48. Janus

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Mein Herz raste schmerzhaft. Der schnelle Sprint zurück zum Rudel mit Flynn auf meinem Rücken hatte mir gerade alles abverlangt. Das Wissen, das mit Janus irgendetwas nicht in Ordnung war, ließ gleich sämtliche Alarmsignale in meinem Körper anschlagen. Dass ich noch dazu seitdem er ins Koma gefallen war kaum zur Ruhe kommen konnte, wirkte sich nun noch stärker aus. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, während meine Lunge brannte wie Feuer und selbst meine Muskeln zogen, obwohl das eigentlich keine große Kraftanstrengung gewesen war.

Ich setzte Flynn vorsichtig am Boden ab, ehe ich mich gleich zurückverwandelte und ohne eine kurze Atempause einzulegen ins Innere der Arztpraxis stürmte. Dass mein Bruder mir folgte, realisierte ich gar nicht mehr, so sehr blendete ich mein Umfeld aus.

Gerade zählte für mich nur noch zu Janus zu kommen.

„Das ist unmöglich", rief mir die Arzthelferin schon entgegen, als ich die Tür energisch aufstieß ohne darauf zu achten, was dahinter sein könnte. „Die Werte haben dagegen gesprochen", fügte sie noch energisch hinzu, doch ich ignorierte sie vollkommen und eilte einfach nur zu Janus Zimmer.

Die Tür war angelehnt und aus dem Inneren konnte ich einige Stimmen hören. Unter anderem Neo, Benno und unseren Arzt. Schluchzte da jemand?
Das eindeutige Schluchzen, das hinter der Tür zu vernehmen war, schürte meine Angst nur weiter an. Meine Kehle wurde immer enger, wodurch mir auch das Atmen schwerer fiel. Meine Lunge brannte nach meinem Sprint noch immer und würde auch nicht so schnell aufhören, wenn ich ihr nicht bald einen Moment Ruhe gönnen würde.
Daran konnte ich aber gerade nicht denken.

Mit einem kräftigen Stoß drückte ich die Tür auf und knurrte wütend auf, als ich Janus nicht direkt sehen konnte, weil zu viele Leute vor seinem Bett standen. Was machten die überhaupt alle hier?!

Dass sogar mein Großvater hier war, kam mir direkt komisch vor, aber gerade konnte ich darauf nicht achten. Der alte Mann hatte seinen knochigen Arm um die schmalen Schultern von Dylan gelegt, der sein Gesicht an dessen Schulter barg, als wäre Ansgar sein Großvater und nicht meiner.

„Was ist passiert?!" Ich drückte mich an Benno vorbei, der direkt vor der Tür stand, nur um dann von Neo aufgehalten zu werden. Im selben Moment schob sich auch der Arzt in mein Blickfeld, sodass ich keinen Blick auf meinen Gefährten erhaschen konnte.

„Das ist unmöglich, Iacob. Die Tests haben alle dafür gesprochen, dass er ein reiner Wolf ist." Der Arzt klang atemlos und die tiefen Falten auf seiner Stirn zeigte mir deutlich, dass er mit seinem Latein am Ende war. Das schürte meine Angst nur noch weiter.
Wenn er doch kein reiner Wolf war, was war er dann?

Ich versuchte mich von Neos festem Griff loszureißen, doch der Beta war durch meine momentane emotionale Instabilität kräftiger und konnte meiner Wehr schier problemlos standhalten.

„Neo, lass mich los, verdammt!", zischte ich wütend und riss erneut an seinem Griff. Warum hielt er mich von meinem Gefährten fern, wenn es diesem offenbar nicht gut zugehen schien?

„Du musst mir glauben, dass wir das nicht wussten. Das ist für uns genauso überraschend wie für euch." Der Beta sah mir bei seinen Worten ernst entgegen. Seine Augen waren genauso kühl wie immer und ließen keinerlei Schlüsse ziehen, was passiert sein könnte, trotzdem konnte man sehen, dass er Angst hatte, dass ich ihm nicht glaubte.

„Was?", stieß ich verständnislos aus. „Was wusstet ihr nicht?"

Anstatt mir zu antworten, atmete der Beta tief ein, ehe er seine Arme langsam von mir löste und aus meinem Sichtfeld trat. Auch der Doktor ging zögerlich beiseite, sodass ich endlich freien Blick auf meinen Gefährten hattet. Im selben Moment wurde es auch mucksmäuschenstill im Raum. Ich fühlte sämtliche Augenpaare auf mir liegen.

wild wolf ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt