Kapitel [14]

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Ein Beben riss Yanlou aus seinen Gedanken. "Was bei allen Gerichtshöfen geht hier vor?!" Mit wehenden Gewändern rannte er aus seiner alten Residenz. Youdu war in heller Aufruhr. Gebäude waren im Begriff einzustürzen, einige der Hütten am Rande der Stadt waren bereits vollkommen zerstört. Von überallher erklangen Schreie und Wehklagen. Selbst seine Unterkönige waren alle aus ihren Palästen gekommen und traten einer nach dem anderen neben Yanlou. "Zhǎngwò, was geschieht hier?" Die Frage missachtend, gab er ihnen, seine Befehle. "Kümmert euch um die verlorenen Seelen, ich werde die Ursache herausfinden!" Die zehn Unterkönige verbeugten sich vor ihrem Meister und eilten davon. Etwas gerät gerade aus dem Gleichgewicht. A-Ying, A-Zhan, ich hoffe, euch geht es gut. Als die neun Himmel und drei Wildnisse zerstört wurden, gab es auch ein Beben, doch das war bei weiten nicht so heftig und wurde in Youdu überhaupt nicht bemerkt. Yanlou begab sich ohne einen Umweg direkt ins Reich der Sterblichen. Jedoch war hier alles ruhig. Jeder ging seinem Tagewerk nach. Yanlou legte seinen Kopf schief, rieb sich sein Kinn und überlegte, was dies zu bedeuten hätte. Das Portal, könnte jemand versuchen es zu öffnen? Doch auch in den Grabhügeln fand er nichts Außergewöhnliches vor. Die Barriere, mit der er das Portal versiegelt hatte, wurde nicht gebrochen. In seinem Inneren spürte er plötzlich eine Machtverschiebung, die mehr und mehr anschwoll. Nur aus einer Idee heraus begab er sich zum Pfirsichhain, doch was er dort vorfand, übertraf all seine kühnsten Erwartungen. Die zuvor dagewesene Verwüstung war vollkommen verschwunden. Der Hain blühte in seiner gesamten Pracht. Selbst Feng Huangs Pavillon stand wieder an seinem Platz. Yanlous Augen wurden feucht. A-Ying, A-Zhan, das wart ihr. Ich kann es fast nicht glauben. "Ist es nicht prachtvoll geworden? Meine Jungs sind einfach großartig. Nicht wahr?" Yanlou wirbelte herum und wäre fast gestolpert. "Phönix, alter Phönix, ihr, du lebst." Ohne darauf zu antworten, ging er auf Yanlou zu, klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter und betrat dann sein Zuhause. Wie festgefroren stand Yanlou unter den Pfirsichbäumen und starrte Feng Huang nach. Nach einer Weile kam der alte Phönix mit einem Krug Wein wieder zum Vorschein. "Was stehst du da wie angewurzelt herum, komm her und setz dich. Erzähl mir, wie es dir ergangen ist." So langsam löste sich Yanlou aus seiner Starre. Beinahe kam es ihm so vor, als das, was zuvor geschah, nur ein böser Albtraum war. Wie in Trance begab sich Yanlou zur altbekannten Sitzecke, setzte sich, jedoch bekam er weiterhin kein Wort zustande, so fassungslos war er nach wie vor. Feng Huang schüttete fünf Tassen voll, was wiederum bei Yanlou ein Stirnrunzeln auslöste. Er räusperte sich, bevor er sprach. "Erwarten wir noch jemanden?" Feng Huang schmunzelte. "Ist das wirklich deine erste Frage an mich? Nicht, wo warst du? Was hast du getrieben? Oder so etwas in der Art? Nun gut, ich werde es ohnehin gleich berichten, wenn wir vollzählig sind." Wie auf Stichwort erschienen nacheinander, Xingming, Wei Ying und Lan Zhan. Als Yanlou die beiden sah, hielt er es nicht auf seinem Sitzplatz aus, sprang auf, rannte ihnen entgegen und riss sie in seine Arme. Da der Sternenlord nicht damit gerechnet hatte, dass Yanlou seinetwegen so aufgeregt war, nahm er in aller Ruhe neben Feng Huang Platz. "Hättest du gedacht, dass unser alter Gott des Todes so rührselig sein kann?" "Nein, jedoch kann ich es jetzt mit eigenen Augen sehen." Leise miteinander flüsternd sahen sie den Dreien zu. "Ayo, Yanlou, du erdrückst mich schon wieder." "Halt den Mund. Weißt du überhaupt, wie viele Sorgen ich mir um euch beide gemacht habe?" Allerdings ließ er beide aus seiner Umklammerung frei und räusperte sich erneut. Was mit einer sarkastischen Äußerung seitens Feng Huang quittiert wurde. "Yanlou, es scheint in letzter Zeit sehr trocken in der Unterwelt zu sein. Komm her und trink einen Schluck Wein." Grummelnd setzte sich Yanlou wieder auf seinen Platz und überhörte geflissentlich das unterdrückte Lachen von Wei Ying. Was Wei Ying wiederum einen Ellbogen in die Rippen seitens Lan Zhan bescherte. "Au, Lan Zhan." Mit einem kurzen Seitenblick zu ihm ging Lan Zhan zu den anderen und nahm ebenfalls Platz. Wei Ying folgte ihm schmollend und setzte sich auf seinen Schoß, nicht mangels Sitzgelegenheiten, nein einfach, weil er es so gewohnt war. Eine Weile tranken sie schweigsam ihren Wein, bis Feng Huang die Stille durchbrach. Er berichtete ihnen, was in der Nacht, als der Pfirsichhain zerstört wurde, geschah, dass, er durch das Beben sowie Grollen geweckt wurde und als er dem nachgehen wollte, Lan Zhan sah, der mit Bichen den Hain zerteilte. Er wollte sich ihm entgegenstellen, war jedoch unterlegen. Schwer verletzt trat er den Rückzug an. Als er allerdings am Himmelspalast ankam, war dieser bereits nicht mehr vorhanden. In den Trümmern suchte er nach Überlebenden, doch fand er nur Leichen der Feen und Palastwachen vor. Zu dieser Zeit wusste er selbst nicht, wer dieses Grauen überlebt hatte. Seine Wunden ließen es jedoch nicht zu, weiter Ausschau zu halten, somit begab er sich an einen Ort, von dem er ausging, dass es dort sicher sei. Kunlun, seine alte Heimat. Er war dort nicht allein. Viele aus den neun Himmeln und drei Wildnissen hatten dort Zuflucht gesucht. Der Gott des Krieges hatte sie alle aufgenommen, unter anderem Xingming. Auch er hatte Lan Zhan erkannt, doch ebenso wie Feng Huang war er der Meinung, dass es sich nicht um den wahren Lan Zhan handeln konnte, daher kamen sie zu der Übereinkunft, ihn nicht zu erwähnen. Der Kriegsgott und seine Armee machten sich auf die Suche nach den Tätern, jedoch ohne Erfolg. Nach der Invasion gab es keine Anhaltspunkte, wer oder warum dies alles geschah. Während Feng Huang erzählte, sah Lan Zhan betroffen zu Boden. Jeder hier am Tisch wusste, dass es nicht seine Schuld war, dennoch fühlte er sich verantwortlich. Nachdem Feng Huang zum Ende gekommen war, trat erneut eine unangenehme Stille ein. Jeder Einzelne hing seinen Gedanken nach. Yanlou war der Erste, der das Schweigen brach. "Warum habt ihr euch nicht bei mir gemeldet? Ich habe die Verwüstung gesehen, den Hain, die neun Himmel, alles. Sagt mir, warum seid ihr nicht zu mir gekommen?" Feng Huang und Xingming sahen sich betroffen an, doch anstatt Feng Huang antwortet Xingming. "Wir waren eingesperrt. Der Kriegsgott hatte alles abgeriegelt. Nachdem Feng Huang genesen war, wollten wir zu dir. Selbst eine Nachricht durften wir nicht senden." Yanlou unterbrach schroff den Sternenlord. "Soll das etwa heißen, dass man mich verdächtigte?" Sämtliche Muskeln seines Gesichts waren angespannt. Er musste sich mit aller Macht zurückhalten, um die Kontrolle über sich zu bewahren. "Nein, wo denkst du hin. Du hast es vollkommen missverstanden." Feng Huang sah entsetzt zwischen Xingming und Yanlou hin und her. "Kunlun wurde zum Schutz abgeriegelt. Du weißt genauso gut wie wir, dass niemand Kunlun ohne Weiteres betreten kann. Der Kriegsgott war nur besorgt, dass diejenigen es dennoch versuchen könnten und vielleicht sogar Erfolg damit hätten." "Er hat recht damit getan", meldetet sich nun Lan Zhan zum ersten Mal zu Wort. "Mit Bichen hätte ich die Barriere schnell durchbrechen können, zum Glück hat man mir dies nicht aufgetragen." Für einen Moment schwiegen alle. "Mein Auftrag war, das Amulett zu finden und die neun Himmel und drei Wildnisse dabei zu zerstören. Der Wūshī des Fürsten hatte keine Ahnung, dass Wei Ying es bei sich trug, als er uns mit den Schattenkreaturen angriff." Wei Ying sah Lan Zhan entsetzt an. "Heißt das etwa, es war der Wūshī, der mein Herz zerquetscht hat und nicht der Fürst?""Ganz recht. Der Fürst ist nach wie vor in der Schattenwelt gefangen und kann sie nicht verlassen." Wei Ying kratzte sich grübelnd an seiner Nase. Yanlou sah abwechselnd beide an. "Habt ihr in der Zwischenzeit überhaupt über die Geschehnisse geredet?" Wei Ying verkniff sich bei der Frage ein Grinsen und Lan Zhans Ohren färbten sich leicht rötlich. Feng Huang fing lauthals an zu lachen, während sich Xingming an seinem Wein verschluckte, da jeder am Tisch jetzt genaustens im Bilde war, was die beiden getrieben hatten, bevor sie die Welten wiederherstellten. Yanlou hingegen schüttelte missbilligend den Kopf und seine Augen färbten sich dunkel. "Ah, ah, Yanlou, komm schon. Beruhige dich. Nicht ausflippen." Wei Ying versuchte ihn zu besänftigen, denn er hatte noch gut in Erinnerung, was geschah, als dessen Augen sich beim letzten Mal verfärbten. Yanlou schloss die Augen und atmete ein paar mal tief durch. Als er sie wieder öffnete, waren sie silbern wie zuvor. "Ich habe mir Sorgen um euch gemacht und ihr, ich fasse es nicht.""Yanlou, sei wieder gut, die beiden sind noch jung." Yanlou verdrehte die Augen und sah Feng Huang ernst an. "Jung sagst du. Wirklich? Ich denke, die beiden sind älter als wir beide zusammen." Der alte Phönix schmunzelte und schenkte Yanlou nach. "Lasst uns trinken. Es liegen anstrengende Zeiten hinter uns und ich denke auch noch vor uns." Xingming bestätigte dies mit einem Nicken. "Noch ist es nicht zu Ende." Jeder von ihnen wusste, was gemeint war. Der Fürst war zwar in der Schattenwelt gefangen, jedoch konnte niemand wissen, was er als Nächstes planen würde, jetzt, wo sein Wūshī in ihren Händen war. Spät in der Nacht, nach etlichen weiteren Krügen Wein, verabschiedeten sie sich voneinander. Yanlou kehrte zur Unterwelt zurück und Xingming in seinen neu errichteten Palast. Wei Ying war bereits auf Lan Zhans Schoß eingeschlafen, daher nahm er ihn behutsam auf und trug ihn zu ihrem Jingshi, das wie zuvor an seinem Platz auf der Anhöhe stand. Feng Huang sah ihnen noch lange nach und begab sich dann ebenfalls zur Ruhe. 

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"Was soll das heißen, ihr könnt ihn nicht finden. Habt ihr in der Eishöhle nachgesehen und wo ist mein Wūshī dieser Húndàn? Sucht gefälligst gründlicher." Wutentbrannt sprang der Dämonenfürst von seinem Thron auf und griff nach seinem Säbel. Die Palastwache, die ihm die schlechte Nachricht überbracht hatte, fiel wie vom Blitz getroffen zur Seite. Der Fürst beugte sich über den leblosen Körper und saugte dessen Seele auf. Langsam erhob er sich wieder und sah sich im Saal um, der mittlerweile überhäuft von blanken Knochen war. Er rief nach seinen Dienern, befahl ihnen die Säuberung und verließ den Thronsaal durch den Haupteingang. Draußen fielen die Soldaten sofort auf die Knie und verbeugten sich tief vor ihrem Herrn. Niemand wagte es ihn anzusehen, da ihr Hauptmann nicht herauskam, konnten sie erahnen, was mit ihm geschehen war. Ohne Beachtung stapfte er an ihnen vorbei in Richtung Eishöhle. Dort angekommen wunderte er sich, denn sein Wūshī hatte sie ihm anders beschrieben. Das Eis war geschmolzen. Über dem See, der nun freigelegt war, hing dichter Nebel und blubberte leise vor sich hin. Stirnrunzelnd macht er kehrt und steuerte das Verlies an. Er wusste, dass sich dort sein Wūshī am liebsten aufhielt, in seiner Alchemie-Küche, mit all seinen grauenhaften Bestien. Woher sie stammten, konnte er nur erahnen, doch solange sie nützlich waren, interessierte es ihn auch nicht weiter. Je weiter er hinab ging, umso übler wurde der Geruch. Endlich unten angekommen, wurde ihm klar, woher der Gestank kam. Zwischen angenagten Knochen lagen die Kadaver der Bestien. Was war hier geschehen? Hatte sein Wūshī in einem Anfall von Wut seine Lieblinge getötet? Mit gezogenem Säbel schritt er weiter in den Gang. Misstrauisch äugte er in die verschlossenen Zellen, die jedoch alle leer waren. Nur die am Ende stand weit offen. Als er diese betrat, bemerkte er direkt die Fesseln, die von der Decke hingen und den Blutgeruch, der den gesamten Raum durchflutete. War hier ein Experiment missglückt? Wurde hier jemand gefoltert? Er sah sich weiter um und entdeckte die zerbrochenen Phiolen und Fläschchen am Boden. Tische, Stühle und Regale lagen zerborsten überall verstreut. Hier hatte ein Kampf stattgefunden, jedoch konnte der Fürst sich keinen Reim daraus machen. Wer würde sich seinem Wūshī entgegenstellen und mit dem Leben davonkommen? Warum gab es keinen Bericht? Waren seine Untergebenen überhaupt hier unten? Doch alles grübeln half nicht und somit kehrte er in den Palast zurück. Er rief nach seinem Hauptmann, doch herein kam einer der Soldaten und warf sich direkt vor dem Fürsten nieder. Zornig wollte er sich auf ihn stürzen, doch dann wurde ihm wieder bewusst, dass er diesen bereits zuvor verschlungen hatte, also zügelte er sich. Er befragte ihn zur Eishöhle sowie zum Verlies. Der Soldat berichtete stocken und mit zittriger Stimme, dass der Wūshī ihnen den Zugang verboten hatte. Nun wurde dem Fürsten auch klar, warum er keine Meldung über den Vorfall erhielt. Grollend scheuchte er den Soldaten hinaus, der so schnell es ihm möglich war, das Weite suchte. Nachdem er hin und her überlegt hatte, wurde ihm bewusst, dass er nicht einmal wusste, was sein Wūshī den ganzen Tag über trieb, wenn er nicht in seiner Nähe war. Zweifel in Bezug auf dessen Treue machte sich in ihm breit. Wurde er hintergangen? Wo war er und wo war dieser Nichtsnutz, den er angeschleppt hatte? Wollte er das Amulett für sich selbst? "Wūshī, Wūshī, warte, bis ich dich in die Finger bekomme, selbst du bist entbehrlich."   

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Soulmate III: Shackles of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt