seinem altbekanntem 'mh'.  "Äh, A-Zhan, von wie vielen sprechen wir genau?" "Dutzenden, die einzigen, die noch menschlich wirken, sind die Ratsmitglieder und die Palastwache." Lan Zhans Gesicht verdunkelte sich, bevor er weiter sprach. "Nachdem er ihnen ihre Seelen raubt, übergibt er die Überreste an den Wūshī." "Und der verwandelte sie dann in diese Kreaturen?" unterbrach in Wei Ying. "Nein, nicht alle eignen sich dazu." "Das waren dann wohl die Knochen, die wir im Verlies fanden, an denen drei der Kreaturen herum nagten." "Mh." Wei Ying rieb nachdenklich seine Nase. Daher haben wir an diesem Tag niemanden angetroffen. Ich habe die dunkle Energie von überallher gespürt, jedoch war ich mir nicht im Klaren darüber, dass diese Kreaturen sich ausstrahlten. Lan Zhan sah sich prüfend um, nickte und die anderen traten neben ihn. Ohne ein Wort zeigte er auf auf die Stellen, an denen die Kreaturen hingen. Wei Ying schluckte unbemerkt. Lan Zhan hatte recht, es waren Tausende, denn nun konnte er sie auch ausmachen. Gemeinsam gingen sie näher an den Steg heran. Wei Ying deute Yanlou, dass er genau hier stehen bleiben sollte. Da er es den beiden versprochen hatte, blieb er ohne zu murren dort. Lan Zhan und Wei Ying nickten sich zu, sprangen ab und platzierten sich schwebend in der Mitte linkes und rechts vom Steg in der Luft. Lan Zhan holte seine Guqin Wangji hervor, begab sich in den Lotussitz, legte sie auf seine jetzt überkreuzten Beine ab und wartete. Wei Ying indessen nahm seine Flöte Chenqing zur Hand, setzte sie an seine Lippen, schloss die Augen und spielte eine schaurig schöne Melodie. Schwarz-lila Nebel begann sich um ihn herum zu bilden, der sich auf sein Flötenspiel hin immer weiter ausbreitete. Immer schneller bewegten sich seine Finger über die Öffnungen der Bambusflöte. Die Töne wurden schriller, der Nebel gehorchte und formte sich zu Kugeln, die jetzt in alle Himmelsrichtungen auseinander spritzen. Yanlou betrachtete dieses Schauspiel mit Erstaunen und Ehrfurcht. Zischen, Kreischen und das Klackern von Kiefern war indessen von überallher zu hören und klang in seinen Ohren recht bedrohlich, jedoch Wei Ying und Lan Zhan schienen sich nicht darum zu kümmern, daher blieb Yanlou schweigend stehen und beobachte weiterhin die sich vor ihm abspielende Szene. Mittlerweile schossen die Nebelkugeln in alle Öffnungen, an den Wänden und der Decke entlang, tauchten in den Lavasee und trieben die sich dort befindenden Kreaturen wie eine Herde Schafe vor sich her zum mittleren Fels. Manche von ihnen versuchten sich gegen die Kugeln zu wehren, jedoch mit mäßigem Erfolg, da sie dem Anschein nach Schmerzen erlitten, sobald sie diese berührten. Wei Ying öffnete seine Augen wieder, die jetzt dunkelrot leuchteten. Der Nebel, der um ihn herum immer noch wirbelte, verdichtete sich und schien ihn zu verschlingen. Yanlou erblickte zum ersten Mal Wei Yings Verwandlung in seinen Ursprung, denn sein Körper verblasste immer mehr, bis dort nur noch eine Kugel aus schwarzem Nebel, weiß-rötlichen Blitzen und pulsierender Finsternis schwebte. In seinem Inneren schien ein Orkan zu toben. Das muss Wei Yings Chaos sein, erschreckend, doch zugleich auch wunderschön. Yanlou musste seinen Blick förmlich von ihm reißen, denn nun begann Lan Zhan auf seiner Guqin zu spielen. Seine Melodie war eine ganz andere. Sanft, weich, jedoch mit einem traurigen Unterton. Auch seine Finger flogen immer schneller über die Saiten und um Lan Zhan bildete sich ein Licht, das immer heller anfing zu strahlen. Wei Ying hatte sich mittlerweile von seinem Platz bewegt und umkreiste, gefolgt von seinen Schattenkugeln, die zusammen getriebenen Kreaturen, die immer noch versuchten nach ihnen zu schnappen. Yanlous Blick wechselte wieder zu Lan Zhan, dessen Guqin Saiten langsam anfingen, in einem blau-weißen Schein zu glühen. Mitten in einer kreisenden Bewegung schnellte Lan Zhans Hand nach vorn und entließ eine Schallwelle, die alle Kreaturen auf dem Fels traf. Das Kreischen, das die Kreaturen von sich gaben, war ohrenbetäubend, jedoch erlosch es einen Wimpernschlag später. Yanlou sah, wie sie in der Welle aus Licht augenblicklich verbrannten und zu Staub zerfielen. Silbrige Fäden entstiegen dem Asche-Haufen und Yanlou wusste sofort, dass er jetzt an der Reihe war. Die Fragmente strömten bereits alle in seine Richtung, doch in seiner humanen Gestalt konnte er sie nicht alle auf einmal aufnehmen, daher wandelte er sich selbst in seine Urgestalt, öffnete seinen Umhang und sog sie in sich hinein. Lan Zhan erhob sich und ließ seine Guqin verschwinden. Wei Ying schwebte, inzwischen mit all seinen Nebelkugeln wieder verbunden, neben ihn. Nachdem auch das letzte Fragment von Yanlou aufgenommen wurde, nahm er seine humane Gestalt wieder an. "Nun weiß ich, was Wei Ying meinte, jetzt, da ich deine Urgestalt komplett sehen konnte." Yanlou lächelte verschmitzt, doch dann trübte sich sein Blick und Lan Zhan sah ihn fragend an. "Die Seelen, die ich aufnahm, sind unvollkommen. So werde ich sie nicht ihrer Bestimmung zuführen können." Lan Zhan blickte zu Yin und nickte. "Die fehlenden werden wir auch noch befreien, denn nun ist der Seelenfresser an der Reihe." Yanlou hatte sich zuvor bereits gewundert, warum keiner Notiz von diesem Tumult nahm. Lan Zhan schmunzelte, so als ob er Yanlous Gedanken erraten hätte. "Im Palast hat niemand etwas von unserem Vorgehen mitbekommen. Als Wei Ying mit seinem Flötenspiel begann, habe ich einen Schallschutz um den Palast gewirkt. Wir wollten ihn nicht vorwarnen, um sein entsetztes Gesicht zu sehen, wenn niemand ihm zur Hilfe eilt." Yanlou schüttelte daraufhin nur den Kopf, von Wei Ying hätte er so etwas erwartet, doch Lan Zhan war immer der Sanftmütige, doch was er jetzt in seinen Augen sehen konnte, ließ selbst Yanlou etwas erschauern. Ohne ein weiteres Wort drehte Lan Zhan ab und schwebte, gefolgt von Yin, zum Eingang des Palastes. Nach kurzem Zögern setzte sich auch Yanlou in Bewegung. Erneut sah Lan Zhan zu Yin, dieser pulsierte kurz auf und bevor Yanlou fragen konnte, was nun geschehen sollte, flogen bereits die Palasttüren, mit nur einer Handbewegung durch Lan Zhan aus ihren Angeln, in die Halle. Jeder, der sich dort aufhielt, selbst der Fürst, zuckte erschrocken zusammen und sah erstarrt auf die Eindringlinge. Lan Zhan trat vor, während Yin zur Decke schwebte. Yanlou blieb zuerst unschlüssig im Eingang stehen. Der Fürst, der zuerst seine Fassung wiedererlangte, sprang erbost auf und griff zornig nach seinem Säbel. "Was fällt dir ein, Wangan? Ich suche dich seit Tagen und du wagst es jetzt, mit solch einem Auftritt hierherzukommen? Wachen, ergreift ihn und sperrt ihn ein!" Nichts geschah und Lan Zhans Gesicht verzog sich zu einem gehässigen Grinsen. Eine kurze Unsicherheit huschte über das Gesicht des Fürsten. Es hatte den Anschein, dass der Fürst bis jetzt noch keine Notiz von Yin oder Yanlou genommen hatte. Letzter trat jetzt ein und stellte sich seitlich hinter Lan Zhan. Der Fürst blickte erst wütend Lan Zhan, dann den Neuzugang an. "Wer ist das, Wangan? Warum bringst du uneingeladen jemanden hier her? Und wo zur Hölle ist mein Wūshī?" Noch immer antwortete Lan Zhan ihm nicht und schritt langsam weiter in die Halle und auf den Fürsten zu. Yanlou beobachtete nur, konnte jedoch bereits die Furcht im Fürsten spüren und dachte bei sich, dass er sich die beiden niemals zu Feinden machen sollte. In der Zwischenzeit hatten sich auch die Palastwachen aus ihrer Starre gelöst und stellte sich schützend vor ihren Fürsten, was wiederum nur verächtliches Schnaufen bei Lan Zhan auslöste, er jedoch stehen blieb. Noch wollte er ihn in Sicherheit wiegen, doch Yin schien sich bereits zu langweilen, denn er kam hinunter und schwebte jetzt neben Lan Zhan. Nach einem Seitenblick zu ihm seufzte Lan Zhan. Yanlou deutete dies als Zeichen, dass Yin keine Lust mehr auf Spielchen hatte, denn genau in dieser Sekunde sauste er durch die Halle und jeder, außer der Fürst fiel zu Boden. Entsetzt riss der Fürst die Augen auf, erhob seinen Säbel und zeigte damit auf Lan Zhan. "Wage es nicht näherzukommen, oder deine Seele wird ebenfalls von mir aufgenommen." Nach dieser Aussage, konnte sich Yanlou nicht mehr zurückhalten und fing lauthals an zu lachen. "Verzeiht mir A-Zhan, A-Ying, dass ich nicht mehr nur Beobachter sein kann. Ihr seid ja noch schlimmer als meine Unterkönige." Lan Zhan sah ihn unwirsch an und Yin nahm seine humane Gestalt wieder an. "Ayo, Yanlou, oller Spielverderber." Der Fürst richtete indessen seinen Säbel zuerst auf Yanlou, dann auf Wei Ying, der diesen nur mit einer kleinen Handbewegung aus dessen Händen schlug, während Yanlou sich jetzt direkt an den Fürsten wandte. "Ich habe gehört, ihr wolltet mich kennenlernen und mein Reich übernehmen. Ach, ich vergaß, euer Wūshī wollte dies auch und euch stürzen. Tja, ihm habe ich bereits mein Zuhause gezeigt, ist jedoch anders gelaufen, als er sich das gedacht hatte, aber nun ja, man bekommt nicht immer alles, was man will. Ich denke, dass ihr jetzt an der Reihe seid. Doch zuvor muss ich noch die restlichen Seelen sammeln, die in euch eingesperrt sind." Wütend über diese Worte griff der Fürst nach den Seelen der zu Boden gegangenen Wachen, konnte sie jedoch nicht greifen, was ihn vor Zorn brüllen ließ. Wei Ying ging jetzt grinsend auf ihn zu, ließ sein Amulett in seiner Hand erscheinen und wedelte damit vor dessen Nase. "Ihr habt danach gesucht?! Dumm nur, dass ihr euch von eurem Wūshī habt in die Irre führen lassen. Mein Amulett kann die Siegel zur Unterwelt nicht brechen. Niemand kann das, außer der Herr der Unterwelt selbst. Darf ich vorstellen", dabei zeigte er auf Yanlou, "Todesgott Yanlou, König der Unterwelt, Herrscher von Diyu." Yanlou verbeugte sich daraufhin spöttisch. "Lan Zhan, Unsterblicher Yang, kennt ihr ja bereits und meine Wenigkeit, Unsterblicher Yin oder auch einfach nur Wei Ying. Da wir damals den Fehler begingen, euch nur in der Schattendimension einzusperren, sind wir heute hergekommen, um dies zu korrigieren." Während dieser Worte taumelte der Fürst panisch zurück. "Das ist unmöglich", stammelte er. "Er hat gesagt, du bist tot. Er hat gesagt, er habe dein Herz zerquetscht." Der Fürst stotterte weiter seltsames Zeug vor sich hin und man konnte deutlich den aufkeimenden Irrsinn in seinen Augen erkennen. Yanlou trat neben Lan Zhan und flüsterte ihm zu: "Ich hatte einen unerbittlichen Kampf auf Leben und Tod erwartet, doch dieser Wicht ist recht armselig." Lan Zhan zog daraufhin seine Stirn in Falten. Er hat recht, das war zu einfach. Der Kampf, den wir damals führten, war selbst für uns anstrengend. Etwas stimmt hier ganz und gar nicht. Er schnellte zu Wei Ying herum, doch bevor er ihn warnen konnte, war es bereits zu spät und es passierte das Unerwartete. Wei Ying wog sich in Sicherheit und hatte einen Augenblick der Sorglosigkeit nicht aufgepasst, da war der Fürst nach vorn geschnellt, das Amulett ergriffen und Wei Ying an der Gurgel gepackt. Gemeinsam, mit einem boshaften Grinsen im Gesicht, verschwand der Fürst mit Wei Ying vor ihren Augen. "Wei Ying! Nein!" Lan Zhan schrie und fiel auf die Knie. Fassungslos starrte er auf die Stelle, wo zuvor er und der Fürst noch standen. Selbst Yanlou war bestürzt wegen der Situation, in der sie sich jetzt befanden. Lan Zhan ließ sich nach hinten auf seine Fersen sinken. Tränen voller Entsetzen und Schmerzen rannen aus seinen panisch weit aufgerissenen Augen. Wie konnte ich nur so einfältig sein? Wei Ying, wo bei den Himmeln hat er dich hingebracht? Yanlou löste sich aus seiner Benommenheit, kniete sich neben Lan Zhan und legte seine Hand auf dessen Schulter. "A-Zahn, wie konnte das geschehen? Hattet ihr nicht gesagt, er kann nicht aus der Schattenwelt entfliehen?" "Amulett", flüsterte er erstickt. Mehr brachte Lan Zhan nicht heraus. Alles in ihm zog sich zusammen. Er konnte seinen Soulmate, seinen über alles geliebten Wei Ying nicht mehr spüren.   

   

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Soulmate III: Shackles of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt